Egoisten der Straße
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom Samstag, den 18.03.2017;
von Alfons Kaiser
Da kamen sie wieder zusammen, die Helden der Autobahn.
Bei einem Auffahrunfall bei Mainz wurden im Feierabendverkehr am Donnerstag
zwei Menschen schwer verletzt. Polizei und Feuerwehr waren schnell zur Stelle,
oder besser: Sie wollten schnell zur Stelle. Denn was die Rettungskräfte auf
dem Weg zum Unfallort erlebten, spottet jeder Beschreibung. Einige Autofahrer
waren nicht bereit, eine Rettungsgasse zu bilden, weil sie sich in ihrem
Vorwärtsdrang zurückgesetzt fühlten. Andere nutzten die Gelegenheit, indem sie
sich direkt hinter die Rettungsfahrzeuge setzten – damit verbauten sie weiteren
Rettern den Weg. Erst am Tag zuvor war es auf der Autobahn5 aus den gleichen
Gründen zu einer verzögerten Rettung gekommen, als ein Arbeiter von einem
Gerüst auf die Autobahn gestürzt war. Und als ob das noch nicht genug wäre,
beschimpften die Blockierer auch noch die Rettungskräfte. Was für eine
Unverschämtheit!
Man kann Freunden
aus anderen Ländern schwer erklären, was auf deutschen Autobahnen los ist. Die
Gemengelage aus fahrerischem Ehrgeiz, wachsender Übermotorisierung und
blühendem Leichtsinn treibt Ausländern – aber nicht nur denen – den Schweiß auf
die Stirn. Niemand will dem Volk der Technikfreunde die Freude am Fahren
vermiesen. … Die Aggressionen in der Autonation sind geradezu körperlich spürbar.
1960 waren nur 4,5 Millionen Autos in Deutschland
zugelassen, heute sind es zehn Mal so viele. Es wird also enger, und die
Autobahnen sehen oft aus wie 1960. … .
Technische Überlegenheit und erhöhter Adrenalinspiegel
züchten den Egoismus heran. Das Gaffen ist mit der Handy-Fotografie schlimmer
geworden. Kaum jemand weiß, dass Rettungsgassen in der Straßenverkehrsordnung schon
dann vorgeschrieben sind, wenn der Verkehr nur stockt. Bisher ist das
Blockieren einer Rettungsgasse nur eine Ordnungswidrigkeit. Geldbuße: 20 Euro.
Man wird es so halten müssen wie mit dem Telefonieren am Steuer: Mehr Bußgeld
wird nicht alle abhalten, aber viele. Den Spaß am Auto wird es uns nicht
vermiesen.
Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, dass der wegen
des Dieselskandals von der Staatsanwaltschaft ins Visier genommene BMW-CEO Rupert
Stadler in einem Interview der „Weltwoche“ gesagt hat, dass es auf Deutschlands
Autobahnen keine Höchstgeschwindigkeit
brauche, denn der Verkehr würde elektronisch geregelt Nun, die Strecken, auf denen wegen eines
hohen Verkehrsaufkommens mittels Anzeigen eine Höchstgeschwindigkeit vorgeschrieben
wird sind wenige im Vergleich zum grossen deutschen Autobahnnetz. Viel mehr
Strecken müsste da reguliert werden, aber dazu fehlt in Deutschland der Wille und
das Geld – Milliarden fehlen den Deutschen für die Sanierung der Infrastruktur
und den Schulen.
Erinnert sei auch an die das beispiellose deutsche Vorgehen
allein die Ausländer – auch alle EU-Ausländer“ – für den Unterhalt der Autobahnen
bezahlen zu lassen. Die deutschen Medien stellen nicht die grundsätzliche
Frage, ob Ausländer durch die Maut diskriminiert
werden; nein, sie beschäftigen sich nur mit der Frage, ob überhaupt ein Gewinn resultiert.
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