
«Kommentar - Die Schweiz ist kein Kleinstaat, und sie
ist auch keine Willensnation»
«NZZ» vom 11.04.2019 - hoch aktuell
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«NZZ»-Chefredaktor Gujer schreibt über die Geschichte der
Schweiz, die für ihn weitgehend aus Mythen besteht.
Herr Gujer tut so, als ob wir Schweizer nicht wüssten, dass
Wilhelm Tell eine Sagenfigur ist. Allerdings: der deutsche Dichter Friedrich
Schiller hat diese Sagenfigur in seinem Drama «Wilhelm Tell» zu einer Identifikations-,
einer Leitfigur gemacht für alle die Menschen, die frei sein wollen - «wie die Väter waren» («Wilhelm Tell» II 2).

Wie Gujers Betrachtungen zeigen, fehlt es ihm am Verständnis
der Schweizer-Geschichte - wo hat er welchen Geschichts-Unterricht erlebt? Kaum
zu glauben: Herr Gujer hat in Deutschland an den Universitäten Freiburg im
Breisgau und Köln Geschichte, Politikwissenschaft und Slawistik studiert - also
Geschichte aus Deutscher Sicht.
Gujer schreibt des Weitern:
«Zum Glück waren wir aber nie eine
Willensnation, sonst wären wir längstens auseinandergelaufen. Denn
es gibt kaum etwas Unsteteres als den menschlichen Willen.»
Halt, sichern: Sind wir sicher, dass der Gujer, der
sich jetzt mit allen Mitteln für die EU und unsere Abhängigkeit von der EU
einsetzt, immer noch der Gujer sein wird, der - nach erfolgter
Abstimmung über den EU-Rahmenvertrag in diesem Jahr - immer noch für die EU und
unsere Abhängigkeit von der EU sein wird? Denn, so Gujer: «Es gibt kaum etwas Unsteteres
als den menschliche Willen».
Gujer weiter in seiner saloppen Art:
«Das kann jeder an Kindern sehen, die
sich zwischen verschiedenen Spielsachen entscheiden müssen, oder an den Sozialdemokraten, die mal für und mal gegen das
Rahmenabkommen sind.»
Diese Begründung sollte
sich jeder Leser dieser Zeilen auf der Zunge zergehen lassen:
- Wir waren, wir sind, so Gujer, keine Willensnation, weil
Kinder sich einmal für dieses einmal für jenes Spielzeug entscheiden oder weil
sie nicht wissen, welches Spielzeug sie wollen; das ist typisch kindlich; aber
die Kinder werden ja zu Erwachsenen - ?!
Und:
- Wir waren, wir sind keine
Willensnation, so Gujer, weil die SP Schweiz im Laufe der Zeit zur Erkenntnis
gekommen ist, dass das Rahmen"abkommen" mit der EU in der heutigen
Form die wichtigen flankierenden sozialen Massnahmen in Frage stellt, wenn
nicht sogar beseitigt - über den EuGH.
Beides hat mit der Schweiz als ‚Willensnation‘ nichts tun!
Jeder kann seine Überlegungen korrigieren, seine Erkenntnisse
vertiefen und seine Entscheide entsprechend anpassen - ist das auch Herrn Gujer
möglich?
Fazit:
Herr Gujer, der
Chefredaktor der «NZZ» ist in seiner oberflächlichen „Argumentations“art schwer
zu überbieten!
Fakten zur Ausbildung der Schweiz als ‚Willensnation‘:
Carl Spitteler, Nobelpreisträger für Literatur rief nach
Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu strikter Neutralität auf - in seiner Rede an
das «Schweizer Volk»: «Unser Schweizer Standpunkt»
Link:
Vor und während des Ersten Weltkrieges waren viele
Schweizer, vor allem in der Ostschweiz - Militärs und Politiker und Leute der
Wirtschaft - hoch begeistert von Kaiser Wilhelm II..
Die "Kaiser"manöver der Schweizer Armee von 1912 in
der Ostschweiz lösten zum Teil grosse Begeisterung aus. Der deutschstämmige,
überaus deutschfreundliche Oberst Ulrich Wille-von Bismarck wurde nur General der
Schweizer Armee, weil der Bündner Oberst von Sprecher auf Bitten und Drängen
Willes, der ihn aufgesucht hatte offiziell verzichtete. Während des Ersten
Weltkrieges besichtigte ein Mitglied des deutschen Kaiserhauses in der Schweiz die
Fortifikation Murten, die einen Stoss der französischen Armee durchs Mittelland
hätte aufhalten sollen. Es versteht sich von selbst, dass unsere Welschen über die
Kaisereuphorie, die Generalswahl, die Verletzungen der ‚Neutralität‘ zu Gunsten
Deutschland sehr verärgert waren.
In dieser für den Zusammenhalt der Schweiz höchst prekären Situation
entwickelte sich langsam aber sicher die Erkenntnis, dass die Deutschschweizer
nicht in Deutschland, die Welschen nicht in Frankreich, die Tessiner nicht in Italien
gut mit ihren Eigenheiten und Werten aufgehoben wären und dass mit den
Rätoromanen unsere vier Kulturen gegenseitig auf einander angewiesen sind, zum
eigenen Vorteil und zum Wohl des Ganzen:
Die Schweiz als Willensnation
Gujer meint: «Wir Schweizer
müssen uns schon wegen der Sprachenvielfalt immer wieder rückversichern, dass
wir nicht Franzosen, Italiener oder Deutsche mit sehr seltsamem Akzent sind.
Ich frage mich, wie Gujer sich als DeutschSCHWEIZER fühlt,
wenn er sich immer „rückversichern“ muss, dass er kein Deutscher ist.»
Da schreibt Gujer einmal ganz vernünftig und widerspricht
sich selbst:
«Eine starke Identität ist für die Schweiz
geradezu überlebensnotwendig»
Allerdings - die «NZZ» und Gujer persönlich - z. Bsp. in dem
vorliegenden von mir kritisierten Artikel - tun alles, um diese «starke
Identität» zu untergraben.
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