Sonntag, 9. Oktober 2016

Der unsägliche Herr Böhmermann


Böhmermann: „In Deutschland ist so was erlaubt“
[O-Ton Jan Böhmermann; ausgezeichnet 2013 mit dem Deutschen Comedy-Preis in Köln,
2016 mit dem (Adolf-)Grimme-Preis].

Leserbrief in der "Rhein-Neckar-Zeitung" ("RNZ") am Samstag, den 8. Oktober 2016
veröffentlicht unter dem Titel:
"Nicht unabhängig"
"Zum Kommentar „Sache der Justiz“, RNZ v. 6.10.
Im Kommentar Andreas Herholz u.a.: „Nicht eine Regierung entscheidet in einem Rechtsstaat darüber, was Recht und Unrecht ist, sondern die Justiz.“ Jedoch: In Deutschland entscheiden die Staatsanwaltschaften nicht frei und unabhängig. Im Gegenteil, sie unterstehen dem Justizministerium, d.h. der jeweiligen Landesregierung. Sie sind an die Weisungen, die ihnen von oben erteilt werden, gebunden. Wir erinnern uns alle an den Fall Mollath in München. „Für nicht so gemeinte Schmähungen“ brechen goldene Zeiten an dank Böhmermanns taktisch geschickter Einlassung: „Sein Unsinn müsse doch jedem sofort klargeworden sein“. Dr. Jürg Walter Meyer"

Grundlagen:
(Wortlaut von Böhmermanns Erguss siehe am Schluss unter 4.)

1. „Böhmermann: „Schmähgedicht“ ohne Folgen Ermittlungen eingestellt“
(Deutsche Zeitungen vom Mittwoch, den 05.10.2016).

Zusammenfassung:
„Die Staatsanwaltschaft in Mainz hat ihre Ermittlungen gegen ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan eingestellt. Wie die Behörde am Dienstag mitteilte, „waren strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen“; es bestünden Zweifel am Tatvorsatz, dass Böhmermann Erdogan beleidigen wollte: „Eine ernstgemeinte Herabwürdigung“ sei „nicht naheliegend“.

Beispiele:
1. „Sache der Justiz“ („Rhein-Neckar-Zeitung“ vom Mittwoch, den 05.10.2016); Kommentar von Andreas Herholz; „zum Verfahren gegen den Komiker Böhmermann
„War’s das? Kann der Fall Böhmermann zu den Akten gelegt werden? Oder schlägt Recep Tayyip Erdogan zurück, zeigt einmal mehr, dass er das Prinzip der Unabhängigkeit der Justiz nicht achtet? Die Staatsanwaltschaft Mainz jedenfalls hat das Verfahren gegen Jan Böhmermann wegen des Verdachts auf Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten eingestellt. Sein Werk fällt unter den Schutz des Grundrechts auf Kunstfreiheit. Bei Böhmermanns Versen handelt es sich zwar nicht um ein satirisches Meisterwerk, sondern eher um eine gezielte beleidigende Provokation. Doch ganz gleich, was man von den Versen des Fernsehmannes auch halten mag – nicht eine Regierung entscheidet in einem Rechtsstaat darüber, was Recht und Unrecht ist, sondern die Justiz.
So hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel auch ihre umstrittene Entscheidung begründet, die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung nach Paragraf 103 wegen des Vorwurfs der Beleidigung ausländischer Staatsmänner zu ermächtigen. Mit Ruhm bekleckert hat sie sich dabei allerdings nicht. Ihr Versuch, das autokratische türkische Staatsoberhaupt aus Sorge um den Flüchtlingspakt mit Ankara zu besänftigen, ging gründlich schief."
2. „War nicht so gemeint“ („Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom Mittwoch, den 05.10.2016); Kommentar von Reinhard Müller (Mü.)
„Ein einziges Mal in der jüngeren deutschen Geschichte hat Bundeskanzlerin Merkel ausdrücklich einen „Fehler“ zugegeben – nachdem sie das Gedicht Böhmermanns über den türkischen Präsidenten Erdogan „bewusst verletzend“ genannt hatte. Und nun hat ihr die Mainzer Staatsanwaltschaft, deren Ermittlungen wegen Präsidentenbeleidigung die Kanzlerin erst möglich gemacht hatte, recht gegeben: Die Anklagebehörde sieht in der Neo-Royale-Lyrik keine Beleidigung. Eine „ernstgemeinte Herabwürdigung“ sei nicht „naheliegend“, heißt es nach langer Prüfung – nicht zuletzt mit Blick auf Böhmermanns geschickte Einlassung, sein Unsinn müsse doch jedem sofort klargeworden sein. Und natürlich untersteht das Werk der Kunstfreiheit. Das alles lässt sich hören, doch wäre auch ein Strafbefehl vertretbar gewesen. Aber ein Verfahren, womöglich bis zum Verfassungsgericht, sollte offenbar vermieden werden. Immerhin wird jetzt Erdogan noch einmal daran erinnert, dass die deutsche Justiz wirklich unabhängig ist. Und für nicht so gemeinte Schmähungen brechen goldene Zeiten an.       Mü."
3. „Ist das ein Gedicht“ – „Ermittlungen gegen Jan Böhmermann eingestellt“
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom Mittwoch, den 05.10.2016; von Michael Hanfeld.
(Auszug)
"Die Staatsanwaltschaft Mainz hat das Ermittlungsverfahren gegen Jan Böhmermann wegen des „Schmähgedichts“ auf den türkischen Präsidenten Erdogan eingestellt. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen „waren strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen“, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller mit. Es hätten sich „auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für strafbare Handlungen anderer“ Beteiligter ergeben. Der Beitrag sei durch die Meinungs- und die Kunstfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz gedeckt. Eingestellt wird das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach Paragraph 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung. Dagegen kann der vermeintlich Geschädigte – Erdogan – Beschwerde einreichen oder ein Verfahren zur Klageerzwingung betreiben.
Jan Böhmermann hatte in der Ausgabe seiner ZDF-Show „Neo Magazin Royale“ vom 31. März ein „Schmähgedicht“ auf den türkischen Staatspräsidenten vorgetragen, das vor beleidigenden Zuschreibungen nur so strotzte – stets mit dem Verweis, das genauso etwas auch in Deutschland nicht erlaubt sei. So sah sich Böhmermann auf der sicheren Seite. Das ZDF nahm den Beitrag gleichwohl aus der Mediathek und strich ihn für jede Wiederholung, weil er, wie der Programmdirektor Norbert Himmler sagte, den Ansprüchen ans Programm nicht genüge. Gegen das Gedicht mit dem Titel „Schmähkritik“ stellte Erdogan Strafantrag wegen Beleidigung nach Paragraph 185 Strafgesetz und nach Paragraph 103 Strafgesetzbuch, der die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten unter Strafe stellt. Für diesen Strafantrag war die Zustimmung der Bundesregierung notwendig, die diese auch gab.
Die Staatsanwaltschaft Mainz stellt ihre Ermittlungen aus mehreren Gründen ein: Sie hat Zweifel am Tatvorsatz – dass Böhmermann Erdogan beleidigen wollte. Fraglich sei auch, ob es sich überhaupt um eine Beleidigung handele, denn dabei müsse es sich um „ein eigenes Unwerturteil“ handeln oder um eines, das man sich zu eigen mache. Dagegen spreche, dass Böhmermanns Gedicht „als Beispiel für eine Überschreitung der Meinungsfreiheit dienen sollte“. Auch sprächen die Entstehungsgeschichte, die zeitgeschichtliche Einbindung und die Gestaltung des Beitrags gegen eine gezielte Beleidigung. Damit folgt die Staatsanwaltschaft der Intention, die Böhmermann für seinen Beitrag ins Feld geführt hatte. In Mainz dürfte für ihn die Sache damit ausgestanden sein. Anhängig ist hingegen ein Verfahren vor der Zivilkammer des Landgerichts Hamburg, mit dem Erdogan dem ZDF-Moderator das „Schmähgedicht“ verbieten lassen will. Das Gericht hatte eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann erlassen."


2. Die Stellung der Staatsanwälte in Deutschland:

„Als Beamte sind Staatsanwälte – anders als Richter – weisungsgebunden (§ 146 Gerichtsverfassungsgesetz)[1] und unterliegen uneingeschränkt der Dienstaufsicht durch Vorgesetzte (§ 144 GVG) (§ 147 GVG). [zu oberst: Das Landesjustizministerium  d.h. der Justizminister des deutschen Landes (z.B. Nordrhein-Westfalen (NRW): Thomas Kutschaty, SPD]. Damit ist die Einflussmöglichkeit auf die Staatsanwaltschaften und Staatsanwälte gegeben,[2] zumal die Weisungsgebenden nicht an die Schriftform gebunden sind.[3][4] Ein Weisungsbeispiel berichtete die Süddeutsche Zeitung im Zusammenhang mit dem Fall Mollath.[5].“
Quelle: „Wikipedia“ – „Staatsanwalt“

Die Staatsanwaltschaft ist als Organ der Exekutive von den Gerichten unabhängig und den Richtern weder übergeordnet noch unterstellt. Sie ist jedoch, im Gegensatz zu den Gerichten, mit Beamten besetzt und hierarchisch gegliedert. An ihrer Spitze steht auf Landesebene an den Landgerichten ein Leitender Oberstaatsanwalt. Die Leitenden Oberstaatsanwälte der einzelnen Staatsanwaltschaften sind einem Generalstaatsanwalt an den Oberlandesgerichten unterstellt. Für die Dienstaufsicht und sämtliche Verwaltungsangelegenheiten im Bereich der Staatsanwaltschaften ist das jeweilige Landesjustizministerium [z.B. Nordrhein-Westfalen (NRW): Thomas Kutschaty, SPD] zuständig. Innerhalb dieser Hierarchie bestehen von unten nach oben Berichtspflichten sowie von oben nach unten Weisungsbefugnisse.“
Quelle: „Wikipedia“ – „Staatsanwaltschaft (Deutschland)“.


3. Fall Mollath:

„Süddeutsche Zeitung“ vom 20.02.2013 (Auszug):
„Fall Mollath - Zwischen Wut und Wahn“
„Der Fall Mollath dürfte in die deutsche Rechtsgeschichte eingehen. Allein deshalb, weil nicht nur der Betroffene ein Wiederaufnahmeverfahren fordert, sondern demnächst womöglich auch die Staatsanwaltschaft Regensburg. Das gab es in der jüngeren Rechtsgeschichte so noch nicht: eine Anklagebehörde, die selbst den Antrag stellt, einen rechtskräftig abgeschlossenen Fall neu aufzurollen. Sie [die Staatsanwaltschaft] tut dies auf Anweisung von Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU), die ihrerseits einem Wink von Ministerpräsident Horst Seehofer folgte. Zu groß waren die Zweifel geworden, ob in dem Fall alles mit rechtsstaatlich korrekten Mitteln zugegangen ist.“


4. Böhmermanns Erguss

(nun - dank dem Entscheid der Staatsanwaltschaft zu Mainz (NRW) das Strafverfahren gegen Böhmermann einzustellen - das Paradebeispiel deutscher Satire)

„Sackdoof, feige und verklemmt,
 ist Erdogan der Präsident.

Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner,
selbst ein Schweinepfurz riecht schöner.

Er ist der Mann der Mädchen schlägt,
und dabei Gummimasken trägt.

 Am liebsten mag er Ziegen ficken,
 und Minderheiten unterdrücken,

 Kurden treten, Christen hauen,
 und dabei Kinderpornos schauen.

 Und selbst Abends heißt statt schlafen,
 Fellatio mit hundert Schafen.

 Ja, Erdogan ist voll und ganz,
 ein Präsident mit kleinem Schwanz.

 Jeden Türken hört man flöten,
 die dumme Sau hat Schrumpelklöten,

 Von Ankara bis Istanbul,
 weiß jeder, dieser Mann ist schwul,

Pervers, verlaust und zoophil
Recep Fritzl Priklopil.

Sein Kopf so leer, wie seine Eier,
der Star auf jeder Gangbang-Feier.

Bis der Schwanz beim pinkeln brennt,
das ist Recep Erdogan, der türkische Präsident.“

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