Bundespräsident
Joachim Gauck wünscht sich während seiner Tischrede beim Staatsbankett,
"dass Israel in der Siedlungspolitik ein Zeichen setzt"
Welt online, 29.05.2012, verfasst von Daniel Friedrich Stumm
Bei seinem Israel-Besuch
distanzierte sich Bundespräsident Gauck von der Merkel-Definition, dass Israels
Existenzrecht Teil der deutschen Staatsräson sei:
"Ich
will nicht in Kriegsszenarien denken", sagt der
Bundespräsident mit Blick auf einen denkbaren Krieg Israels etwa mit dem Iran. Das "Staatsräson"-Wort könne die
Bundeskanzlerin noch in "enorme Schwierigkeiten" bringen, sagt
Gauck.
Gauck wirbt für eine
Zwei-Staaten-Lösung.
Am
Dienstagabend ist Joachim Gauck zum zweiten Mal binnen weniger Stunden zu Gast
im Park des israelischen Präsidentenpalastes. Shimon Peres, sein Amtskollege,
hat zum Staatsbankett geladen. So sitzen Peres und Gauck neben einander, der
88-Jährige Peres, der in vielen Jahrzehnten schon ziemlich jeden politischen
Posten in Israel bekleidet hat und Gauck, der seit März Bundespräsident ist,
und nur ein halbes Jahr seines Lebens einem Parlament angehörte.
Wer aber
meint, Gauck trete als Staatsoberhaupt in der Probezeit oder gar als Underdog
auf, der sieht sich getäuscht. Rhetorisch galant umgarnt der Bundespräsident
seinen Amtskollegen und seine Zuhörer. Zwar redet Gauck nur gut zehn Minuten
lang. Doch dabei trifft er den Ton.
Langeweile
herrscht jedenfalls während seiner Rede an den runden Tischen mit den
hellgelben Rosen und den diversen Weingläsern nicht. Gauck spricht pathetisch,
und grenzt sich damit ab vom Formel- und Floskeldeutsch, das üblich ist in der
Welt der Diplomatie.
Gauck dankt Gott, dass es Peres gibt
Der
Nicht-Politiker Gauck sagt Sätze wie: "Mein Herz ist erfüllt von
Dankbarkeit." Oder: "Ich bin bewegt, dankbar und demütig." Mit
warmen Worten würdigt Gauck Peres. Die Deutschen bewunderten ihn als
"einen außergewöhnlichen Vertreter Israels in der Welt", sagt Gauck:
"Wir danken Gott, dass es Sie gibt." Vielleicht kann nur ein Theologe
so reden, ohne dass es aufgesetzt oder gekünstelt wirkt. Vorwerfen mag man
Gauck seine Wortwahl nicht. Sie ist authentisch.
Schon bei
den Gesprächen mit den führenden politischen Köpfen am Dienstagnachmittag
beeindruckt Gauck seine Entourage mit einem durchaus prononcierten und
selbstgewissen Auftreten. Gewiss, ein Fan von Israels Außenminister
Avigdor Lieberman ist Gauck nicht.
Gauck hält wenig vom Siedlungsbau
Während sein Vorgänger Christian Wulff vor eineinhalb Jahren in seinem Gespräch mit Lieberman mehr Fragen stellte und das Kennenlernen betonte, ließ Gauck deutlich erkennen, was er von dem Siedlungsbau der Israelis hält – nämlich wenig. So berichten es Teilnehmer der Runde. Herzlich sei die Unterredung mit Peres gewesen, heißt es. Doch auch hier habe Gauck sich keineswegs als außenpolitischer Anfänger präsentiert.
Am Abend,
während seiner Tischrede beim Staatsbankett, wirbt Gauck für einen
"dauerhaften Frieden". Dieser aber sei nur möglich, wenn "Israel
und ein unabhängiger, lebensfähiger palästinensischer Staat Seite an Seite in
Sicherheit und in anerkannten Grenzen leben können". Mutige Schritte seien
erforderlich, und er wünsche sich, "dass Israel in der Siedlungspolitik
ein Zeichen setzt". Einfach macht es sich Gauck damit nicht. Und um Kritik
vorzubeugen, erwähnt er, er teile die Haltung von Bundesregierung und EU.
Hält Merkels "Räson"-Aussage für gewagt
Mit seinem Abrücken von Angela Merkels Formel vom Existenzrecht Israels als Teil der "deutschen Staatsräson" begibt sich Gauck indes auf rutschiges Parkett. "Bestimmend" für die deutsche Politik seien die Sicherheit und das Existenzrecht Israels, relativiert er Merkels Definition von vor vier Jahren.
Auf
Nachfrage erläutert Gauck dies unter Verweis auf die in der deutschen
Öffentlichkeit unbeliebten Auslandseinsätze der Bundeswehr, namentlich führt er
Afghanistan an. "Ich will nicht in
Kriegsszenarien denken", sagt der Bundespräsident mit Blick auf einen
denkbaren Krieg Israels etwa mit dem Iran. Das "Staatsräson"-Wort
könne die Bundeskanzlerin noch in "enorme Schwierigkeiten" bringen,
sagt Gauck.
Es ist eher
ungewöhnlich, dass sich der erste Mann im Staate so über den Regierungschef
äußert. Gauck will deutlich machen, dass er Merkels Grundaussage zwar ernst
nimmt, aber für gewagt hält. In seinen Augen ist längst nicht alles, was
moralisch richtig ist, politisch zu gestalten.
Die Frau,
die noch im März intern warnte, sie sei zu jedem denkbaren Präsidenten bereit
"außer Gauck", dürfte mit Argusaugen verfolgen, welch selbstbewusstes
Staatsoberhaupt da nun im Bellevue amtiert – und wie unabhängig dieser Mann
international auftritt.
Gauck pocht in Israel auf
Zwei-Staaten-Lösung .
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