Dienstag, 22. Januar 2013

Bravo, Philipp Rösler - Wie Rösler den Brüderle austrickste



Titel: „Wie der Rösler den Brüderle austrickste“
t-online; Spiegel Online, vom 22.01.2013, 07:23 Uhr ; verfasst von  Severin Weiland

Der Machtkampf in der FDP ist vorerst entschieden: Philipp Rösler bleibt Parteichef, Fraktionschef Rainer Brüderle wird Spitzenmann im Wahlkampf. In der internen Auseinandersetzung hat Rösler Härte und Geschick gezeigt - und seinen Widersacher bloßgestellt.

Am Ende steht das neue Duo da und starrt in die Ferne. Es gibt in der FDP-Parteizentrale keine Fragen der Journalisten mehr. "Alles klar", murmelt Philipp Rösler. "Alles klar", murmelt wenige Sekunden später auch Rainer Brüderle. Es ist ein kurzer Augenblick der Eintracht.

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Dann treten sie ab vom Podest, der 39-jährige FDP-Parteichef und der 67-jährige Fraktionschef im Bundestag. Zwei Kontrahenten, die nun miteinander auskommen müssen. Brüderle soll im Bundestagswahlkampf das "Gesicht der FDP" sein, wie es Rösler formuliert, "unser Spitzenmann". Den Begriff "Spitzenkandidat" meidet Rösler, das überlasse man lieber einer anderen Partei - gemeint ist die SPD.
Es ist eine sprachliche Petitesse am Ende eines turbulenten Tages. Aber sie umschreibt dann doch die Lage, in der sich Rainer Brüderle befindet: Er soll für die FDP die Tore schießen, wie er es selbst sagt, doch die Kapitänsbinde trägt weiter Rösler. "Rainer Brüderle ist anders als Philipp Rösler. Und Philipp Rösler ist anders als Rainer Brüderle", sagt der Parteichef. Man spreche "unterschiedliche Typen an, wir ergänzen uns". Man wolle "ja Stimmen mehren für die FDP".

Präsidium und Bundesvorstand haben das Duo ohne Gegenstimme und Enthaltung gebilligt. Nun soll die Partei, voraussichtlich Anfang März, das seltsame Paar auf einem vorgezogenen Parteitag bestätigen und das weitere Führungspersonal wählen.
Welchen Aktionsradius Brüderle künftig in einem solchen Team haben wird, das wirkt unklar. Rösler sagt, er selbst wolle das "Team" zusammenbinden, die Kampagnenfähigkeit der FDP verbessern. "Ich werde als Parteichef das ganze Team, das mit dazugehört, führen", sagt er. Er fügt hinzu: "So der Plan."

Fassungslosigkeit im Anti-Rösler-Lager
Eines ist sicher: Röslers Plan ist aufgegangen. Am Tag nach der Niedersachsen-Wahl, bei der die FDP auf sensationelle 9,9 Prozent kam, hat er seine Chance genutzt. Monatelang wirkte er wie einer, dem nur noch von seinen Gegnern der Stoß versetzt werden müsste. Nun hat er allen gezeigt, dass Brüderle, der im Herbst 40 Jahre in der FDP sein wird, nicht springt, wenn es darauf ankommt.
Es ist ein Akt, der manchen in der Partei fassungslos zurücklässt. "Das ist nur noch peinlich", simst einer, der gerne Brüderle als Parteichef gesehen hätte. Guido Westerwelle habe seinen Posten als Parteichef noch abgeben müssen, nun zwinge man die FDP "zum kleinsten gemeinsamen Nenner, schlimmer geht es nicht".
Ein anderer, der darauf gesetzt hatte, dass Rösler sich auf sein Amt als Wirtschaftsminister und Vizekanzler konzentriert, sagt: "Ein solches Duo bringt uns wohl nicht den notwendigen Umkehrschub im Bund." Doch so, wie er die FDP kenne, "wird sie sich auch das wieder schönreden".
Die Stimmung in Teilen der Partei wechselt zwischen sarkastischen Kommentaren und der Hoffnung, es werde schon irgendwie gehen. Klar ist: Viele haben Rösler unterschätzt. Und Brüderle überschätzt. Rösler hat geschickt taktiert. Am Montagmorgen, das Präsidium tagt gerade eine halbe Stunde, laufen die ersten Meldungen über die Agenturen.

Rösler hat gerade einen vorgezogenen Parteitag vorgeschlagen, da geht er noch einen Schritt weiter - und bietet Brüderle nicht nur eine führende Rolle im Wahlkampf an. Er sei auch bereit, "zur Seite zu treten", wenn Brüderle Parteivorsitzender werden wolle. "Mal gucken, was Brüderle jetzt macht", simst ein Liberaler wenig später, als er von der Nachricht hört.

Doch Brüderle will nicht – Rhoenblicks Kommentar: Brüderle kann den Parteivorsitz nicht stemmen.
Der Fraktionschef, so erzählen es Teilnehmer der Runde später, habe überrascht auf Röslers Vorstoß reagiert. Das sei so nicht abgesprochen gewesen, habe Brüderle zu Rösler und in die Runde gesagt. Noch in der Wahlnacht hatten sich Brüderle und Rösler zu einem Vier-Augen-Gespräch in der Parteizentrale zurückgezogen. Was genau dort besprochen wurde, darüber gibt es am Montag unterschiedliche Versionen - je nachdem, mit wem man spricht. Im Brüderle-Lager wird kolportiert, Brüderle habe nur den Spitzenmann geben wollen, nie den Parteivorsitz angestrebt.
Röslers Vorstoß sei daher nicht fair gewesen, wirke durch die Durchstechereien an Agenturen während der Präsidiumssitzung wie generalstabsmäßig geplant. Im Rösler-Lager heißt es wiederum, Rösler habe nach dem Gespräch mit Brüderle in der Wahlnacht keine Klarheit gehabt und deshalb den Vorstoß für einen Verzicht auf das Parteiamt unternommen, um Ruhe in die Personaldebatte zu bekommen.

Brüderle verteidigt sich – Rhoenblicks Kommentar: Brüderle in die Defensive gedrängt –einmal mehr. Brüderle ist eine schwache Figur.
Auch viele im Präsidium sind überrascht über die Kaltschnäuzigkeit Röslers. Entwicklungsminister Dirk Niebel meldet sich im Gremium zu Wort, er hat seit dem Dreikönigstreffen in Stuttgart am 6. Januar einen Kurs gegen Rösler gefahren. Er fordert, Brüderle solle auch den Bundesvorsitz übernehmen. Rhoenblicks Kommentar: Dirk Niebel ist ein egomanischer Holzklotz, Holzkopf. Nach einer Debatte im Präsidium ziehen sich Rösler und Brüderle zurück zu einem weiteren Vier-Augen-Gespräch - danach steht die Entscheidung fest: Brüderle wird das Gesicht der Partei im Wahlkampf, Rösler bleibt Parteichef.
Den Schlag Röslers, so viel darf wohl sicher sein, wird ein Mann wie Brüderle so schnell nicht vergessen. Schon einmal hat ihn Rösler um ein Amt gebracht - als Westerwelle als Parteichef im Mai 2011 abgelöst wurde, verlangte Rösler auch das Wirtschaftsministerium von Brüderle. Er musste auf den Fraktionsvorsitz wechseln. Auf den jüngsten Vorgang bei der Pressekonferenz angesprochen, wendet er sich lächelnd an den Parteichef: Wenn er in 20 Jahren seine Memoiren schreibe, werde er alles aufschreiben, dann sei "Philipp 50".
Brüderle hat gezögert und gezaudert. So sieht es das Rösler-Lager und hat sich das zunutze gemacht. Sein Vorstoß am vergangenen Freitag, als er einen vorgezogenen Parteitag verlangte und damit indirekt die Spekulationen über eine Ablösung Röslers befeuerte, habe nur einer "schnellen Klärung" gedient, verteidigt sich Brüderle und fügt hinzu: "Es war nicht meine Absicht, Parteivorsitzender zu werden. Sie kriegen zwischen uns beide keinen Keil. Wir wissen klar, was wir wollen."

Rhoenblicks Kommentar:
Alle Achtung, Herr Rösler. Ich freue mich, wie sie ihren Widersachern in der FDP begegnen und den alten Brüderle zum Spitzenmann der FDP für die Bundeskanzlerwahl erküren. Jetzt müssen sie sich nur noch den Niebel vorknüpfen, der in letzter Zeit eine miese Figur macht. Er ist auch an sich nichts Besonderes: Ein Entwicklungsministerium ausbauen zu seinem eigenen Lob und Preis, das er vorher aufheben wollte. Zu Brüderle

Herr Rainer Brüderle (*22. Juni 1945 in Berlin) ist in meinen Augen grundsätzlich ein Politiker zweiten Ranges. Wie viele andere deutsche Politiker auch ist er praktisch ein „Nur-Politiker“ - 35 lange Jahre Politiker, seit seinem 32ten Altersjahr - und damit in seinem Alter ausgelaugt, verkalkt. Wie viele deutschen Politiker ist er ein Sesselkleber, ein Angehöriger der deutschen Politiker-Kaste.

Brüderle hat - so die „Süddeutsche Zeitung“ - im März 2011 eine sehr vernünftige Aussage zur Merkelschen Kernkraftwerk-Politik - ein Hüftschuss par excellence – gemacht haben, die er aber alsbald vor dem deutschen Bundestag dementierte - siehe gegen Ende dieses Kommentars.

Brüderle wuchs ab 1948 in Landau in der Pfalz auf, wo sein Vater ein Textilunternehmen betrieb.
Nach dem Abitur mit 21 Jahren (!) 1966 am Gymnasium in Landau studierte Brüderle Volkswirtschaftslehre an der an der Universität in Mainz. Mit 26(!) Jahren schloss er 1971 seine Studien als Diplom-Volkswirt ab. Ab 1975 besetzte er verschiedene Posten der Mainzer Stadtverwaltung bis 1987.


Seit 1973 ist Brüderle Mitglied der FDP, wo er von 1981 bis 1983 Vorsitzender eines FDP-Bezirksverbandes war. Von 1983 bis 2011 – d.h. während 28(!) Jahren war er Landesvorsitzender der FDP Rheinland-Pfalz. Seit 1983 gehört er auch dem FDP-Bundesvorstand an - d.h. seit 30(!) Jahren. Seit 1995 ist er Stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP, d.h. seit 28 Jahren. Ein unscheinbarer Sesselkleber.

Brüderle war von 1987 bis 1998 Mitglied des Landtages von Rheinland-Pfalz und dort 1987 kurzzeitig Vorsitzender der FDP-Fraktion. Er war von 1987 bis 1998 Wirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz und somit auch zuständig für den Weinbau.
Seit 1998 - d.h. seit 15 Jahren - ist er Mitglied des deutschen Bundestages. Hier wurde er sogleich zum Stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion gewählt. Gleichzeitig war er bis zu seinem Amtsantritt als Bundesminister wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion und leitete den Fraktionsarbeitskreis für Wirtschaft und Finanzen.
Am 10. Mai 2011 wählte die FDP-Bundestagsfraktion Brüderle zu ihrem neuen Vorsitzenden. Er wurde mit 86 Stimmen gewählt, bei 2 Enthaltungen und 2 Gegenstimmen. Solche hohe Zustimmungsquoten sind in Deutschland üblich. Die hohe Zustimmungsquote für Frau Merkel 2012 wurde in den Tageszeitungen als Kuba-Quote apostrophiert. Merkwürdig, dieser Blick nach dem fernen Kuba. Es liegt deutlich näher und auf der Hand, diese Zustimmungsquoten als SED-Quoten zu qualifizieren.

Im Zusammenhang mit dem dringend notwendigen Sturz Westerwelles als FDP-Parteivorsitzender und Vizekanzler löste der neue FDP-Vorsitzende Philipp Rösler Brüderle als Wirtschaftsminister ab. Rösler wurde gleichzeitig Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland. Seit dem 21.01.2013 ist Brüderle der „Spitzenmann“ der FDP für die Bundestagswahlen im Herbst 2013. Philipp Rösler bleibt Parteivorsitzender der FDP Deutschland.

Im März 2011 bezeichnete Brüderle die Reaktion der Deutschen auf die Nuklearkatastrophe von Fukushima als „hysterisch“. Brüderle soll bei einer vertraulichen Präsidiumssitzung des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) am 14. März 2011 laut Sitzungsprotokoll geäußert haben, dass die Entscheidung der Bundesregierung für das Moratorium der Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke unter dem Eindruck der Unfälle im japanischen Kernkraftwerk Fukushima nicht aus Sachgründen erfolgt, sondern dem politischen Druck der bevorstehenden Landtagswahlen geschuldet gewesen sei. Nach der Veröffentlichung der protokollierten Äußerungen durch die Süddeutsche Zeitung bestritt Brüderle am 24. März 2011 vor dem Bundestag die Richtigkeit des Protokolls, nachdem bereits der BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf (CSU) gesagt hatte, das wenige Tage zuvor von ihm selbst verschickte Protokoll gebe die Äußerungen Brüderles nicht korrekt wieder. Was Brüderle auf der BDI-Sitzung tatsächlich gesagt hatte, ließen beide Seiten dabei offen. Noch am selben Tag berief sich die Süddeutsche Zeitung auf einen nicht genannten Teilnehmer der fraglichen Sitzung, der bestätigte, Brüderles Äußerungen seien wie im Protokoll festgehalten gefallen.

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