Montag, 4. September 2017

Wir haben den Gotthardbasistunnel vergebens gebaut. Merkel-Deutschland, die EU foutieren sich um die Rheintallinie


Die führende deutsche Zeitung,
die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („F.A.Z.“)
schreibt am Samstag, den 02.09.2017 :

"Rastatt und der Güterverkehr"
– den Originaltext finden Sie im Anhang:

„Die Sperre der Bahnstrecke bei Rastatt ist eine Katastrophe mit Ansage.
Die paar abgesackten Gleise sind Teil der ‚Magistrale’ [leider nicht zutreffend – siehe etwas weiter unten] Rotterdam-Genua. Diese Hauptschlagader der Güterbahn [dies ist völlig richtig] hat keinen brauchbaren Bypass.“
„Ihre Bedeutung ist auch im Kanzleramt in Berlin wohlbekannt; Angela Merkel nannte diesen Abschnitt die „Aorta“ des europäischen Schienengüterverkehrs, als sie 2016 zur Eröffnung des Gotthard-Tunnels in der Schweiz sprach.“

Schön gesprochen, aber nicht mehr, denn:

Die Nr. 1 des Transeuropäischen Netzes TEN (englisch: „Trans-European Networks”) verläuft von Berlin über den Brenner bis nach Palermo und ist im Bau.
Quelle: “Wikipedia” – “Transeuropäisches Netz”; Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Transeurop%C3%A4ische_Netze .

In der Tabelle TEN-V-Kernnetzkorridore finden Sie unter
Skandinavien-Mittelmeer’:
Bremen – Hannover – Nürnberg – München – Innsbruck – (Brenner) – Verona – Bologna – Ancona – Florenz – Rom – Neapel – Bari – Taranto (It) – Valetta (Malta)
und unter
Rhein-Alpen’:
Genua – Novara – Brig – (Lötschberg) - Bern – Basel – Karlsruhe – Mannheim – Mainz – Koblenz – Köln.

Eine Transversale (TEN) durch den Gotthardbasistunnel
suchen Sie vergebens!

Zudem:
Es ist beschlossen, dass für 1,2 Milliarden Euro ein sieben Kilometer langer Tunnel unter der Stadt Offenburg gebohrt wird.
 Er soll 2035 – in 18 Jahren! – in Betrieb gehen. 
Die Güter werden nicht warten, und sie werden auch danach wohl nicht mehr auf die Schiene zurückkehren.
Der Tunnel unter der Stadt Rastatt ist gescheitert. Die DB und die deutschen Politiker haben sich noch nicht dazu geäussert, um wie viele Jahre sich der Tunnelbau verzögert.
Diese Tunnelbauten sind notwendig, weil die Bevölkerung im deutschen Rheintal keinen weiteren Eisenbahnlärm mehr duldet. Der Ausbau von zwei auf die notwendigen vier Gleise von Nord nach Süd ist demnach in überbauten Gebieten nur in Tunnels möglich.

Zudem:
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt genehmigt „Monstertrucks“, wie die Bahnlobby sie nennt, also überlange Lkw mit mehr Transportvolumen. Zudem werden die Lkw mit der Digitalisierung einen riesigen Sprung in der Personaleffizienz erleben, wenn sie im Fernverkehr elektronisch gekoppelt fahren können.
Auch beim Klimaschutz greift der Lastwagen den Bahnverkehr an. Der Bundesverkehrsminister erprobt Autobahnstrecken, auf denen Lastwagen mit Elektroantrieb Strom aus einem Fahrdraht über der rechten Spur beziehen.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt kauft sich Zeit mit Steuergeld, um politisch schwierigen oder unwillkommenen Entscheidungen zu entgehen.
Quelle: (Vollständiger Text im Anhang)
Rastatt und der Güterverkehr F.A.Z.“ – Unternehmen, vom Samstag, den 02.09.2017;
„STANDPUNKT“ von Gottfried Ilgmann und Klemens Polatschek, Verkehrswissenschaftler.

FAZIT:
Deutschland ist das Land, das in der EU das Sagen hat. Dazu gibt es eine Fülle von Beispielen.
Adrian Arnold, Deutschland-Korrespondent der „SRF“-Tagesschau hat eine Betrachtung über Deutschland im Orell-Füssli-Verlag veröffentlicht, in der er gemäss der Rezension in der "Preußischen Allgemeine Zeitung“ – die Ansicht vertritt Deutschland müsse in Europa die Führungsrolle übernehmen.
Frau Merkels Worte anlässlich der Eröffnung des Gotthardbasistunnels, an der bezeichnenderweise die EU nicht vertreten war – weder Juncker, noch Tusk noch irgendwer sonst haben der Einladung Folge geleistet – waren freundliche Worte, die aber in keiner Weise mit der Realität konform sind.
De facto ist die Eisenbahnverbindung von den niederländischen Häfen bis weit in den Süden Italiens DIE Hauptschlagader Europas – aber das passt weder Deutschland noch der EU.

Die EU forciert als Nord-Süd-Transversale den Brenner, obschon über den Brenner nur 30% der Gesamttonnage per Bahn transportiert werden; durch den Gotthard hingegen sind es 70%.
(Beide West-Ost-Transversalen gehen nördlich bzw. südlich an der Schweiz vorbei Quelle, siehe oben „Stuttgart21“ ist Teil davon).

Es wäre die Aufgabe des von Bundesrätin (zurzeit Bundespräsidentin) Doris Leuthard geleiteten Departements Umwelt, VERKEHR, Energie und Kommunikation (UVEK) darüber umfassend zu kommunizieren, hart am Ball zu bleiben – es hat (zu) lange gedauert, bis Frau Leuthard sich endlich zu einer Verlautbarung über die Folgen von Rastatt aufgerafft hat und?

Der Lastwagen-Verkehr aus Deutschland durch die Schweiz nach Süden wird gewaltig zunehmen. (siehe weiter oben, Auszug aus der „F.A.Z.“)
Ich erinnere an das Versprechen von Frau Bundesrätin Doris Leuthard, dass der Bundesrat dafür sorgen werde, dass nach der Tunnelrenovation die dann zur Verfügung stehenden zwei Röhren Nord-Süd und Süd-Nord je nur einspurig befahren werden. Leider haben ihr zu viele biedere Schweizerinnen und Schweizer Glauben geschenkt.
Es werden durch beide Röhren Lastkraftwagen, überlange Monstertrucks auf zwei Spuren durch den Gotthard donnern. Leider ist Frau Leuthard dann nicht mehr Bundesrätin – sie tritt am Ende der Legislaturperiode zurück – und kann daher nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden.

Diese Fakten lassen ein gewichtiges Argument des „NZZ“-Chefredaktors Eric Gujer in seinem Vorschlaghammer-Leitartikel: "Die Schweiz braucht mehr Selbstbewusstsein", vom Samstag den 26.08.2017 ins Nichts zerrinnen: „Ein Anfang wäre es, wenn sich die Bundesräte in Brüssel sowie in Berlin, Paris, Rom und anderen Hauptstädten der EU zu Vorträgen einladen liessen, um mit Nachdruck darzulegen, welche Rolle die Schweiz in Europa innehat. Sie sichert nicht nur Verkehrswege und gräbt einen Tunnel nach dem anderen zum Nutzen ausländischer Reisender und Transporteure“. [und wird dabei, Herr Gujer, von Merkel-Deutschland sabotiert]

Ich blicke mit Sorge in die Zukunft,
da massgebende Politiker und Medienleute sich an den Strohhalm halten, dass Deutschland – d.h. Merkel-Deutschland bis 2021 sicher, evtl. noch weitere vier Jahre (Horst Seehofer, Ministerpräsident von Bayern) – ein Interesse an einer unabhängigen, souveränen Schweiz hat.

Ich sehe heute noch das Bild vor mir, das Frau Angela Merkel anlässlich ihres einzigen offiziellen Besuches zusammen mit der damaligen Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf zeigt: sie, Frau Merkel, zeigt sich äusserst gelangweilt. Der zweite Besuch – als Frau Simonetta Sommaruga Bundespräsidentin war – fand statt, weil die Universität Bern meinte, Frau Merkel mit einem Ehrendoktor würdigen zu müssen.

Deutschland, die EU will die Schweiz in die Knie zwingen, zum EU-Beitritt bringen, denn nach dem EU-Austritt Grosssbritanniens – Grossbritannien war einer der vier EU-Netto-Zahler (Schweden, Niederlande, Grossbritannien und Deutschland) – braucht Deutschland und somit die EU unser Geld, das ohne uns weitgehend Deutschland zusätzlich zu den rund 14 Milliarden Euro pro Jahr aufzubringen hätte.
2015 zahlte Grossbritannien 11,5 Milliarden mehr nach Brüssel ein, als es aus Brüssel erhielt, das waren 178 € pro Kopf (Schweden: 226, Niederlande 219, Deutschland: 176; oder: Niederlande: 0,54% des BIP, Schweden: 0,48, Grossbritannien 0,46% und Deutschland 0,46%);

Für zusätzliche Aufgaben bräuchte die EU zusätzlich mehr als 10 Milliarden Euro/Jahr (Quelle: “F.A.Z.).
Vue?

Ich frage mich,
haben wir noch genügend Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die fähig sind, sich, wenn es hart auf hart geht, der EU entgegenzustellen und dies auch wollen?
Ein solch blamables Schauspiel wie bei der Inthronisation des sogenannten „Inländer-/Ausländervorrangs light“ können wir uns nicht mehr leisten, sonst packt uns die EU gleich in den Sack.

Zudem:
«Inländervorrang light» Ein bürokratisches Monstrum titelt die „NZZ“ am Mittwoch, den 30.08.2017, 05:30 Uhr. George Sheldon schreibt: „Die Umsetzung des «Inländervorrangs light» wird keine Steigerung der Vermittlungseffizienz bringen, welche die Nachfrage der Firmen nach ausländischen Arbeitskräften senkt. Die Umsetzung des «Inländervorrangs light» ist ein bürokratisches Monstrum ohne praktischen Nutzen“. Allerdings kann sich Sheldon am Schluss seiner Ausführungen des Sauschwänzleins nicht verkneifen, wenn er meint schreiben zu müssen:
Das Traurige daran ist, dass sich der Staat den ganzen Umtrieb vermutlich hätte schenken können, wenn die Befürworter der MEI nicht der irrigen Meinung gewesen wären, das Personenfreizügigkeitsabkommen habe eine Masseneinwanderung ausgelöst.“
Nun, das Traurige daran ist, dass ein Professor und Leiter der Forschungsstelle für Arbeitsmarkt- und Industrieökonomik (FAI) am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ) der Universität Basel meint, so den Sachverhalt verdrehen, ja umkehren zu müssen.
Fact ist, Herr Sheldon, dass die Netto-Einwanderung in die Schweiz 2013 und 2014 gut viermal grösser gewesen ist, als die Stadt Wettingen Einwohner zählt (rund 20'000). 2015 bzw. 2016 hat die Netto-Einwanderung immer noch gut und gern 71'000 bzw. 60'000 Personen betragen.
Das statistische Amt bequemt sich erst ab 2014 um eine einfach lesbare Übersicht über die Zunahme der ausländischen Wohnbevölkerung pro Jahr – Link: https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/publiservice/statistik/auslaenderstatistik/monitor/2014/statistik-zuwanderung-2014-12-d.pdf .

Nun, im letzten Halbjahr ist in der „NZZ“ ein Artikel erschienen – ich habe ihn leider nicht gespeichert – in dem der Mann, der Experte, der Guru zu Worte gekommen ist, der im Auftrage des Bundesrates prophezeit hat, dass wegen der Personenfreizügigkeit pro Jahr der Nettozuwachs pro Jahr nur etwa 15’00 Menschen betragen würde. Er hat sich nicht einmal seiner falschen Prognose geschämt.
Bei der USR-II-Reform hatten wir auch solche „Experten“, die uns mit Vorsatz oder aus Nichtwissen falsche Zahlen aufgetischt habe: sogar das Bundesgericht hat festgehalten, dass das Volk bei der Abstimmung 2008 betrogen worden ist.
Wir bräuchten Politiker und Medienleute sowie Schweizerinnen und Schweizer, die im Ernstfall – und der kommt wie das Amen in der Kirche – nicht der EU in den Hintern kriechen, das haben wir schon zur Genüge erlebt (übrigens: was waren das für Schweizer-Diplomaten, die die Guillotine-Klausel gebilligt haben und welcher Bundesrat (Plural) hat das zu verantworten?) sondern bereit sind – und es auch tun – eine momentane Einbusse des Wohlstandes in Kauf zu nehmen und durchzustehen, bis die EU nachgibt oder bis wir uns auf anderen Märkten gut verankert haben. Nicht zu vergessen: wir sind auch für die EU, vor allem für Deutschland, vor allem für die industriell gut aufgestellten Länder Bayern und Baden-Württemberg von Wichtigkeit.

Es braucht genügend Schweizerinnen und Schweizer, die nicht auf das Gesäusel eines Gerhard Schwarz (früher: „NZZ“, dann „avenir suisse“; wirtschaftsfreundlich) hereinfallen, der akribisch die „Souveränität“ der Bürgerin, des Bürgers über die ‚Souveränität’ unseres Landes zu stellen versucht: Was die EU an der Schweiz hat“; „F.A.Z.“ – „Die Ordnung der Wirtschaft“, vom Freitag, den 28.07.2017.

Das Schwarz-Rezept lautet:
„Die Souveränität der Bürgerin, des Bürgers geht der Souveränität der Gemeinschaft, des Staates vor: „Wo dagegen der Verzicht auf sie ... [die Souveränität der Schweiz als Ganzes]
... dem Individuum mehr Freiheit und Wohlstand bringt, kann sie geopfert werden.]“
Der Haken ist aber der, dass die Souveränität des Individuums etwas ganz anderes ist als die Souveränität des Staates, denn:
In der Rechtswissenschaft ist die ‚Souveränität’ die Fähigkeit einer natürlichen oder juristischen Person zu ausschließlicher rechtlicher Selbstbestimmung.
Aber: In der Politikwissenschaft versteht man unter ‚Souveränität’ die Eigenschaft einer Institution [des Staates], innerhalb eines politischen Ordnungsrahmens einziger Ausgangspunkt der gesamten Staatsgewalt zu sein.
(Quelle: „Wikipedia“ – „Souveränität“)
So, wie Herr Schwarz dies sieht, könnte die Schweiz gegenüber der EU ruhig einen „Hongkong“-Status haben, wenn es den Einwohnern damit „wohlstandsmässig (noch) besser gehen würde“.


Anhang:
   
1) Die Unfallursache ist klar:

Die Deutsche Bundesbahn (DB) wollte in der von Grundwasser durchtränkten Rheinebene den Tunnel möglichst hoch führen, d.h. möglichst wenig unter der Erdoberfläche, um sich ein teureres Grundwasser-Management ersparen zu können.
Eine Überdeckung von weniger als 5 Meter (Abstand Tunnelfirst bis Erdoberfläche) ist bei Geröll, Erde und Wasser sehr gering. Solch geringe Überdeckungen hat es auch beim Bahnhofausbau in Zürich gegeben.
Auf jeden Fall wird das Obliegende tiefgefroren.
Jedoch:
Die DB fuhr mit einer Tunnelfräsmaschine auf, die das ganze Profil auf einmal ausfräste (um zu sparen: ein Fräsgang und gleich ist der ganze Tunnel da); ganzes Profil auf einmal, zusätzlich massive Erschütterungen durch das Fräsen; von oben erschüttert zusätzlich der Bahnverkehr: Schwächung des Obliegenden bis zum Nachgeben, Einsturz.
In Zürich aber ist man bergmännisch vorgegangen. Bergmännisch bedeutet, nur ein Teil des Tunnels wird fürs erste ausgebrochen – zum Beispiel mit einem Firststollen.
In Zürich ist lokal auch die Überdeckung (2 – 3 Meter) eingebrochen. Dabei ging eine simple Bohrmaschine verloren, als man den entsprechenden Abschnitt mit Beton ausfüllte.
Bei Rastatt hingegen steckt nun eine MillionenEuroteure Tunnelfräse im Beton. Da gibt es Leute, die meinen, die könne man wieder herausbohren und neu einsetzen.
Na, mit der deutschen Ingenieurskunst scheint es leider nicht mehr weit her zu sein, denn:
Der BER (Flughafen Berlin-Brandenburg) wird auch dieses Jahr nicht eingeweiht werden.


2) "Rastatt und der Güterverkehr" [Gotthardachse]

„F.A.Z. – Unternehmen“ vom Samstag, den 02.09.2017
„STANDPUNKT“
Von Gottfried Ilgmann und Klemens Polatschek, Verkehrswissenschaftler.

Die Sperre der Bahnstrecke bei Rastatt kann man als schlichtes Malheur an einer ehrgeizigen Baustelle sehen. Es ist aber auch eine Katastrophe mit Ansage. Die paar abgesackten Gleise sind Teil der Magistrale Rotterdam-
Genua. Ihre Bedeutung ist auch im Kanzleramt in Berlin wohlbekannt; Angela Merkel nannte diesen Abschnitt die „Aorta“ des europäischen Schienengüterverkehrs, als sie 2016 zur Eröffnung des Gotthard-Tunnels in der Schweiz sprach.
Diese Hauptschlagader der Güterbahn hat keinen brauchbaren Bypass. Denn die Bahnpassagiere zwischen Baden-Baden und Rastatt kann man auf Busse setzen. Mit der Ladung der Güterzüge geht das nicht. Die Güterbahnen schätzen, dass die wochenlange Sperrung der Strecke einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe anrichten wird.
Dass auf dieser Schienenachse und auch anderswo der Infarkt kommt, ist schon länger klar. Es ist auch mit Dokumenten der Regierung besiegelt, man muss sie nur lesen können. Das Malheur gibt uns schon mal einen Vorgeschmack auf die Folgen.
Erst Ende Juni hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt seinen „Masterplan Güterverkehr“ vorgestellt. Der Anlass für das 44-seitige Dokument ist in ihm nicht vermerkt, aber trotzdem klar: Die Branche der Güterbahnen ist malad, in Deutschland wie in vielen Ländern Europas, und dieses Werk soll ihr wieder auf die Beine helfen. Das trifft speziell auf die DB Cargo zu, die Güterverkehrstochter der staatseigenen Deutschen Bahn AG (DB).
Das Dokument selbst gibt als Motivation an, mehr Verkehr auf die Schiene bringen zu wollen. Die Verkehrsverflechtungsprognose des Bundesverkehrsministers vom August 2015 sagt einen Anstieg von 43 Prozent im gesamten Güterverkehr für die Jahre 2010 bis 2030 voraus. Der Masterplan warnt, eine solche Steigerung werde „erhebliche verkehrs- und umweltpolitische Probleme“ aufwerfen. Daher soll die Bahn ran: „Bis zum Jahr 2030 soll der Marktanteil der Schiene am Güterverkehr in Deutschland deutlich steigen.“
Der Marktanteil der Güterbahn gegenüber den anderen Verkehrsträgern (dem dominanten Lkw und der Spezialität Binnenschiff) ist in Deutschland bereits vor historischen Zeiten auf rund 17 Prozent gefallen und stagniert seither um diesen Wert. Wenn nun die Nachfrage wächst, dann tut sie das auf den zentralen Achsen am kräftigsten, vor allem auf der Rheinschiene, wo Rastatt liegt. Gerade diese Achsen sind jedoch punktuell heute an der Grenze dessen, was sie an Verkehr bewältigen können. Den Marktanteil bis zum Jahr 2030 nur zu halten ist daher schon ehrgeizig.
Die beiden ersten Verbesserungspunkte im Masterplan handeln folgerichtig vom Thema Kapazität. Die preiswerteste Investition ist dabei die Anpassung des deutschen Netzes für 740 Meter lange Güterzüge, das ist die Standard-Wunschlänge in Europa. Langwieriger und teurer ist die zweite Maßnahme, die Entflechtung der großen Schienenknoten im Raum Frankfurt, Hamburg, Köln, Mannheim, München und Hannover.
Nun hat der Bundesverkehrsminister bereits im Frühjahr vergangenen Jahres den Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) vorgelegt, die erste Neuschreibung dieses Werks nach 13 Jahren. Der Bundestag hat die dazugehörigen Ausbaugesetze Ende 2016 beschlossen.
In diesem BVWP sind die Projekte 740-Meter-Zug und Großknoten-Umbau ebenfalls aufgeführt, aber in niedriger Priorität, in der Kategorie „potentieller Bedarf“. Sie sind also nichts, was man jetzt anpacken darf. Diese Vorhaben könnten in den „vordringlichen Bedarf“ aufsteigen, falls die fachgerechte Bewertung ergeben sollte, dass sie einen positiven Nutzen-Kosten-Koeffizienten für die Gesamtwirtschaft haben.
Wie der Blick in die Vergangenheit zeigt, ist Skepsis angebracht. Der frühere Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, SPD, stellte 2008 einen „Masterplan Güterverkehr und Logistik“ vor. Darin wurden 740-Meter-Züge versprochen und dazu eine Entmischung von Güter- und Personenverkehr auf der Schiene – was über die bloße Entflechtung der Knoten hinausgeht. Realisiert wurde fast nichts. Sein Nachfolger Peter Ramsauer, CSU, präsentierte im Jahr 2010 einen Aktionsplan Güterverkehr und Logistik“. Wortgleich finden sich darin die beiden Projekte wie 2008. Realisiert wurde fast nichts.
Der gesetzlich verbindliche Bundesverkehrswegeplan vernachlässigt also die seit Jahren vorgetragenen Themen zum Fortleben der Güterbahn. Ein Master- oder Aktionsplan hingegen, der keine Bindungswirkung hat, kündigt Heldentaten an, die dann nicht stattfinden. Welchem Plan glauben wir?
Die Güterbahn verliert bei der Aufstellung des Verkehrswegeplans naturgemäß, wenn sich niemand von politischem Gewicht ehrlich für sie stark macht. Der BVWP ist vom regionalen Interesse am Personenverkehr geprägt. Güterzüge tragen nichts zu den „Wertschöpfungspotentialen für die jeweilige Region durch bessere Erreichbarkeit“ bei – so hieß es zuletzt in einem Entschließungsantrag der Fraktionen der Regierungskoalition. Die Anwohner sehen nicht ein, „laute, schnelle Güterzüge lediglich im europäischen Gesamtinteresse akzeptieren zu sollen“ (Bundesdrucksache 18/7365 vom 26. Januar 2016). Wegen solcher Proteste verzögert sich zum Beispiel seit Jahren eine entscheidende Aufweitung der Rheinschiene bei Offenburg. Jetzt ist beschlossen, dass für 1,2 Milliarden Euro ein sieben Kilometer langer Tunnel unter der Stadt gebohrt wird. Er soll 2035 in Betrieb gehen. Die Güter werden nicht warten, und sie werden auch danach wohl nicht mehr auf die Schiene zurückkehren.
Bei Güterzügen gibt es mehrere klar getrennte Segmente. Ein „Ganzzug“ fährt eine lange Strecke, ohne dass er zwischendurch in Rangieranlagen Wagen oder Wagengruppen an- oder abkoppelt. Das typische Beispiel ist ein Zug mit fabrikneuen Autos von Stuttgart oder Ingolstadt zum Hafen Rotterdam. Der Masterplan notiert korrekterweise, dass diese Art von Güteraufkommen in den kommenden Jahren an Bedeutung verlieren werde. „Dagegen wird das kleinteiligere ... Güteraufkommen überdurchschnittlich steigen.“
In der Folge dieser Diagnose erreicht der Plan jedoch ein Höchstmaß an inneren Widersprüchen. Der kleinteilige Transport findet nämlich im zweiten Segment der Güterbahn statt, im „Einzelwagenverkehr“, wo Wagen und Wagengruppen aufwendig rangiert und zu Zügen zusammengestellt werden. Dieses Segment ist betriebswirtschaftlich am meisten in Not. Der Masterplan stemmt sich dagegen mit hochfliegenden Ideen zur Digitalisierung der Abläufe, aber auch mit Eingriffen der Politik: Sogar eine „verpflichtende Anbindung an die Schiene für aufkommensstarke Standorte“ solle geprüft werden.
Bislang ist die staatliche Deutsche Bahn aber der Einsicht gefolgt, dass der Lastwagen im kleinteiligen Transport preislich schwer zu schlagen ist. Sie ist ja selbst mit den Lastwagen ihrer Tochtergesellschaft DB Schenker als Logistiker aktiv. Logistikzentren entstehen heute an der Straße. Gleisanschlüsse sind nicht vorgesehen. Die vorhandenen Gleisanschlüsse baut die DB derzeit zu Hunderten ab: Zu wenig Verkehr für zu hohe Kosten, heißt es.
Nun also soll das, was bislang zerdeppert worden ist, die Zukunft sein. Die Wahrheit ist nur: Den kleinteiligen Verkehr wird der Lastwagen in Zukunft noch erheblich effizienter abwickeln. Dafür sorgt der Bundesverkehrsminister selbst, denn er genehmigt „Monstertrucks“, wie die Bahnlobby sie nennt, also überlange Lkw mit mehr Transportvolumen. Zudem werden die Lkw mit der Digitalisierung einen riesigen Sprung in der Personaleffizienz erleben, wenn sie im Fernverkehr elektronisch gekoppelt fahren können.
Auch beim Klimaschutz greift der Lastwagen den Bahnverkehr an. Der Bundesverkehrsminister erprobt Autobahnstrecken, auf denen Lastwagen mit Elektroantrieb Strom aus einem Fahrdraht über der rechten Spur beziehen. Damit entschwindet die letzte Argumentation pro Güterbahn, die auch der Masterplan hervorhebt, nämlich: Sie sei umweltfreundlicher und verdiene deshalb subventioniert zu werden.
Eine Chance für die Güterbahn – vielleicht die entscheidende – wurde hingegen vertan. DB Cargo beherrscht fast als Monopolist den Einzelwagenverkehr und hat – über die Konzernschwestergesellschaft DB Netz – den Zugriff auf Verladestationen, Rangier- und Abstellanlagen. Wettbewerber können ihre Wagen nur unter der Frachtführerschaft von DB Cargo einstellen. Die privaten Güterbahnen sollen DB Cargo konkurrenzieren, obwohl sie von ihr und ihrem Einfluss auf die Infrastruktur abhängig sind? Sie fordern deshalb seit langem eine wettbewerbsneutrale Branchenlösung.
Im Masterplan Schienengüterverkehr herrscht brüllendes Schweigen zu diesem Thema. Man versteht das schon; der Bund steht hier im Spagat. Er hätte nichts gegen eine blühende Branche der Güterbahnen. Mit Rücksicht auf das eigene Unternehmen kann es aber nur heißen: DB Cargo first!
Die Schonung des staatlichen DB-Konzerns bedeutet ärmliche Innovation und damit dürftige Effizienzsteigerung. Der erste und wichtigste Schritt zu mehr Innovation wäre, die Güterbahn selbständig und handlungsfähig zu machen, so dass sie sich mit dem Bedarf ihrer Kunden wandeln kann. Der Bund müsste die Strukturen ändern, damit Anreize dazu entstehen. Einfach ist das nicht, aber wenn es nicht geschieht, gibt es nur Niedergang.
Simpel war hingegen die einzig konkrete Tat im Rahmen des Masterplans. Der Bundesverkehrsminister erlässt der darbenden Branche rund die Hälfte ihrer Nutzungsgebühren für die Schiene. „Mit Inkrafttreten des Haushalts 2018 werden Mittel in Höhe von 350 Millionen Euro in die Senkung der Trassenpreise für den Schienengüterverkehr fließen“, schreibt das Ministerium. „Die Freiräume sollen die Unternehmen für Investitionen in Innovationen nutzen.“
Ein anderes Ergebnis ist wahrscheinlicher. Die Kunden, die Verlader, werden ihren Anteil fordern; die Transporte werden billiger werden, selbst solche, die
bahnaffin sind, mit schweren Gütern und Ganzzügen über lange Strecken. Und wie man nun ahnt, könnte die Branche den Rest des staatlichen Geschenks brauchen, um allein die Folgen von Rastatt zu bewältigen.
Die Halbierung der Trassenpreise löst kein einziges Problem. Der Bundesverkehrsminister kauft sich Zeit mit Steuergeld, um politisch schwierigen oder unwillkommenen Entscheidungen zu entgehen. Deshalb ist im Masterplan keine Rede vom Markt, und wie man ihn organisiert. Rastatt ist nur ein Zeichen an der Wand.
Dr. Gottfried Ilgmann und Klemens Polatschek sind Verkehrswissenschaftler.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen