Cassis ja nicht als Bundesrat – zu wählen ist
zwischen Madame Moret und Monsieur Maudet
Die Freisinnigen des Kantons Tessin haben eine Zweier-Kandidatur
abgewürgt. Sie wollen unbedingt den Herrn Cassis durchdrücken.
Da sind sie selber schuld, dass die Romandie prompt zwei valable
Gegenkandidaten aufstellt.
Cassis ist ein Hansdampf in allen Gassen:
1.)
„Es ist relativ schwierig, Sie politisch zu fassen.“ („NZZ“, Interview vom 07.09.2017)
2.) Es gibt Parlamentarierinnen und Parlamentarier,
die der Ansicht sind, der Tessin müsse jetzt endlich wieder im Bundesrat vertreten
sein: Ignazio Cassis.
Jedoch, was sagt Herr Cassis:
“Ich wäre beleidigt, wenn die Herkunft das einzige Kriterium
wäre.“
und:
„Wenn das der Fall wäre, [dass man meint, der Tessin
müsse nun auf jeden Fall im Bundesrat vertreten sein] hätte die Bundesversammlung keine
gute Wahl getroffen.
Die Herkunft aus dem Kanton
Tessin ist jedoch das einzige Cassis-Kriterium, denn die beiden Kandidaten aus
der Romandie überzeugen allein schon dadurch, dass sie Exekutiv-Erfahrung haben.
3.)
Bei seiner
Geburt 1961 hatte Cassis die italienische Staatsangehörigkeit seines Vaters. Im
Jahr 1976 wurde er Schweizerbürger und gab deswegen
den italienischen Pass ab.
1992 jedoch
nutzte Cassis die neu geschaffene Möglichkeit des Doppelbürgers und besorgte
sich zusätzlich die italienische Staatszugehörigkeit.
Also
fühlt Cassis sich mindestens zur Hälfte als Italiener.
Cassis: „Die Glaubwürdigkeit des
Bundesrats steht an erster Stelle. Als Parlamentarier ist die Doppelbürgerschaft
kein Problem
[warum
nicht, Herr Cassis?],
aber der Bundesrat ist verantwortlich für
die Aussenpolitik. Da stellt sich die Frage ganz anders.“ [???]
Nun, Herr Cassis, Sie haben
anscheinend nicht realisiert, dass bei uns nicht der Bundesrat das höchste Staatsorgan
ist, sondern der Nationalrat. Der Nationalrat kontrolliert den Bundesrat
und dessen Verwaltung und, wenn notwendig korrigiert er den Bundesrat bzw.
dessen Verwaltung. Der Präsident des Nationalrates (w./m.) ist bei uns an der
Spitze der politischen Hierarchie und nicht der Bundespräsident (w./m.).
4.)
Cassis sitzt als Nationalrat in der Gesundheitskommission und ist gleichzeitig
der Präsident eines Krankenkassenverbandes. Cassis ist also ein Krankenkassen-Lobbyist.
5.)
„Cassis will sich für
eine freiere Wirtschaft einsetzen.“
„Und fordert die Wirtschaftschefs
auf, Verantwortung zu übernehmen.“ („NZZ“-Interview)
(vgl. 9.)
Zum ersten Cassis-Satz:
„Was versteht Cassis unter
einer „freieren Wirtschaft“?
Die
Wirtschaft in der Schweiz hat mehr als genug Freiheiten: denken wir nur an die
Banken und all den Skandal, die diese unserem Land über Jahre, ja Jahrzehnte
(CS vor allem) bereitet haben. Ein Ende der sogenannten „Aufarbeitung“ ist noch
nicht absehbar (CS).
Der zweite Cassis-Satz
ist eine typisch Cassis’sche
Worthülse: Verantwortung wofür, Herr Cassis?
Für die Souveränität und Unabhängigkeit unseres Landes, der
Schweiz?
oder
vielmehr Verantwortung für das eigene Portemonnaie?
oder
Verantwortung für Arbeitsplätze in der Schweiz?
Fact ist:
Die
Unternehmen in der Schweiz (economiesuisse), die über genügend Geld verfügen verlagern
ihre Arbeitsplätze konsequent ins Ausland. So hat einer der beiden grössten
Schweizer Fensterhersteller, die Arbonia die Fenster-Produktion vollumfänglich aus
der Schweiz in die Slowakei und nach Thüringen verschoben.
Die
andere führende Fensterfabrik „4b“ dagegen findet eine Lösung in der Schweiz,
in Hochdorf.
Ich
würde keine Fenster bei Arbonia bestellen.
Bei
gutem Willen müssen uns also keine Arbeitsplätze gestohlen werden („NZZ“ vom
12.07.2017).
Die
Pharmaindustrie schädigt den Werkplatz Schweiz; so verlagert Novartis sogar 500
Arbeitsplätze bis nach Indien. (Quelle: „Blick“).
Arbeitsplätze
in der Schweiz verschwinden „mehr und mehr“. Dennoch will economiesuisse mit
CEO Karrer immer noch weitere Ausländer in die Schweiz holen:
„Die
Produktivität in der Schweiz hat sich gewaltig verschlechtert, 1960 war die
Schweiz bei der Arbeitsproduktivität noch an der Spitze, heute liegt sie hinter
Österreich, Deutschland und Frankreich – wieso?“ schreibt Nicole Rütti-Ruzicic in der „NZZ“
vom 29.08.2017, 05:30 Uhr, weil die Wirtschaft (economiesuisse) keine Investitionen
vornimmt – ausser wenigen, wie die Fensterfabrik „4b“.
6.) Cassis: „Übrigens:
Das Ganze [– Verhandlungen mit der EU wegen dem ‚Institutionellen
Rahmenabkommen’ und wegen der EU-Forderung nach Kontrolleuren aller 26
EU-Staaten in unserem Land und wegen der abschliessenden Gerichtsbarkeit des Europäischen
Gerichtshofes –] ist nicht
dringlich. Warten wir ab, wie sich die EU mit dem Brexit
entwickelt.“
Nun,
Herr Cassis Sie übersehen geflissentlich, dass Bundespräsidentin Doris Leuthard
bis Ende Jahr das Abkommen mit der EU unter Dach und Fach haben will („SRF“-Tagesschau),
dass EU-Präsident Jean-Claude Juncker im Oktober in die Schweiz kommt und mit
Doris Leuthard – sie ist NICHT „Außenministerin“ – in diesem Sinne verhandeln
wird.
Die EU will, das hat sie mehrmals
erklären lassen, noch vor dem Brexit uns im Sack haben.
7.) Cassis erklärt gegenüber der «Aargauer Zeitung», dass er den Kokain-Konsum legalisieren wird.
Vorsichtig
spricht man von der Legalisierung des Cannabis-Konsums. Aber unser Hansdampf in
allen Gassen springt schon weiter, bevor das „einfachere“ Problem auch nur
konkret angegangen worden ist.
8.)
Cassis war an vorderster Front als
die FDP.Die Liberalen unter der Führung von Petra Gössi den „Inländervorrang
light“ durchgeboxt haben.
a) Da hört sich Cassis Äusserung im
„NZZ“-Interview aber ganz anders an:
„Die Zuwanderung muss besser und aktiver gesteuert werden.“
b) Ergebnis
des FDP-Theaters vom «Inländervorrang light»:
Nachzulesen in: „«Inländervorrang
light» Ein bürokratisches Monstrum“; „NZZ“ vom 30.8.2017, 05:30 Uhr:
„Die Umsetzung des «Inländervorrangs light» wird keine Steigerung
der Vermittlungseffizienz bringen, welche die Nachfrage der Firmen nach
ausländischen Arbeitskräften senkt.“
9.) Cassis: „Verbände
spielen eine wesentliche Rolle für das Funktionieren unserer Demokratie.“
Verbände – die Stützen der Direkten Demokratie?
Zum Beispiel der Hauseigentümerverband,
der die Interessen von Hauseigentümern – längst nicht allen – durchzusetzen
versucht. So hat er – wenn ich mich richtig erinnere – mindestens zweimal die
Hauseigentümer finanziell bevorzugen wollen. Doch beide Initiativen sind vom
Souverän abgeschmettert worden:
„Die Hauseigentümer
versuchen es seit 30 Jahren wieder und wieder: Am 23. September
entscheidet das Volk über eine Initiative gegen den Eigenmietwert. Ähnliche
Anliegen hat es früher abgelehnt.“ titelt die „Berner Zeitung“ am 28.08.2012. Die
Vorlage wurde wiederum abgelehnt.
Oder der von FDP-Nationalrat
Hans-Ulrich Bigler geführte schweizerische Gewerbeverband, der mit der USRIII
die Gewerbler finanziell privilegieren wollte. Auch diese Vorlage wurde abgeschmettert.
Nun geht
der gleiche Verband gegen die Weko vor, er will sie „ausbremsen“ wie die „Luzerner
Zeitung“ vom Montag, den 11.09.2017 titelt. Die Weko, die Wettbewerbskommission
sorgt – das ist von Gesetzes wegen ihr Auftrag – für freien Wettbewerb.
10.) Cassis erklärt die Annahme
der Abzocker-[Minder-]Initiative mit einer durch die Globalisierung ausgelösten
Entfremdung der Wirtschaft von der Gesellschaft.
(„NZZ“-Interview).
Eine sehr ausgefallene Umschreibung des Enrichissez-Vous-Prinzips
der Verwaltungsräte, vor allem aber der CEO’s und übrigen Manager: so viel wie
nur möglich für sich und das erst noch möglichst steuerfrei.
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