Unruhe am Aktienmarkt Das Ende der deutschen Illusion
Spiegel Online vom 04.06.2012; ein Kommentar von Stefan Kaiser
Link: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/deutschland-muss-absturz-des-dax-und-schwache-konjunktur-fuerchten-a-836849.html
Zwei Jahre lang konnte Deutschland so tun, als hätte es mit der Euro-Krise nur am Rande zu tun. Die Wirtschaft blühte, die Arbeitslosenzahlen sanken. Jetzt zeigen die neue Konjunkturschwäche und der Einbruch am Aktienmarkt: Deutschland ist sehr wohl verwundbar - und muss deshalb Opfer bringen.
Hamburg - Da sind sie wieder: die Börsenhändler mit den traurigen Blicken und die Kurstafeln mit den zackigen Linien nach unten. Mehr als 16 Prozent hat der Deutsche Aktienindex (DAX) in den vergangenen zehn Wochen an Wert verloren. An diesem Montag fiel er sogar zeitweise unter die Marke von 6000 Punkten. Hat die Krise, die lange nur im Ausland stattzufinden schien, nun auch Deutschland erreicht?
Der Kurssturz an der Börse ist ein Warnsignal. So wie im vergangen Sommer, als der Dax binnen weniger Wochen rund 30 Prozent verlor. Damals löste der "Crash auf Raten" eine Welle des Aktionismus aus: Ein Euro-Gipfel jagte den nächsten. Immer größere Rettungsschirme wurden gespannt. Und die Bundesregierung versuchte das Problem zu bewältigen, indem sie bestimmte Wetten auf sinkende Aktienkurse einfach verbot. In Deutschland, so der weit verbreitete Glaube, waren es ja nur die Finanzmärkte, die verrücktspielten.
Das ist vielleicht das größte Problem der Deutschen in der nun schon seit mehr als zwei Jahre währenden Euro-Krise: Sie war für sie bisher vor allem eine Krise der anderen - der Griechen, der Portugiesen, der Spanier und der Italiener. Also all jener, die ihre Finanzen nicht im Griff haben und nach deutscher Denkart nun gefälligst dafür büßen sollten. Hierzulande dagegen blühte die Wirtschaft und die Menschen hatten Arbeit. In einem Meer von Gebeutelten war Deutschland eine Insel der Glückseligen.
Nun dürfte langsam auch dem letzten Bürger klar werden, dass dieses Konzept nicht funktionieren kann. Die einbrechenden Aktienkurse sind nur ein Zeichen von vielen. Die Einkaufsmanager der Unternehmen berichten in Umfragen seit Monaten von schlechten Aussichten - und im Mai brach mit dem Ifo-Index erstmals seit einem halben Jahr auch das wichtigste Konjunkturbarometer der deutschen Wirtschaft ein.
Die Unternehmen fürchten, dass die Krise, die an den Rändern Europas begann und sich immer weiter zur Mitte vorfrisst, auch sie erreicht - und diese Angst ist begründet. Auf Dauer kann eine Volkswirtschaft sich nicht von den Entwicklungen um sie herum abkoppeln. Die Unternehmen merken, dass die Nachfrage aus den Krisenländern einbricht - und sie ahnen, dass dies erst der Anfang sein könnte.
Die Party könnte bald vorbei sein
Dass Deutschland die Krise bisher so wenig spürte, lag vor allem an Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien oder Russland. Diese Volkswirtschaften boomten, die Unternehmen und Verbraucher kauften Produkte aus Deutschland. Noch nie wurden in China so viele deutsche Autos abgesetzt wie im Jahr 2011.
Rhoenblicks Kommentar:
Das waren Scheinblüten: Daimler, BMW, Audi, VW haben in unverantwortlicher Weise das Prestigedenken der nouveau riche in China mit spritfressenden, viel Kohlendioxidfressenden Nobel Karossen ausgebnützt.
Doch auch hier stehen die Zeichen auf Abkühlung. Die chinesische Wirtschaft wächst mittlerweil längst nicht mehr so schnell wie noch vor einem Jahr, Russland bekommt die Auswirkungen der Krise in Form von Währungsturbulenzen zu spüren - und auch die grösste Volkswirtschaft der Welt, die USA, hat gewaltige Probleme. Die Party in Deutschland könnte bald vorbei sein.
Rhoenblicks Kommentar:
Die Party ist vorbei, nur dauert es noch etwas, bis diese Erkenntnis in den deutschen Betonköpfen der Automobilindustrie Einzug hält.
Die wichtigsten Märkte Deutschland sind Länder der Euro-Zone, der EU – und die Schweiz! Einer der wenigen sicheren Handelspartner ist die Schweiz. Die deutschen Sozis, die gegen das neue Doppelbesteuerungsabkommen Front machen werden noch erkennen, welche Bedeutung die kleine Schweiz für Deutschland hat. Rangliste der deutschen Exporte und Importe 2011 siehe am Schluss.
Umso wichtiger wäre es, endlich zu begreifen, wie tief wir mit drinstecken in der Krise. Raushalten ist keine Option mehr. Von Asien oder Amerika aus betrachtet, verschwimmen die Unterschiede ohnehin längst. Wenn die Investoren dort das Vertrauen in die Euro-Zone verlieren und ihr [Geld aus der EU, der Euro-Zone abziehen und es in Schweizer Franken anlegen], wird auch Deutschland mittelfristig die Folgen spüren.
Deshalb ist es in deutschem Interesse, die lebensbedrohlichen Probleme der Währungsunion möglichst schnell und nachhaltig zu lösen. Doch dafür braucht es radikalere Schritte als Deutschland bisher zu gehen bereit ist. Das betrifft nicht nur die Bundesregierung unter Angela Merkel, sondern auch einen großen Teil der Bevölkerung, der sich vehement dagegen wehrt, dass Deutschland Macht und Geld abgeben soll, um den Euro zu retten.
Genau darauf wird es am Ende aber hinauslaufen müssen. Ohne eine Wirtschaftsregierung und eine wirkliche Fiskalunion wird der Euro auf Dauer wohl nicht überleben. Zum Teil gibt es solche Institutionen ja schon: Bei ihren Krisengipfeln diktieren Regierungschefs und Finanzminister den Krisenländern bereits jetzt deren Haushaltspläne. Und im geplanten Fiskalpakt verpflichten sich die Staaten einer einheitlichen Sparpolitik. Doch das alles sind unvollständige Provisorien [Pläne].
Rhoenblicks Kommentar:
Pläne – Schäume! Es ist das Papier nicht wert, auf das alle die verschiedenen Vorhaben der Euro-Staaten geschrieben worden sind: Die Bevölkerung der notleidenden Länder macht nicht mit. Effektive, grundlegende Änderungen in Griechenland et al. brauchen Zeit, sehr viel Zeit - Jahre. Diese Zeit haben die Euro-Staaten nicht!
Wer den Euro retten will, muss noch mehr nationale Macht abgeben und noch mehr gemeinschaftliche Entscheidungen akzeptieren - und am Ende wird er auch einsehen müssen, dass die Euro-Länder gemeinsam für ihre Schulden haften müssen.
Rhoenblicks Kommentar:
„Macht abgeben, gemeinschaftliche Entscheide akzeptieren“ schön geschrieben, d. h. den Entscheide der alternativlos denkenden, von der Staatsallmacht der DDR geprägten Merkel gehorchen. Die Demokratie geht vor die Hunde. Wer garantiert, dass die Planer und Macher es richtig machen? - niemand. Was bis jetzt gelaufen ist zeigt die Engstirnigkeit, ja Unfähigkeit von Merkel et al. diese Krise zu meistern. Ausser Kosten nichts gewesen.
Bricht der deutsche Export ein, so nimmt die Zahl der Arbeitslosen drastisch zu, so sinken die Steuereinnahmen, do steigen die Schulden. Statt Steuern abzubauen hat die Merkelsche Regierung sich alle Mühe gegeben, das den Steuerzahlern abgepresste Geld im Sozialen zu verlochen. Das Geld für die „Energiewende“ – ein Hüftschuss von Merkel - wird fehlen:
Denk' ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht,“ (Heinrich Heine, Nachtgedanken)
Deutschlands Aussenhandel 2011 (Werte in Mio. Euro)
Deutschlands Export2011
Rang:
1 Frankreich 101.555
2 USA 73.694
3 Niederlande 69.312
4 Großbritannien 65.334
5 China, VR 64.762
6 Italien 62.122
7 Österreich 57.868
8 Belgien/Luxemburg 53.260
9 Schweiz 47.708
10 Polen 43.472
Deutschlands Import 2011
Rang:
1 Niederlande 82.163
2 China, VR 79.168
3 Frankreich 66.464
4 Italien 48.316
5 USA 48.289
6 Großbritannien 44.898
7 Belgien/Luxemburg 41.282
8 Russische Förderation 40.556
9 Österreich 37.700
10 Schweiz 36.863
Deutschland ist für die Schweiz weiterhin der mit Abstand wichtigste Handelspartner vor Italien und Frankreich. Im Jahr 2011 betrug das bilaterale Handelsvolumen fast 100 Milliarden Franken und damit über ein Viertel des gesamten Außenhandels der Schweiz. Seit den 50er Jahren liegt die Schweiz immer in den Top 10 der deutschen Handelspartner. (Stand 12.03.2012)
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