Montag, 10. Oktober 2016

Schweiz: Wir können uns an den Brexit-Äusserungen von Premierministerin Teresa May orientieren


Brexit - EU - Schweiz - FDP.Die Liberalen


A.
„... sollte man sich auf eine Katastrophe für die EU vorbereiten.“
„... falls London die Einwanderung aus der EU selbst steuern will, was May angekündigt hat.“

B.
„Wir verlassen (die EU), um ein vollständig souveränes und unabhängiges Land zu werden.


A.
Für Sie gelesen – Holger Steltzner, Herausgeber der „F.A.Z.“:
„Am 27. Mai 2014 schrieb er in einem Kommentar: „Und in den Zahlerländern herrscht die Sorge, dass die Hilfe zu einem Fass ohne Boden werden könnte, während sich das Sparen wegen der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank nicht mehr lohnt. Europa wird von immer mehr Bürgern weniger als Versprechen, sondern als Bedrohung wahrgenommen.“
Am 20. September 2016 erhält Holger Steltzner den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik 2016 der Ludwig-Erhard-Stiftung. In der Würdigung heißt es: Die Jury würdigt ihn „für seine Kommentare und seine ordnungspolitisch konsequente Haltung zu aktuellen wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen. Als Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung prägt er die wirtschaftspolitische Linie des Blattes in hervorragender Weise.““
(Quelle: „Wikipedia“ – „Holger Steltzner“)

„F.A.Z.“, Mittwoch den 05.10.2016 Politik 1
„Harter Brexit – für die EU“
Wer meint, die Briten hätten sich bloß geirrt, eigentlich wollten sie in der EU bleiben, sollte der neuen Premierministerin besser zuhören. Theresa May hat angekündigt, Britannien reiche bis März das Austrittsgesuch ein, es werde zu einem harten Brexit kommen, das Vereinigte Königreich werde nach dem EU-Austritt ein völlig „souveränes Land sein“. Reflexartig fabulierten auf dem Kontinent wieder einige von Crash und Absturz, dabei fiel der Kurs des Pfunds gerade mal um ein Prozent. Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens, so wie schon vor dem Referendum, als Politiker und Ökonomen vor der Katastrophe warnten. Wo ist diese denn? Londoner Aktienkurse eilen von einem Rekord zum nächsten, von einem konjunkturellen Einbruch keine Spur, die Wirtschaft brummt.

Anstatt in Brüssel Gespräche über die Scheidung zu verbieten, sollte man sich auf eine Katastrophe für die EU vorbereiten. Denn nach dem Votum der Briten gegen die EU wird erstmals ein Mitglied den Klub verlassen. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU mit der drittgrößten Bevölkerung und der schlagkräftigsten Armee will raus und sich und Europa beweisen, dass man auch außerhalb der Union erfolgreich sein kann. Es geht um mehr als den Verlust des zweitgrößten Nettozahlers der Union.

Sollten die Briten Erfolg haben, werden sich Nachahmer finden, da in vielen Ländern der Unmut über die EU wächst. In der Wirtschaft wird entschieden, ob das den Briten gelingen wird. Brüssel will den Zugang zum Binnenmarkt verweigern, falls London die Einwanderung aus der EU selbst steuern will, was May angekündigt hat. ...
[Das gilt auch für Art. 121 a BV, der von der FDP.Die Liberalen mit BDP und GLP im Schlepptau völlig missachtet wird: ein Verfassungsbruch].
Steltzner:
... Ohne ein neues Handelsabkommen gelten die Regeln der Welthandelsorganisation. Dann könnte die EU auf britische Exporte etwa niedrige Zölle wie auf Güter aus Amerika einführen. Das wäre zu verschmerzen, weil Großbritannien mehr in die Welt liefert als nach Europa. Wegen des hohen Defizits im Handel träfen Zölle die EU stärker als die Briten. Auch am größten Finanzplatz der Welt gingen bei einem harten Brexit nicht alle Lichter aus, da der Wettbewerb um Banken auch ein Wettlauf um die beste Regulierung ist. Es ist höchste Zeit, dass die EU darüber diskutiert, wie sie ihr Wohlstandsversprechen wieder erfüllen kann, statt bloß zuzusehen, wie Britannien der Nachweis gelingt, dass ein mittelgroßes Land allein Erfolg in der globalisierten Welt haben kann.


B.
Für Sie gelesen – was Premierministerin May in Grossbritannien sagt und denkt gilt auch für unser Land, die Schweiz!

Inhaltsübersicht:

1) Kommentar: Für die normalen Leute“

2) „May: Schlaglöcher auf dem Weg zum Austritt aus der EU“
Brexit-Votum „stille Revolution“

3) „Der große Bogen von links nach rechts“
Premierministerin May lobt den starken Staat

4) „In Britannien kehrt der starke Staat zurück“
Neue Töne auf dem Parteitag der Konservativen: Premierministerin Theresa May attackiert Unternehmenschefs und will „die Gerechtigkeit wiederherstellen“.

5) „Britische Aktien auf Rekordkurs“
Robuste Wirtschaftslage nach dem Brexit-Votum / Schwächeres Pfund nützt der Exportindustrie

1) „F.A.Z.“, Donnerstag den 06.10.2016 Zeitgeschehen 10
Kommentar: Für die normalen Leute“
„Im amerikanischen Wahlkampf gibt Donald Trump den Rächer der einfachen Leute, deren Interessen viel zu lange ignoriert worden seien, vom „big business“ etwa, einer Kernklientel der Republikaner. Also der Truppe, für die Trump antritt. Ein starkes Echo gibt es diesseits des Atlantiks: Premierministerin May hat die britischen Konservativen zur Partei der „normalen Leute aus der Arbeiterklasse“ ausgerufen. Diese Leute zahlten den Preis für die Finanzkrise und – wegen der Konkurrenz, die damit verbunden ist – für die Einwanderung.
Auch hatte May eine interessante und vermutlich zutreffende Interpretation der Brexit-Abstimmung parat: Darin komme die tiefe Spaltung des Landes zum Ausdruck: die Privilegierten und Mächtigen gegen die arbeitenden Leute. Und für diese allzu lang Ignorierten will ihre Regierung fortan da sein. Will May eine neue Konservative Partei erfinden, will sie Schluss machen mit der Macht der traditionellen Elite? Wenn es mehr ist als Rhetorik und Anbiederung an enttäuschte Labour-Wähler, dann zieht der Anti-Establishment-Zeitgeist auch bei den Konservativen ein. Anderswo gärt es auch.      K.F.“


2) F.A.Z., Donnerstag den 06.10.2016 Politik 1 (Auszug)
„May: Schlaglöcher auf dem Weg zum Austritt aus der EU“
"Brexit-Votum „stille Revolution“ ..."
[auf die Schweiz übertragen:
1992 Ablehnung EWR-Beitritt (extrem hohe Stimmbeteiligung von 78,73, Volksmehr von 50,3%, Ständemehr von 14 4/2 Ständen):: stille Revolution gegen das Partei-Establishment, gegen die Wirtschafts-Führungsclique, vor allem gegen die FDP.Die Liberalen;
2014 Annahme der Initiative ‚Stopp der Masseneinwanderung’ stille Revolution gehen das Partei-Establishment,  gegen die Wirtschafts-Führungsclique, vor allem gegen die FDP.Die Liberalen]

"... theu./job. LONDON, 5. Oktober. Premierministerin Theresa May hat auf dem Parteitag der britischen Konservativen zugegeben, dass Großbritannien auf dem Weg zum EU-Austritt einige „Schlaglöcher in der Straße“ vor sich habe. Sie verwies aber auch darauf, dass die Wirtschaftsentwicklung seit dem Referendum besser sei als prognostiziert. Der IWF und die OECD haben ihre Wachstumsschätzungen für Großbritannien in diesem Jahr nach oben korrigiert, zugleich allerdings ihre Prognosen für 2017 gesenkt.
„Wir verlassen (die EU), um ein vollständig souveränes und unabhängiges Land zu werden“, sagte sie zum Abschluss des Parteitags. ...
[was sagte 2014 Philipp Müller gegenüber der „Sonntagszeitung“, damals Präsident der FDP.Die Liberale der Schweiz und Nationalrat: „Dann wären wir das unsouveränste Land“ - wenn das EU-Diktat des ‚Institutionellen Rahmenabkommens’ Wirklichkeit würde. Nun ist Herr Müller zum „Brexit-Retter“ mutiert. Die FDP.Die Liberalen gefährden unser Land, die Schweiz aufs Äusserste: „Bilaterale retten“ „aus „Liebe“ zur Schweiz“ heisst letztendlich, das EU-Diktat annehmen. Da ist heute die FDP unter der Führung von Frau Gössi sehr weit entfernt von den Freisinnigen, die 1848 den schweizerischen Bundesstaat gegründet, ihn 1874 verbessert und über viele Jahrzehnte hinweg weiter entwickelt und auch bewahrt haben gegenüber allen Repressionen und Aggressionen des Auslandes (Deutschland), wobei sie in ihrem Einsatz zunehmend durch weitere bürgerliche Parteien, ja vor/im 2. Weltkrieg auch von der SP (1935: Abkehr von der „Diktatur des Proletariates“ {Generalstreik 1918}; Bekenntnis zur Landesverteidigung) verstärkt worden sind.]
May:
... Das Brexit-Votum sei eine „stille Revolution“ gewesen, in der sich die Briten für Einwanderungskontrollen und eine gerechtere Gesellschaft ausgesprochen hätten. Ihre Regierung werde dieses Votum umsetzen. May erklärte die Konservativen zur „Partei der einfachen Arbeiter“ (gegen das „enrichissez-vous“) und versprach eine stärkere Rolle des Staates, den man als Kraft des „Guten“ wahrnehmen solle.“"
[Jeder Staat (weltweit nur bei uns in der Schweiz kann das Volk Initiativen lancieren und darüber entscheiden) hat zu kommandieren, auch der Wirtschaft (der Staat ist nicht für die Wirtschaft da), indem das Parlament Gesetze erlässt (weltweit nur bei uns kann das Volk letztendlich darüber entscheiden - Referendum). Der Staat hat auch zu kontrollieren (National- / Ständeart; untergeordnet: Behörden und Ämter). Der Staat hat aber auch zu korrigieren: ändern, bestrafen; Gesetze ändern / erlassen) – Das heisst liberal sein! Es braucht einen starken Staat - Alles andere ist Mumpitz. Die, die pauschal gegen die Bürokratie wettern, wollen den Staat schwächen.]
„...“


3) „F.A.Z.“, Donnerstag den 06.10.2016 Politik 2
„Der große Bogen von links nach rechts“
"Premierministerin May lobt den starken Staat und den Arbeitnehmerschutz – streichelt aber auch die konservative Seele / Von Jochen Buchsteiner
LONDON, 5. Oktober. Schon als Theresa May im Juli in die Downing Street einzog, hatte sie viele überrascht. Statt den Brexit in den Mittelpunkt zu rücken, kündigte sie in ihrer ersten kurzen Ansprache einen sozialen Schwenk der konservativen Regierung an. Was genau sie unter ihrem Versprechen verstand, „nicht den Interessen der wenigen Privilegierten zu dienen, sondern den Interessen aller“, blieb den Sommer über unklar. Jetzt, zum Abschluss des Parteitages in Birmingham, nutzte sie ihre erste Grundsatzrede, um das Ziel zu konkretisieren – und überraschte mit ungewöhnlichen Tönen. Nach dem EU-Referendum gelte es, eine „neue Mitte“ zu besetzen, sagte sie und fuhr fort: „Wir werden die Balance in Britannien spürbar zugunsten der Arbeiter verändern.“

Das Brexit-Votum vom 23. Juni interpretiert sie als „stille Revolution“, in der vor allem die sozial Schwachen ...
[die von der Globalisierung vernachlässigten; Nichts ist unumkehrbar; Alles kann gestoppt, in andere Richtungen gelenkt werden. Nur die Profiteure behaupten, Globalisierung und ausschweifende Freihandelsverträge seien unaufhaltbar, seien das „Muss“ der Zukunft – Blödsinn]
May:
... zum Ausdruck gebracht hätten, „dass sie nicht bereit sind, sich länger ignorieren zu lassen“. Dem müsste ihre Regierung jetzt Rechnung tragen und sich entsprechend „verändern“. Sie wolle das Königreich in den kommenden Jahren zu einer stärker an Fairness und Leistung orientierten Nation machen, versprach sie und definierte einen „Wendepunkt in unserem Land“.

In Abkehr zur wirtschaftsliberalen Tradition der Tories betonte sie den Wert eines starken Staates. „Es ist Zeit, sich an das Gute zu erinnern, das ein Staat tun kann“, sagte sie. Wenn die Märkte nicht funktionierten ...
[die funktionieren wirklich nicht (enrichissez-vous: z.B.: Banken, das sind Personen: Banker; eine Betrügerei nach der andern; ebenso Volkswagen). „Märkte“, das sind keine Organe, das sind Personen - redliche, aber auch Gauner und Halunken. Es fällt immer schwer diesen, den Gaunern und Halunken das Handwerk zu legen; das geht nicht ohne Eingriffe, Kontrollen des „freien“ Marktes].
 May:
... müsse der Staat eingreifen und gegebenenfalls das Regelwerk verändern [korrigieren!]. Sie erwähnte in diesem Zusammenhang vermutete Preisabsprachen bei den Energie-Oligopolen sowie die mangelhafte Versorgung der ländlichen Gebiete mit Internetleitungen. Noch im vergangenen Wahlkampf war die Labour Party für ähnliche Forderungen von den Tories als ordnungspolitisch verantwortungslos kritisiert worden. Tief auf Labour-Territorium wagte sich May auch vor, als sie die Bedeutung von Arbeitnehmerschutz und Mitbestimmung von Arbeitnehmern in den Führungsetagen von Unternehmen hervorhob. ...
[Aufgrund der Beobachtungen in Deutschland – z.B. VW – ist dem auf keinen Fall zuzustimmen; Kapital ist das eine, Arbeit das andere. In Deutschland bräuchte es Magret Thatcher, die die schädliche Macht der Gewerkschaften brechen würde].
May:
... Sie wiederholte den Slogan von einem „Land, das für alle funktioniert“, und bezeichnete die Konservativen als „Partei der einfachen Arbeiter“.
Grimmig kam sie auf große Unternehmen zu sprechen, die Steuern vermieden, und auf Wirtschaftskapitäne, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht seien, ...
[das gilt auch für unser Land, die Schweiz, extrem bei den Bankern: „10vor10“ musste berichten, das gemäss einer Studie der Ethos-Stiftung in der Schweiz die Vergütungen (Löhne, Boni etc.) für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen der 100 grössten Unternehmen in den letzten drei Jahren um über 20% gestiegen sind, obschon deren Leistung abgenommen hat. Das ist – u.a. – die Folge von Seilschaften, von den Headhuntern gefördert]
May:
... „Das kann so nicht weitergehen“, sagte sie und versprach, gegen derartige Missstände „aufzustehen“. In einem Land, das den „Geist des Bürgersinns“ wieder in den Mittelpunkt rücken will, müssten sich alle an die Spielregeln halten. Steuerberater, die dazu beitrügen, der Gesellschaft das vorzuenthalten, was ihr zustehe, warnte sie: „Wir werden hinter Ihnen her sein.“ ...
[was Frau May nicht sagt, nicht zu sagen wagt: das englische Königshaus ist im persönlichen Besitz von Gebieten – Steuer“oasen“, eine absurde Wortschöpfung, „mitten“ in Grossbritannien; Isle of Man, die Kanalinseln – in denen den Gaunern, den Steuerhinterziehern Tür und Tor offen stehen.]
May:
... Als unverzichtbar bezeichnete sie einen starken Staat aber auch dort, wo es um Investitionen in die Infrastruktur gehe. Sie sei bereit, „große Entscheidungen“ zu treffen, und bekräftigte die Fortführung umstrittener Milliarden-Projekte wie den (mit chinesischer und französischer Hilfe entstehenden) Atommeiler in der Grafschaft Sommerset, die Hochgeschwindigkeitstrasse von London nach Birmingham und den „baldigen“ Ausbau der Londoner Flugkapazitäten; über Letzteren konnte sich die Partei unter Mays Vorgänger David Cameron sechs Jahre lang nicht einigen.
Oberstes Ziel ihrer Regierung, sagte May, sei es, das Vertrauen der Briten zurückzugewinnen. Mit deutlichen Worten hob sie sich von der Labour Party sowie von Unterstützern der EU ab. „Hören Sie nur, wie viele Politiker und Kommentatoren über die Öffentlichkeit sprechen: Sie finden deren Patriotismus geschmacklos, deren Sorgen über die Einwanderung provinziell, deren Sicht auf die Kriminalität illiberal ...
[typisches Beispiele wie der Begriff ‚liberal’ missbraucht wird – er muss noch zum Unwort des Jahres erklärt werden.]
May:
...deren Hängen an der Jobsicherheit unangebracht. Sie finden die Tatsache, dass 17 Millionen Menschen für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt haben, befremdlich.“
Damit hatte sie den Bogen zum rechten Flügel der Tories geschlagen, der den neuen Staatsinterventionismus nicht nur mit Sympathie begleitet. May versicherte, dass Britannien nach dem Brexit mehr Verantwortung in der Welt übernehmen werde. Mit viel Applaus wurde bedacht, was sie über die „besten Streitkräfte aller Zeiten“ sagte. Schon am Vortag hatte Verteidigungsminister Michael Fallon angekündigt, in künftigen Militärkonflikten die Europäische Menschenrechtskonvention für das Vereinigte Königreich außer Kraft zu setzen, um Klagen gegen britische Soldaten vorzubeugen. Jetzt schob May nach. „Wir werden diese aktivistischen linken Menschenrechtsanwälte nie mehr die Tapfersten der Tapferen belästigen lassen.“

Den Brexit, dem sie ihre ungleich kürzere Eröffnungsrede am Sonntag gewidmet hatte, streifte sie nur am Rande. „Wir haben einen Plan“, versicherte sie und wiederholte die Ankündigung, dass die Austrittsverhandlungen mit der EU spätestens im April beginnen würden. Mit ihrer Wortwahl gab sie das bisher deutlichste Zeichen dafür, dass ein Verbleib im Binnenmarkt als Verhandlungsziel in immer weitere Ferne rückt: „Wir verlassen (die EU), um ein vollständig souveränes und unabhängiges Land zu werden.“"


4) „F.A.Z.“, Donnerstag den 06.10.2016 Wirtschaft 17
„In Britannien kehrt der starke Staat zurück“
"Neue Töne auf dem Parteitag der Konservativen: Premierministerin Theresa May attackiert Unternehmenschefs und will „die Gerechtigkeit wiederherstellen“.
theu. LONDON, 5. Oktober. Es ist ein Satz, den in den vergangenen vier Jahrzehnten kein konservativer Premierminister in Großbritannien in den Mund genommen hätte: Der Staat müsse die freie Marktwirtschaft „reparieren“ [Korrigieren!], wenn diese nicht funktioniere, verkündete Theresa May am Mittwoch in einer Rede auf dem Parteitag der britischen Konservativen in Birmingham. In Großbritannien solle „die Gerechtigkeit wiederhergestellt“ werden. May attackierte zugleich Unternehmer, die auf Kosten der Mitarbeiter überzogene Dividenden kassierten: „Ich warne Sie, so kann das nicht mehr weitergehen“, sagte die Regierungschefin, die im Juli David Cameron abgelöst hat.

Der Kurswechsel ist unübersehbar: In Großbritannien ist der starke Staat zurück. Am deutlichsten wurde auf dem Parteitag George Freeman, der Chef der Strategieabteilung der Regierung. Wenn das Wirtschaftssystem Großbritanniens nicht rasch reformiert und für mehr soziale Gerechtigkeit gesorgt werde, drohten „antikapitalistische Ausschreitungen“, warnte Freeman in Birmingham. „Der Kapitalismus muss mehr in Partnerschaft mit dem Staat arbeiten“, forderte der Berater der Regierungschefin.

Im wirtschaftsliberalen Großbritannien sind das ziemlich ungewohnte Töne. Seit die „Eiserne Lady“ Margaret Thatcher in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts das damals marode Land mit einem radikalen Reformkurs wieder flottmachte, hat auf der Insel ein parteiübergreifender Grundkonsens geherrscht: Staatliche Interventionen in die Wirtschaft schaden im Zweifel mehr, als sie nutzen. Jetzt schwingt das Pendel zurück.
Die Premierministerin forderte auf dem Parteitag die Wirtschaft auf, weniger ausländische Arbeitskräfte einzustellen: Es gebe einen „gesellschaftlichen Vertrag“, der besage: „Bilden Sie zuerst einheimische junge Menschen aus, bevor Sie billige Arbeitskräfte aus dem Ausland einstellen.“ ...
[Erinnert sei an den kläglichen Versuch der FDP.Die Liberalen mit BDP und GKP im Schlepptau, eine Version Light zur „Rettung der Bilateralen“, die gar nicht gerettet werden müssen, da sie zurzeit gar nicht in Gefahr sind, unter Verfassungsbruch (Art. 121 a BV) durchzuboxen. Nun soll sich die FDP aufgrund von Reklamationen der Basis zu einer etwas stärkeren Version des Inländervorrangs bekennen.]
May:
... Die Regierung erwägt deshalb, Unternehmen dazu zu verpflichten offenzulegen, wie viele ausländische Arbeitnehmer sie beschäftigen. Viele Briten fürchten, dass der starke Anstieg der Einwanderung die Löhne drückt und Schulen und Krankenhäuser verstopft. In Zukunft würden diese Sorgen ernst genommen und nicht mehr als „provinziell“ abgetan, versicherte May.

Der staatliche Sparkurs der vergangenen Jahre ist ebenfalls passé: Der neue Schatzkanzler Philip Hammond kündigte eine „flexible und pragmatische“ Haushaltspolitik an und gab ein 5 Milliarden Pfund schweres Ausgabenprogramm zur Förderung des Wohnungsbaus bekannt.

Hammonds geschasster Amtsvorgänger George Osborne wollte bis Ende des Jahrzehnts einen staatlichen Haushaltsüberschuss erreichen. Doch dieses Ziel hat die Regierungschefin May schon im Sommer kassiert. „Wenn sich die Zeiten ändern, müssen auch wir uns ändern“, rechtfertigte Hammond nun den Kurswechsel. Nach dem Votum der Briten für den Austritt aus der EU wären die konjunkturellen Risiken des bisherigen Sparkurses zu groß.

May hat außerdem „eine ordentliche Industriepolitik“ angekündigt. Übernahmen wichtiger britischer Unternehmen durch ausländische Investoren sollen in Zukunft kritischer geprüft werden als bisher – auch das ein Bruch mit der wirtschaftsliberalen Grundlinie der vergangenen Jahrzehnte, in denen reihenweise heimische Großkonzerne ins Ausland verkauft wurden. Die Regierung will außerdem Unternehmen dazu verpflichten, Arbeitnehmer- und Verbrauchervertreter in ihre Verwaltungsräte aufzunehmen.

Dass mehr Staat in Großbritannien plötzlich wieder in Mode ist, hängt nicht zuletzt mit dem Brexit-Votum im Juni zusammen: Das Ergebnis des EU-Referendums ist auch ein Denkzettel für die politische und wirtschaftliche Elite des Landes, die vor allem im reichen London sitzt. „Es war nicht nur ein Votum dafür, das britische Verhältnis zur EU zu verändern, sondern auch die Art und Weise, wie dieses Land funktioniert“, sagte May. In kaum einem großen Industrieland hat sich die Schere zwischen Gewinnern und Verlierern der Globalisierung in den vergangenen Jahrzehnten so stark geöffnet wie in Großbritannien.

Ob die Regierungschefin ihre Versprechungen einlösen kann, ist allerdings offen: Die ungeliebten Wirtschaftsmigranten aus Ost- und Südeuropa beispielsweise sind momentan im britischen Arbeitsmarkt schwer wegzudenken. Im staatlichen Gesundheitsdienst NHS machen Einwanderer mehr als ein Drittel der Belegschaft aus. Aus Kostengründen hat der NHS in den vergangenen Jahren viel zu wenig eigenes Personal ausgebildet. Finanzminister Hammond wiederum hat wenig Spielraum für große Ausgabenprogramme: Das Haushaltsloch der Regierung ist noch immer gut 72 Milliarden Pfund groß. Der britische Staat soll wieder stärker werden – aber es fehlt das Geld, um ihn wesentlich größer zu machen."


5) „F.A.Z.“, Mittwoch den 05.10.2016 Finanzen 23
„Britische Aktien auf Rekordkurs“
"Robuste Wirtschaftslage nach dem Brexit-Votum / Schwächeres Pfund nützt der Exportindustrie"
"dmoh. FRANKFURT, 4. Oktober. Der britische Aktienindex FTSE 250 ist am Dienstag auf den höchsten Stand seiner Geschichte gestiegen. Auch der Leitindex FTSE 100 stieg um rund 2 Prozent und blieb mit 7122 Punkten nur einen Hauch unter seinem Rekord vom Frühjahr 2015. Der Dax wiederum liegt noch 20 Prozent unter seinem damaligen Rekordwert. Die starke Wertentwicklung britischer Aktien wird mit der guten Konjunkturlage in Großbritannien begründet. Am Montag war der Markit-Index für die Stimmung der britischen Industrie überraschend deutlich um 2,0 auf 55,4 Punkte gestiegen. Fachleute hatten mit einem Rückgang auf 52,1 Punkte gerechnet. Werte von mehr als 50 werden als Zeichen für eine Belebung des Wirtschaftswachstums gewertet. Der kurze Schreck nach dem Brexit-Votum am 23. Juni ist damit mehr als ausgeglichen. Damals war der Index kurz auf 48,2 Punkte zurückgefallen. Nun liegt er auf dem höchsten Niveau seit mehr als zwei Jahren.
Am Dienstag wurde die gute Konjunkturlage durch Daten aus der Bauindustrie bekräftigt. Auch hier stieg der Markit-Index, der auf Umfragen unter Unternehmen der Branche basiert, überraschend kräftig um 3,1 auf 52,3 Punkte. Auch hier hatten die meisten Volkswirte mit einem Rückgang gerechnet. Hilfreich dürften für die Branche Maßnahmen der britischen Regierung gegen die Wohnungsknappheit sein. Es sollen mehr Bauland ausgewiesen und vergünstige Kredite vergeben werden und so der Wohnungsbau mit etwa 5,75 Milliarden Pfund gestützt werden.
Der Wechselkurs der britischen Währung zeigte sich am Dienstag nochmals leicht schwächer. Für ein Pfund mussten zeitweise nur noch 1,1408 Euro gezahlt werden. Das waren 0,3 Prozent weniger als am Vortag und der tiefste Stand seit drei Jahren. Zum Dollar gab das Pfund auch leicht nach und notierte mit 1,2736 Dollar sogar auf dem tiefsten Stand seit 1985. Den Devisenmarkt beschäftigte vor allem die Einschätzung, die britische Regierung könne weniger Rücksicht als gedacht auf ihre Finanzindustrie nehmen. Auf dem Parteitag der konservativen Partei am Wochenende hatte Premierministerin Theresa May mit Sätzen wie die „Herrschaft des EU-Rechts über Großbritannien soll ein Ende haben“ einem relativ klaren Brexit ohne Hintertür das Wort geredet. Auch die Finanzindustrie müsse sich der neuen politischen Realität anpassen, sagte Parteikollege Steve Barker. „Lange Zeit wurde die City als privilegiert angesehen, nun geht es darum, als geeinigtes Königreich voranzuschreiten.“
Sollte der Finanzplatz London dadurch an Bedeutung verlieren, könnte dies auch das Pfund weiter schwächen. Dass dies nicht zum Schaden des Landes sein muss, zeigen die Reaktionen der Aktienmärkte, die ihren kurzen Brexit-Schreck schon wenige Tage später abgeschüttelt hatten. Geblieben ist nur das günstigere Pfund, das vielen Industrieunternehmen als hilfreiche Unterstützung auf den Exportmärkten gilt."

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