„Swissinfo.ch“ (SWI), vom 01.01.2015, von Andreas Keiser;
Link: http://www.swissinfo.ch/ger/-wir-haben-eine-mutige-demokratie-und-das-gefaellt-mir-/41183356
.
Rhoenblicks Kommentar:
Auf Allgemeinplätze
des Interviewers wie
„Muss oder soll
ihrer Ansicht nach das Initiativrecht eingeschränkt werden?“
„Ein Indiz dafür
sind die Abstimmungen, die Bundesrat und Parlament verloren haben.“
„Die
Auslandschweizer sorgen sich um das drohende Ende der Personenfreizügigkeit,
denn sie gilt nicht nur für die Einwanderung, sondern auch für die
Auswanderung.“
[Die EU wird sich
hüten, den Status der Schweizer, die in den EU-Ländern leben in irgendeiner
Weise zu beeinträchtigen].
„Ist es für Sie
denkbar, dass man den Auslandschweizern reelle Wahlchancen einräumt, indem man
der Fünften Schweiz eine feste Anzahl Sitze zuteilt.“
[Es gibt keinen Grund,
dass die Auslandschweizer gegenüber anderen Minderheiten bevorzugt werden
müssen, indem ihnen eine feste Anzahl von Sitzen zugeteilt wird.]
gibt Frau Bundespräsidentin
Simonetta Sommaruga klare, staatsmännische(1) Antworten – Danke!
(1)
"Das
Adjektiv „staatsfraulich“ statt des geschlechtsneutralen staatsmännisch
ist selten und umgangssprachlich"; Quelle: "Wikipedia"; Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsmann
.
Interview:
Die Schweizer
Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga plädiert im Interview mit swissinfo.ch
für eine politische Kultur, die "auch auf dem Respekt von Andersdenkenden
beruht". Auch wenn gewisse Volksinitiativen kaum mit dem Völkerrecht zu
vereinbaren seien, funktioniere das System.
Grösste Baustelle
der Justizministerin im Jahr 2015 wird die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative
sein. Im schriftlich geführten Interview betont sie, gleichzeitig die
Zuwanderung zu steuern und den bilateralen Weg beizubehalten, sei
anspruchsvoll. Die EU habe jedoch signalisiert, sie sei offen für Diskussionen.
swissinfo.ch: Es
gibt – und die Tendenz nimmt zu – Volksinitiativen, deren Forderungen
problematisch oder kaum umsetzbar sind und die zu Konflikten mit dem
Völkerrecht führen. Beispiel: Die vom Stimmvolk gutgeheissene
Ausschaffungs-Initiative. Muss oder soll ihrer Ansicht nach das Initiativrecht
eingeschränkt werden?
Simonetta Sommaruga: Tatsächlich ist die Umsetzung von
Volksinitiativen eine Herausforderung, wenn neue Bestimmungen in der Verfassung
in einem Spannungsverhältnis mit bestehenden Artikeln oder dem Völkerrecht stehen.
Auch deshalb werden derzeit verschiedene Reformvorschläge gemacht. Das begrüsse
ich, denn in der direkten Demokratie braucht es immer wieder solche
Diskussionen.
Ich bin
aber der Überzeugung, dass nicht die Regeln entscheidend sind für das Funktionieren
unseres Systems, sondern die politische Kultur. Wir brauchen eine politische
Kultur, die auch auf dem Respekt von Andersdenkenden beruht, und zwar auf allen
Ebenen: im Bundesrat, im Parlament, in der Bevölkerung. In unserer Demokratie
sind alle wichtig.
swissinfo.ch:
Europaweit sind populistische Bewegungen im Aufwind. Auch in der Schweiz gibt
es ein wachsendes Misstrauen gegenüber der etablierten Politik. Ein Indiz dafür
sind die Abstimmungen, die Bundesrat und Parlament verloren haben. Wie wollen
Sie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wieder zurück gewinnen?
S.S.:
Das Vertrauen ist nicht weg. Die direkte Demokratie der Schweiz ist da ganz besonders:
Sie ist geprägt vom Zusammenspiel aller Akteure. Das prägt unsere politische
Kultur und führt dazu – auch wenn sich Parlament, Regierung und Bevölkerung
einmal nicht einig sind –, dass keine Kluft zwischen Bevölkerung, Parlament und
Bundesrat entsteht.
Das ist
ja das wunderbare an unserem demokratischen System, Bürgerinnen und Bürger
tragen viel Verantwortung. Wir haben ein mutiges System, und das gefällt mir.
Die direkten Volksrechte wurden ursprünglich gerade dafür geschaffen, um jenen
Stimmen ein Gewicht zu verleihen, die über die etablierten Wege der
Gesetzgebung sonst ungehört verhallten.
swissinfo.ch: Die
direkte Demokratie hat in den vergangenen Jahren auch dazu geführt, dass die
Schweiz als internationaler Partner einen Teil ihrer Berechenbarkeit verloren
hat. Ist die direkte Demokratie zu einem Wettbewerbsnachteil geworden?
S.S.:
Nein, im Vergleich zu Staaten, in denen die Regierungen regelmässig
ausgewechselt werden, sorgt unser demokratisches System für Stabilität. Grosse
Reformprojekte haben zwar einen langen Vorlauf; am Ende steht aber ein breit
abgestützter Kompromiss, der auch über die nächsten Wahlen hinweg bestand hat.
swissinfo.ch: Die
Auslandschweizer sorgen sich um das drohende Ende der Personenfreizügigkeit,
denn sie gilt nicht nur für die Einwanderung, sondern auch für die
Auswanderung. Für die EU ist die Personenfreizügigkeit nicht verhandelbar.
Kontingente lehnt sie dezidiert ab. Genau das verlangt jedoch die am 9. Februar
2014 angenommene Masseneinwanderungs-Initiative. Wie wollen sie das Land aus
dieser Sackgasse führen?
S.S.: Sie haben Recht, die Umsetzung der
Masseneinwanderungs-Initiative ist anspruchsvoll. Der Bundesrat will den
Auftrag der Stimmbevölkerung umsetzen, die Zuwanderung selbstständig zu
steuern. Gleichzeitig will er aber auch den bilateralen Weg erhalten.
Die EU
hat zwar gesagt, dass sie nicht über die Prinzipien des Freizügigkeitsabkommens
verhandeln will. Sie hat ebenfalls signalisiert, dass sie offen sei für
Diskussionen. Deshalb verfolgt der Bundesrat beide Ziele parallel, das
innenpolitische und das aussenpolitische. Im Januar wird er über ein
Verhandlungsmandat mit der EU und über die Umsetzungs-Gesetzgebung beraten.
swissinfo.ch: 2015
ist ein Wahljahr. Auch Auslandschweizer werden für den Nationalrat kandidieren,
haben jedoch praktisch keine Chance, gewählt zu werden. Ist es für Sie denkbar,
dass man den Auslandschweizern reelle Wahlchancen einräumt, indem man der
Fünften Schweiz eine feste Anzahl Sitze zuteilt. Oder haben Sie eine andere
Lösung?
S.S.: Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind auf
Bundesebene den in der Schweiz wohnhaften Landsleuten gleichgestellt. Der
Bundesrat hat die Förderung der Teilnahme der Auslandschweizerinnen und
-schweizer an den politischen Rechten stets unterstützt und beispielsweise
gerade kürzlich einen weiteren Entscheid zur schrittweisen Einführung der
elektronischen Stimmabgabe gefällt.
Heute sind 135'000 Auslandschweizerinnen und
Auslandschweizer in einem Stimmregister eingetragen und nehmen ihre politischen
Rechte und Pflichten wahr. Ich begrüsse das sehr, auch sie gehören zu unserem
Land und zur schweizerischen Vielfalt.
swissinfo.ch: Die
Tragödien von Asylsuchenden im Mittelmehr nehmen dramatisch zu. Was können die
Schweiz und Europa tun, um diese Entwicklung zu stoppen?
S.S.: Sie sprechen es an: Ganz entscheidend ist die
europäische Zusammenarbeit. Die Schweiz setzt sich stark für eine gemeinsame
Migrationspolitik ein, denn alleine kann sie nur wenig erreichen. Wichtig ist die Hilfe vor Ort, damit
die Menschen gar nicht erst den gefährlichen Weg übers Mittelmeer riskieren.
Zudem müssen wir weiterhin entschieden gegen
Menschenschmuggel und Schlepper kämpfen – ein zynisches Geschäft mit den
Schwächsten. Unter anderem sollen Asylsuchende hierzulande künftig systematisch
befragt werden, um den Machenschaften auf die Spur zu kommen. Und schliesslich
hat die Schweiz seit Ausbruch des Bürgerkriegs mehrere Tausend Syrerinnen und
Syrer aufgenommen. Wir geben diesen Menschen eine neue Perspektive.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen