Brexit - EU - Schweiz - FDP.Die Liberalen
A.
„... sollte man
sich auf eine Katastrophe für die EU vorbereiten.“
„... falls London
die Einwanderung aus der EU selbst steuern will, was May angekündigt hat.“
B.
„Wir verlassen (die EU), um ein
vollständig souveränes und unabhängiges Land zu werden.“
A.
Für Sie gelesen – Holger
Steltzner, Herausgeber der „F.A.Z.“:
„Am 27. Mai 2014 schrieb er in einem Kommentar: „Und in
den Zahlerländern herrscht die Sorge, dass die Hilfe zu einem Fass ohne Boden
werden könnte, während sich das Sparen wegen der Nullzinspolitik der
Europäischen Zentralbank nicht mehr lohnt. Europa wird von immer mehr Bürgern
weniger als Versprechen, sondern als Bedrohung wahrgenommen.“
Am 20. September 2016 erhält Holger Steltzner den
Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik 2016 der Ludwig-Erhard-Stiftung.
In der Würdigung heißt es: Die Jury würdigt ihn „für seine Kommentare und seine
ordnungspolitisch konsequente Haltung zu aktuellen wirtschafts- und
finanzpolitischen Fragen. Als Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
prägt er die wirtschaftspolitische Linie des Blattes in hervorragender Weise.““
(Quelle: „Wikipedia“ – „Holger Steltzner“)
„F.A.Z.“, Mittwoch den 05.10.2016 Politik 1
„Harter Brexit – für die EU“
Wer meint, die
Briten hätten sich bloß geirrt, eigentlich wollten sie in der EU bleiben,
sollte der neuen Premierministerin besser zuhören. Theresa May hat
angekündigt, Britannien reiche bis März das Austrittsgesuch ein, es werde zu
einem harten Brexit kommen, das Vereinigte Königreich werde nach dem
EU-Austritt ein völlig „souveränes Land sein“. Reflexartig fabulierten auf dem Kontinent wieder einige von Crash und
Absturz, dabei fiel der Kurs des Pfunds gerade mal um ein Prozent. Da war wohl
der Wunsch der Vater des Gedankens, so wie schon vor dem Referendum, als
Politiker und Ökonomen vor der Katastrophe warnten. Wo ist diese denn? Londoner
Aktienkurse eilen von einem Rekord zum nächsten, von einem konjunkturellen
Einbruch keine Spur, die Wirtschaft brummt.
Anstatt in Brüssel
Gespräche über die Scheidung zu verbieten, sollte man sich auf eine
Katastrophe für die EU vorbereiten. Denn nach dem Votum der Briten gegen
die EU wird erstmals ein Mitglied den Klub verlassen. Die zweitgrößte
Volkswirtschaft der EU mit der drittgrößten Bevölkerung und der
schlagkräftigsten Armee will raus und sich und Europa beweisen, dass man auch
außerhalb der Union erfolgreich sein kann. Es geht um mehr als den Verlust
des zweitgrößten Nettozahlers der Union.
Sollten die Briten
Erfolg haben, werden sich Nachahmer finden, da in vielen Ländern der Unmut über
die EU wächst. In der Wirtschaft wird entschieden, ob das den Briten
gelingen wird. Brüssel will den Zugang zum Binnenmarkt verweigern, falls London die Einwanderung aus der EU
selbst steuern will, was May angekündigt hat. ...
[Das gilt auch
für Art. 121 a BV, der von der FDP.Die Liberalen mit BDP und GLP im Schlepptau
völlig missachtet wird: ein Verfassungsbruch].
Steltzner:
... Ohne ein neues Handelsabkommen gelten die Regeln der
Welthandelsorganisation. Dann könnte die EU auf britische Exporte etwa niedrige
Zölle wie auf Güter aus Amerika einführen. Das wäre zu verschmerzen, weil
Großbritannien mehr in die Welt liefert als nach Europa. Wegen des hohen
Defizits im Handel träfen Zölle die EU stärker als die Briten. Auch am größten Finanzplatz der Welt gingen
bei einem harten Brexit nicht alle Lichter aus, da der Wettbewerb um Banken
auch ein Wettlauf um die beste Regulierung ist. Es ist höchste Zeit, dass die
EU darüber diskutiert, wie sie ihr Wohlstandsversprechen wieder erfüllen kann,
statt bloß zuzusehen, wie Britannien der Nachweis gelingt, dass ein
mittelgroßes Land allein Erfolg in der globalisierten Welt haben kann.
B.
Für Sie gelesen – was Premierministerin May in
Grossbritannien sagt und denkt gilt auch für unser Land, die Schweiz!
Inhaltsübersicht:
1) Kommentar: „Für die normalen Leute“
2) „May: Schlaglöcher auf dem Weg zum Austritt
aus der EU“
Brexit-Votum „stille Revolution“
3) „Der
große Bogen von links nach rechts“
Premierministerin
May lobt den starken Staat
4) „In Britannien kehrt der starke Staat
zurück“
Neue Töne auf dem Parteitag der Konservativen:
Premierministerin Theresa May attackiert Unternehmenschefs und will „die
Gerechtigkeit wiederherstellen“.
5) „Britische Aktien auf Rekordkurs“
Robuste Wirtschaftslage nach dem Brexit-Votum /
Schwächeres Pfund nützt der Exportindustrie
1) „F.A.Z.“, Donnerstag den 06.10.2016 Zeitgeschehen 10
Kommentar: „Für die normalen Leute“
„Im amerikanischen Wahlkampf gibt Donald Trump den Rächer
der einfachen Leute, deren Interessen viel zu lange ignoriert worden seien, vom
„big business“ etwa, einer Kernklientel der Republikaner. Also der Truppe, für
die Trump antritt. Ein starkes Echo gibt
es diesseits des Atlantiks: Premierministerin May hat die britischen Konservativen
zur Partei der „normalen Leute aus der Arbeiterklasse“ ausgerufen. Diese Leute
zahlten den Preis für die Finanzkrise und – wegen der Konkurrenz, die damit
verbunden ist – für die Einwanderung.
Auch hatte May eine interessante und vermutlich zutreffende
Interpretation der Brexit-Abstimmung
parat: Darin komme die tiefe Spaltung
des Landes zum Ausdruck: die Privilegierten und Mächtigen gegen die arbeitenden
Leute. Und für diese allzu lang Ignorierten will ihre Regierung fortan da sein.
Will May eine neue Konservative Partei erfinden, will sie Schluss machen mit
der Macht der traditionellen Elite? Wenn es mehr ist als Rhetorik und
Anbiederung an enttäuschte Labour-Wähler, dann zieht der Anti-Establishment-Zeitgeist auch bei den Konservativen ein.
Anderswo gärt es auch. K.F.“
2) F.A.Z., Donnerstag den 06.10.2016 Politik 1 (Auszug)
„May: Schlaglöcher auf dem Weg zum Austritt
aus der EU“
"Brexit-Votum
„stille Revolution“ ..."
[auf die Schweiz
übertragen:
1992 Ablehnung
EWR-Beitritt (extrem hohe Stimmbeteiligung von 78,73, Volksmehr von 50,3%,
Ständemehr von 14 4/2 Ständen):: stille
Revolution gegen das Partei-Establishment, gegen die
Wirtschafts-Führungsclique, vor allem gegen die FDP.Die Liberalen;
2014 Annahme der
Initiative ‚Stopp der Masseneinwanderung’ stille Revolution gehen das
Partei-Establishment, gegen die
Wirtschafts-Führungsclique, vor allem gegen die FDP.Die Liberalen]
"... theu./job. LONDON, 5. Oktober. Premierministerin
Theresa May hat auf dem Parteitag der britischen Konservativen zugegeben, dass
Großbritannien auf dem Weg zum EU-Austritt einige „Schlaglöcher in der Straße“ vor sich habe. Sie verwies aber auch
darauf, dass die Wirtschaftsentwicklung
seit dem Referendum besser sei als prognostiziert. Der IWF und die OECD haben
ihre Wachstumsschätzungen für Großbritannien in diesem Jahr nach oben
korrigiert, zugleich allerdings ihre Prognosen für 2017 gesenkt.
„Wir verlassen
(die EU), um ein vollständig souveränes und unabhängiges Land zu werden“, sagte
sie zum Abschluss des Parteitags. ...
[was sagte 2014 Philipp
Müller gegenüber der „Sonntagszeitung“, damals Präsident der FDP.Die Liberale
der Schweiz und Nationalrat: „Dann wären wir das unsouveränste Land“ - wenn das
EU-Diktat des ‚Institutionellen Rahmenabkommens’ Wirklichkeit würde. Nun ist
Herr Müller zum „Brexit-Retter“ mutiert. Die
FDP.Die Liberalen gefährden unser Land, die Schweiz aufs Äusserste: „Bilaterale
retten“ „aus „Liebe“ zur Schweiz“ heisst letztendlich, das EU-Diktat annehmen.
Da ist heute die FDP unter der Führung von Frau Gössi sehr weit entfernt von
den Freisinnigen, die 1848 den schweizerischen Bundesstaat gegründet, ihn 1874
verbessert und über viele Jahrzehnte hinweg weiter entwickelt und auch bewahrt haben
gegenüber allen Repressionen und Aggressionen des Auslandes (Deutschland),
wobei sie in ihrem Einsatz zunehmend durch weitere bürgerliche Parteien, ja
vor/im 2. Weltkrieg auch von der SP (1935: Abkehr von der „Diktatur des
Proletariates“ {Generalstreik 1918}; Bekenntnis zur Landesverteidigung) verstärkt
worden sind.]
May:
... Das
Brexit-Votum sei eine „stille Revolution“ gewesen, in der sich die Briten für
Einwanderungskontrollen und eine gerechtere Gesellschaft ausgesprochen hätten.
Ihre Regierung werde dieses Votum umsetzen. May erklärte die Konservativen
zur „Partei der einfachen Arbeiter“ (gegen das „enrichissez-vous“) und
versprach eine stärkere Rolle des
Staates, den man als Kraft des „Guten“ wahrnehmen solle.“"
[Jeder Staat
(weltweit nur bei uns in der Schweiz kann das Volk Initiativen lancieren und
darüber entscheiden) hat zu kommandieren,
auch der Wirtschaft (der Staat ist nicht für die Wirtschaft da), indem das
Parlament Gesetze erlässt (weltweit nur bei uns kann das Volk letztendlich
darüber entscheiden - Referendum). Der Staat hat auch zu kontrollieren (National- / Ständeart; untergeordnet: Behörden und
Ämter). Der Staat hat aber auch zu korrigieren:
ändern, bestrafen; Gesetze ändern / erlassen) – Das heisst liberal sein! Es
braucht einen starken Staat - Alles andere ist Mumpitz. Die, die pauschal gegen
die Bürokratie wettern, wollen den Staat schwächen.]
„...“
3) „F.A.Z.“, Donnerstag den 06.10.2016
Politik 2
„Der
große Bogen von links nach rechts“
"Premierministerin
May lobt den starken Staat und den Arbeitnehmerschutz – streichelt aber auch
die konservative Seele / Von Jochen Buchsteiner
LONDON,
5. Oktober. Schon als Theresa May im Juli in die Downing Street einzog, hatte
sie viele überrascht. Statt den Brexit in den Mittelpunkt zu rücken, kündigte
sie in ihrer ersten kurzen Ansprache einen sozialen Schwenk der konservativen
Regierung an. Was genau sie unter ihrem Versprechen verstand, „nicht den Interessen der wenigen Privilegierten
zu dienen, sondern den Interessen aller“, blieb den Sommer über unklar.
Jetzt, zum Abschluss des Parteitages in Birmingham, nutzte sie ihre erste
Grundsatzrede, um das Ziel zu konkretisieren – und überraschte mit
ungewöhnlichen Tönen. Nach dem EU-Referendum gelte es, eine „neue Mitte“ zu
besetzen, sagte sie und fuhr fort: „Wir
werden die Balance in Britannien spürbar zugunsten der Arbeiter verändern.“
Das Brexit-Votum vom 23. Juni interpretiert
sie als „stille Revolution“, in der vor
allem die sozial Schwachen ...
[die
von der Globalisierung vernachlässigten; Nichts ist unumkehrbar; Alles kann gestoppt,
in andere Richtungen gelenkt werden. Nur die Profiteure behaupten, Globalisierung
und ausschweifende Freihandelsverträge seien unaufhaltbar, seien das „Muss“ der
Zukunft – Blödsinn]
May:
... zum Ausdruck gebracht
hätten, „dass sie nicht bereit sind, sich länger ignorieren zu lassen“. Dem müsste ihre Regierung
jetzt Rechnung tragen und sich entsprechend „verändern“. Sie wolle das
Königreich in den kommenden Jahren zu einer stärker an Fairness und Leistung orientierten Nation machen, versprach sie
und definierte einen „Wendepunkt in
unserem Land“.
In Abkehr zur
wirtschaftsliberalen Tradition der Tories betonte sie den Wert eines starken
Staates. „Es ist Zeit, sich an das Gute zu erinnern, das ein Staat tun kann“, sagte sie. Wenn die Märkte
nicht funktionierten ...
[die
funktionieren wirklich nicht (enrichissez-vous: z.B.: Banken, das sind
Personen: Banker; eine Betrügerei nach der andern; ebenso Volkswagen).
„Märkte“, das sind keine Organe, das sind Personen - redliche, aber auch Gauner
und Halunken. Es fällt immer schwer diesen, den Gaunern und Halunken das
Handwerk zu legen; das geht nicht ohne Eingriffe, Kontrollen des „freien“
Marktes].
May:
... müsse
der Staat eingreifen und
gegebenenfalls das Regelwerk verändern
[korrigieren!]. Sie erwähnte in diesem Zusammenhang vermutete
Preisabsprachen bei den Energie-Oligopolen sowie die mangelhafte Versorgung der
ländlichen Gebiete mit Internetleitungen. Noch im vergangenen Wahlkampf war die
Labour Party für ähnliche Forderungen von den Tories als ordnungspolitisch
verantwortungslos kritisiert worden. Tief auf Labour-Territorium wagte sich May
auch vor, als sie die Bedeutung von Arbeitnehmerschutz und Mitbestimmung von
Arbeitnehmern in den Führungsetagen von Unternehmen hervorhob. ...
[Aufgrund
der Beobachtungen in Deutschland – z.B. VW – ist dem auf keinen Fall
zuzustimmen; Kapital ist das eine, Arbeit das andere. In Deutschland bräuchte
es Magret Thatcher, die die schädliche Macht der Gewerkschaften brechen würde].
May:
... Sie
wiederholte den Slogan von einem „Land,
das für alle funktioniert“, und bezeichnete die Konservativen als „Partei
der einfachen Arbeiter“.
Grimmig
kam sie auf große Unternehmen zu
sprechen, die Steuern vermieden, und
auf Wirtschaftskapitäne, die nur auf
ihren eigenen Vorteil bedacht seien, ...
[das
gilt auch für unser Land, die Schweiz, extrem bei den Bankern: „10vor10“ musste
berichten, das gemäss einer Studie der Ethos-Stiftung in der Schweiz die
Vergütungen (Löhne, Boni etc.) für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen der
100 grössten Unternehmen in den letzten drei Jahren um über 20% gestiegen sind,
obschon deren Leistung abgenommen hat. Das ist – u.a. – die Folge von
Seilschaften, von den Headhuntern gefördert]
May:
... „Das kann so nicht weitergehen“, sagte sie und versprach, gegen
derartige Missstände „aufzustehen“. In einem Land, das den „Geist des Bürgersinns“ wieder in den Mittelpunkt rücken will,
müssten sich alle an die Spielregeln halten. Steuerberater, die dazu beitrügen,
der Gesellschaft das vorzuenthalten, was ihr zustehe, warnte sie: „Wir werden
hinter Ihnen her sein.“ ...
[was
Frau May nicht sagt, nicht zu sagen wagt: das englische Königshaus ist im
persönlichen Besitz von Gebieten – Steuer“oasen“, eine absurde Wortschöpfung,
„mitten“ in Grossbritannien; Isle of Man, die Kanalinseln – in denen den
Gaunern, den Steuerhinterziehern Tür und Tor offen stehen.]
May:
... Als
unverzichtbar bezeichnete sie einen starken
Staat aber auch dort, wo es um Investitionen
in die Infrastruktur gehe. Sie sei bereit, „große Entscheidungen“ zu
treffen, und bekräftigte die Fortführung umstrittener Milliarden-Projekte wie
den (mit chinesischer und französischer Hilfe entstehenden) Atommeiler in der
Grafschaft Sommerset, die Hochgeschwindigkeitstrasse von London nach Birmingham
und den „baldigen“ Ausbau der Londoner Flugkapazitäten; über Letzteren konnte
sich die Partei unter Mays Vorgänger David Cameron sechs Jahre lang nicht
einigen.
Oberstes
Ziel ihrer Regierung, sagte May, sei es, das Vertrauen der Briten
zurückzugewinnen. Mit deutlichen Worten hob sie sich von der Labour Party sowie
von Unterstützern der EU ab. „Hören Sie
nur, wie viele Politiker und Kommentatoren über die Öffentlichkeit sprechen:
Sie finden deren Patriotismus geschmacklos, deren Sorgen über die
Einwanderung provinziell, deren Sicht auf die Kriminalität illiberal ...
[typisches
Beispiele wie der Begriff ‚liberal’ missbraucht wird – er muss noch zum Unwort
des Jahres erklärt werden.]
May:
...deren Hängen an der
Jobsicherheit unangebracht.
Sie finden die Tatsache, dass 17 Millionen Menschen für den Austritt aus der
Europäischen Union gestimmt haben, befremdlich.“
Damit
hatte sie den Bogen zum rechten Flügel der Tories geschlagen, der den neuen
Staatsinterventionismus nicht nur mit Sympathie begleitet. May versicherte,
dass Britannien nach dem Brexit mehr Verantwortung in der Welt übernehmen
werde. Mit viel Applaus wurde bedacht, was sie über die „besten Streitkräfte
aller Zeiten“ sagte. Schon am Vortag hatte Verteidigungsminister Michael Fallon
angekündigt, in künftigen Militärkonflikten die Europäische Menschenrechtskonvention für das Vereinigte
Königreich außer Kraft zu setzen,
um Klagen gegen britische Soldaten vorzubeugen. Jetzt schob May nach. „Wir werden diese aktivistischen linken Menschenrechtsanwälte
nie mehr die Tapfersten der Tapferen belästigen
lassen.“
Den Brexit, dem sie ihre ungleich kürzere Eröffnungsrede am Sonntag gewidmet hatte, streifte sie nur am Rande. „Wir haben einen Plan“, versicherte sie und wiederholte die Ankündigung, dass die Austrittsverhandlungen mit der EU spätestens im April beginnen würden. Mit ihrer Wortwahl gab sie das bisher deutlichste Zeichen dafür, dass ein Verbleib im Binnenmarkt als Verhandlungsziel in immer weitere Ferne rückt: „Wir verlassen (die EU), um ein vollständig souveränes und unabhängiges Land zu werden.“"
4) „F.A.Z.“, Donnerstag den 06.10.2016 Wirtschaft 17
„In Britannien kehrt der starke Staat
zurück“
"Neue Töne auf dem Parteitag der Konservativen:
Premierministerin Theresa May attackiert Unternehmenschefs und will „die
Gerechtigkeit wiederherstellen“.
theu. LONDON, 5. Oktober. Es ist ein Satz, den in den
vergangenen vier Jahrzehnten kein konservativer Premierminister in
Großbritannien in den Mund genommen hätte: Der
Staat müsse die freie Marktwirtschaft „reparieren“ [Korrigieren!], wenn diese
nicht funktioniere, verkündete Theresa May am Mittwoch in einer Rede
auf dem Parteitag der britischen Konservativen in Birmingham. In Großbritannien
solle „die Gerechtigkeit wiederhergestellt“ werden. May attackierte zugleich Unternehmer, die auf Kosten der
Mitarbeiter überzogene Dividenden kassierten: „Ich warne Sie, so kann das nicht
mehr weitergehen“, sagte die Regierungschefin, die im Juli David Cameron
abgelöst hat.
Der Kurswechsel
ist unübersehbar: In Großbritannien ist der starke Staat zurück. Am
deutlichsten wurde auf dem Parteitag George Freeman, der Chef der
Strategieabteilung der Regierung. Wenn das Wirtschaftssystem Großbritanniens
nicht rasch reformiert und für mehr soziale Gerechtigkeit gesorgt werde,
drohten „antikapitalistische Ausschreitungen“, warnte Freeman in Birmingham. „Der Kapitalismus muss mehr in
Partnerschaft mit dem Staat arbeiten“, forderte der Berater der
Regierungschefin.
Im wirtschaftsliberalen Großbritannien sind das ziemlich
ungewohnte Töne. Seit die „Eiserne Lady“ Margaret Thatcher in den achtziger
Jahren des vergangenen Jahrhunderts das damals marode Land mit einem radikalen
Reformkurs wieder flottmachte, hat auf der Insel ein parteiübergreifender
Grundkonsens geherrscht: Staatliche Interventionen in die Wirtschaft schaden im
Zweifel mehr, als sie nutzen. Jetzt schwingt das Pendel zurück.
Die
Premierministerin forderte auf dem Parteitag die Wirtschaft auf, weniger
ausländische Arbeitskräfte einzustellen: Es gebe einen „gesellschaftlichen
Vertrag“, der besage: „Bilden Sie zuerst einheimische junge Menschen aus, bevor
Sie billige Arbeitskräfte aus dem Ausland einstellen.“ ...
[Erinnert sei an den kläglichen Versuch der FDP.Die
Liberalen mit BDP und GKP im Schlepptau, eine Version Light zur „Rettung der
Bilateralen“, die gar nicht gerettet werden müssen, da sie zurzeit gar nicht in
Gefahr sind, unter Verfassungsbruch (Art. 121 a BV) durchzuboxen. Nun soll sich
die FDP aufgrund von Reklamationen der Basis zu einer etwas stärkeren Version
des Inländervorrangs bekennen.]
May:
... Die Regierung erwägt deshalb, Unternehmen dazu zu
verpflichten offenzulegen, wie viele ausländische Arbeitnehmer sie
beschäftigen. Viele Briten fürchten, dass der starke Anstieg der Einwanderung
die Löhne drückt und Schulen und Krankenhäuser verstopft. In Zukunft würden
diese Sorgen ernst genommen und nicht mehr als „provinziell“ abgetan,
versicherte May.
Der staatliche Sparkurs der vergangenen Jahre ist
ebenfalls passé: Der neue Schatzkanzler Philip Hammond kündigte eine „flexible
und pragmatische“ Haushaltspolitik an und gab ein 5 Milliarden Pfund schweres
Ausgabenprogramm zur Förderung des Wohnungsbaus bekannt.
Hammonds geschasster Amtsvorgänger George Osborne wollte
bis Ende des Jahrzehnts einen staatlichen Haushaltsüberschuss erreichen. Doch
dieses Ziel hat die Regierungschefin May schon im Sommer kassiert. „Wenn sich
die Zeiten ändern, müssen auch wir uns ändern“, rechtfertigte Hammond nun den
Kurswechsel. Nach dem Votum der Briten für den Austritt aus der EU wären die
konjunkturellen Risiken des bisherigen Sparkurses zu groß.
May hat außerdem „eine ordentliche Industriepolitik“
angekündigt. Übernahmen wichtiger britischer Unternehmen durch ausländische
Investoren sollen in Zukunft kritischer geprüft werden als bisher – auch das
ein Bruch mit der wirtschaftsliberalen Grundlinie der vergangenen Jahrzehnte,
in denen reihenweise heimische Großkonzerne ins Ausland verkauft wurden. Die
Regierung will außerdem Unternehmen dazu verpflichten, Arbeitnehmer- und
Verbrauchervertreter in ihre Verwaltungsräte aufzunehmen.
Dass mehr Staat in
Großbritannien plötzlich wieder in Mode ist, hängt nicht zuletzt mit dem Brexit-Votum
im Juni zusammen: Das Ergebnis des EU-Referendums ist auch ein Denkzettel
für die politische und wirtschaftliche Elite des Landes, die vor allem im
reichen London sitzt. „Es war nicht nur ein Votum dafür, das britische
Verhältnis zur EU zu verändern, sondern auch die Art und Weise, wie dieses Land
funktioniert“, sagte May. In kaum einem großen Industrieland hat sich die
Schere zwischen Gewinnern und Verlierern der Globalisierung in den vergangenen
Jahrzehnten so stark geöffnet wie in Großbritannien.
Ob die Regierungschefin ihre Versprechungen einlösen
kann, ist allerdings offen: Die ungeliebten Wirtschaftsmigranten aus Ost- und
Südeuropa beispielsweise sind momentan im britischen Arbeitsmarkt schwer
wegzudenken. Im staatlichen Gesundheitsdienst NHS machen Einwanderer mehr als
ein Drittel der Belegschaft aus. Aus Kostengründen hat der NHS in den
vergangenen Jahren viel zu wenig eigenes Personal ausgebildet. Finanzminister
Hammond wiederum hat wenig Spielraum für große Ausgabenprogramme: Das
Haushaltsloch der Regierung ist noch immer gut 72 Milliarden Pfund groß. Der
britische Staat soll wieder stärker werden – aber es fehlt das Geld, um ihn
wesentlich größer zu machen."
5) „F.A.Z.“, Mittwoch den 05.10.2016 Finanzen 23
„Britische
Aktien auf Rekordkurs“
"Robuste
Wirtschaftslage nach dem Brexit-Votum / Schwächeres Pfund nützt der
Exportindustrie"
"dmoh. FRANKFURT, 4. Oktober. Der britische Aktienindex
FTSE 250 ist am Dienstag auf den höchsten Stand seiner Geschichte gestiegen.
Auch der Leitindex FTSE 100 stieg um rund 2 Prozent und blieb mit 7122 Punkten
nur einen Hauch unter seinem Rekord vom Frühjahr 2015. Der Dax wiederum liegt
noch 20 Prozent unter seinem damaligen Rekordwert. Die starke Wertentwicklung
britischer Aktien wird mit der guten Konjunkturlage in Großbritannien
begründet. Am Montag war der Markit-Index für die Stimmung der britischen Industrie
überraschend deutlich um 2,0 auf 55,4 Punkte gestiegen. Fachleute hatten mit
einem Rückgang auf 52,1 Punkte gerechnet. Werte von mehr als 50 werden als
Zeichen für eine Belebung des Wirtschaftswachstums gewertet. Der kurze Schreck
nach dem Brexit-Votum am 23. Juni ist damit mehr als ausgeglichen. Damals war
der Index kurz auf 48,2 Punkte zurückgefallen. Nun liegt er auf dem höchsten
Niveau seit mehr als zwei Jahren.
Am Dienstag wurde die gute Konjunkturlage durch Daten aus
der Bauindustrie bekräftigt. Auch hier stieg der Markit-Index, der auf Umfragen
unter Unternehmen der Branche basiert, überraschend kräftig um 3,1 auf 52,3
Punkte. Auch hier hatten die meisten Volkswirte mit einem Rückgang gerechnet.
Hilfreich dürften für die Branche Maßnahmen der britischen Regierung gegen die
Wohnungsknappheit sein. Es sollen mehr Bauland ausgewiesen und vergünstige
Kredite vergeben werden und so der Wohnungsbau mit etwa 5,75 Milliarden Pfund
gestützt werden.
Der Wechselkurs der britischen Währung zeigte sich am Dienstag
nochmals leicht schwächer. Für ein Pfund mussten zeitweise nur noch 1,1408 Euro
gezahlt werden. Das waren 0,3 Prozent weniger als am Vortag und der tiefste
Stand seit drei Jahren. Zum Dollar gab das Pfund auch leicht nach und notierte
mit 1,2736 Dollar sogar auf dem tiefsten Stand seit 1985. Den Devisenmarkt
beschäftigte vor allem die Einschätzung, die britische Regierung könne weniger
Rücksicht als gedacht auf ihre Finanzindustrie nehmen. Auf dem Parteitag der
konservativen Partei am Wochenende hatte Premierministerin Theresa May mit
Sätzen wie die „Herrschaft des EU-Rechts über Großbritannien soll ein Ende
haben“ einem relativ klaren Brexit ohne Hintertür das Wort geredet. Auch die
Finanzindustrie müsse sich der neuen politischen Realität anpassen, sagte
Parteikollege Steve Barker. „Lange
Zeit wurde die City als privilegiert angesehen, nun geht es darum, als
geeinigtes Königreich voranzuschreiten.“
Sollte der Finanzplatz London dadurch an Bedeutung
verlieren, könnte dies auch das Pfund weiter schwächen. Dass dies nicht zum Schaden des Landes sein muss, zeigen die Reaktionen
der Aktienmärkte, die ihren kurzen Brexit-Schreck schon wenige Tage später
abgeschüttelt hatten. Geblieben ist nur das günstigere Pfund, das vielen
Industrieunternehmen als hilfreiche Unterstützung auf den Exportmärkten gilt."
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