Diesel vor dem Aus?
"Frontal 21" vom 27.02.2018; von Hans Koberstein und Felix Zimmermann; Link ganz unten
Das Bundesverwaltungsgericht in
Leipzig hat den Weg für Diesel-Fahrverbote in Deutschland freigemacht.
Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe. Deutsche Städte müssen nun mehr
gegen die Überschreitung der NO2-Grenzwerte tun.
So verhinderte etwa das unionsgeführte
Bundesverkehrsministerium (BMVI), dass Umweltverbände gegen
Kfz-Zulassungen und Verkäufe von dreckigen Dieselfahrzeugen klagen
können. Bei der Novellierung des sogenannten Umweltrechtsbehelfsgesetzes
forderte das Ministerium, Verbänden für derartige Klagen die Befugnis
zu verwehren. Das geht aus internen Regierungsdokumenten hervor, die
Frontal 21 vorliegen.
Der Umweltverband "BUND" kritisiert Einflussnahme
Danach verlangte Staatssekretär Rainer Bomba (CDU) in
einem Schreiben an das Bundesumweltministerium (BMU), dass
Umweltverbänden keine Klagebefugnis für die Überprüfung von
Produktzulassungen eingeräumt wird. Wörtlich heißt es: "Diese
Klarstellung ist für das BMVI mit Blick auf Typprüfgenehmigungen des
Kraftfahrt-Bundesamtes für Kfz bedeutsam." Das Schreiben ist datiert auf
den 9. März 2016, also etwa ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des
Dieselskandals. Tatsächlich wurde das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG)
im August 2017 im Sinne des BMVI novelliert, eine Klagebefugnis für
Produktzulassungen wurde nicht aufgenommen.
BUND-Präsident Hubert Weiger kritisiert die
Einflussnahme: "Das Bundesverkehrsministerium möchte sich offenbar der
demokratischen Kontrolle seiner Arbeit entledigen. Mit seiner Agitation
gegen die Klagebefugnis von Umweltverbänden sägt das Verkehrsministerium
an einem Grundpfeiler eines funktionierenden Rechtsstaates. Das ist
eines Bundesministeriums unwürdig." Umweltverbände wie der BUND und die
Deutsche Umwelthilfe wollen Behörden per Gerichtsurteil zwingen, die
Zulassung bestimmter Dieselautos zu widerrufen und einen Verkaufsstopp
anzuordnen. Ihr Argument: Viele der Fahrzeuge auf deutschen Straßen
würden mit verbotenen Abschalteinrichtungen fahren und deshalb mit
gefährlichen Abgasen die Gesundheit der Bevölkerung schädigen. Bisher
waren diese Klagen erfolglos, da die Verwaltungsgerichte den
Umweltverbänden die Klagebefugnis abgesprochen hatten.
Missachtung der Klagerechte für Umweltverbände
Das Umweltrechtsbehelfsgesetz regelt, wie Vereine und
Verbände gegen umweltrechtliche Entscheidungen von Behörden klagen
können. Grundlage ist die Aarhus-Konvention, die Deutschland ratifiziert
hat. Sie sieht umfangreiche Klagerechte für Umweltverbände vor. Die
fehlende Umsetzung in deutsches Recht bewertet Professor Gertrude
Lübbe-Wolff, ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht, als
"Missstand". Gegenüber Frontal 21 erklärte sie: "Im Umweltrecht ist es
wichtig, dass Verbände klagen können." Ansonsten sei es nicht möglich,
die betreffenden Rechtsnormen durchzusetzen und ihre Einhaltung vor
Gericht überprüfen zu lassen.
Das Bundesverkehrsministerium ließ eine Anfrage von Frontal 21 zu dem Schreiben unbeantwortet.
Das Bundesverkehrsministerium ließ eine Anfrage von Frontal 21 zu dem Schreiben unbeantwortet.