Eine ausgezeichnete Analyse – danke!
„Dieselskandal
Das Modell Deutschland steht unter
Druck“
Kommentar von Eric Gujer, Chefredaktor der „Neuen Zürcher
Zeitung“, vom Freitag, den 04.08.2017, 11:19 Uhr
(Fettschrift
/ Rottext von Rhönblick)
vgl. m/nachfolgenden Beitrag:
"Bild am Sonntag": "Volkswagen frisiert Rede von Ministerpräsident Stephan Weil"
von Björn Czieslik, vom Samstag, den 05.08.2017, 23:49
Link: http://www.bild.de/politik/inland/stephan-weil/wir-haben-die-rede-umgeschrieben-und-weichgespuelt-52776986.bild.html .
vgl. m/nachfolgenden Beitrag:
"Bild am Sonntag": "Volkswagen frisiert Rede von Ministerpräsident Stephan Weil"
von Björn Czieslik, vom Samstag, den 05.08.2017, 23:49
Link: http://www.bild.de/politik/inland/stephan-weil/wir-haben-die-rede-umgeschrieben-und-weichgespuelt-52776986.bild.html .
[Einschub zur konkreten Situation auf Deutschland Strassen:]
Dazu zwei Stimmungsbilder
aus deutscher Quelle – am Schluss:
1. „Audi ist die Keimzelle des
Volkswagens-Skandals („F.A.Z.“)
2. „War Bosch Teil eines
Abgaskartells?“ („F.A.Z.“)
"In der Automobilindustrie herrscht zwischen Management,
Gewerkschaften und Politik eine ungesunde Nähe. Bis zu Absprachen in der
Grauzone ist es da kein weiter Weg. Die deutsche Vorzeigebranche wird sich
ändern müssen.
Volkswagen ist
so etwas wie ein «volkseigener Betrieb». So verwundert es auch nicht, dass
Druck bisher nur von aussen kam.
«Made
in Germany» stand einmal für Wertarbeit und solide Leistung. Doch der Glanz verblasst, seit ausgerechnet
die Leitindustrie des Landes, der Autobau, vieles unternimmt, um das Vertrauen
in deutsche Ingenieurskunst zu zerstören. Seit über zwei Jahren breitet sich
der Abgasskandal wie ein unterirdischer Schwelbrand aus. Es vergeht kaum eine Woche
ohne negative Schlagzeilen. Hausdurchsuchungen, Strafverfahren und
Rückrufaktionen erst beim Volkswagen-Konzern und bei dessen Marken VW, Audi und Porsche, inzwischen auch bei Daimler. Die Premium-Hersteller stehen im
Verdacht, sich durch illegale Absprachen Wettbewerbsvorteile verschafft zu
haben. Sie präsentieren sich als Kartell, das lange
mit der Duldung der Politik rechnen durfte.
Epizentrum
Wolfsburg
Während
im Maschinenbau mittelständische Strukturen dominieren, ist die
Automobilwirtschaft von Konzernen geprägt. Sie stehen mit der starken Stellung
der Gewerkschaften, der ausgebauten Mitbestimmung in den Aufsichtsräten und den
engen Verbindungen zu Regierungen und Parteien idealtypisch für den deutschen
Korporatismus der Nachkriegszeit.
Das
Hochamt des politisch-industriellen Komplexes sind die mit grossem Getöse
inszenierten Gipfeltreffen in Berlin. Bei diesem Ritual stecken Regierung und
Wirtschaftsvertreter die Köpfe zusammen und simulieren wie jetzt am «Diesel-Gipfel» Handlungsfähigkeit und
Entschlossenheit.
Das Modell befindet sich indes in
einer Krise, die nicht zufällig ihren Ausgang in Wolfsburg nahm.
Es ist an der Zeit, den
Auto-Korporatismus durchzulüften. Der erste Schritt dazu ist einfach.
Denn Volkswagen ist so etwas wie
ein «volkseigener Betrieb», nur eben im Kapitalismus. Niedersachsen hält mit
einem Fünftel der Anteile eine Sperrminorität und ist mit dem
Ministerpräsidenten und dem Wirtschaftsminister prominent im Aufsichtsrat
vertreten. Andere Regeln sorgen dafür, dass auch die Gewerkschaftsvertreter im
Kontrollgremium missliebige Entscheidungen verhindern können. Lachender Dritter
dieser Konstellation ist das Management, das sich durch Kungeln mit Politik und
Arbeitnehmern ziemlich unabhängig von den Aktionären machen kann.
Für
Volkswagen ist es gleichgültig, ob SPD oder CDU den Kanzler stellen, denn in
Niedersachsen verteidigen beide Parteien gemeinsam die Wolfsburger
Sonderregeln. Genauso beherzt kämpft Berlin in Brüssel für die Interessen der
Branche, selbst wenn dabei das deutsche Lieblingsthema Klimaschutz unter die
Räder gerät.
So verwundert es auch nicht, dass
Druck bisher nur von aussen kam. Kalifornische Behörden entdeckten die
betrügerischen Manipulationen der Abgastests bei Dieselautos. Die EU-Kommission
nahm das VW-Gesetz aufs Korn, konnte sich aber gegen den Widerstand Berlins nur
teilweise durchsetzen.
Man will beim Walken des Filzes
unter sich bleiben. So sollen Volkswagen, Daimler und BMW laut Medienberichten
Bitten nichtdeutscher Autobauer abgelehnt haben, bei ihren Runden mitmachen zu
dürfen. Und selbst jetzt äussern die Regierungen der Auto-Bundesländer sowie
die Gewerkschaften nur zögerlich Kritik an den widerrechtlichen oder mindestens
fragwürdigen Praktiken.
Alle in einem
Boot
Es
ist an der Zeit, den Auto-Korporatismus durchzulüften. Der erste Schritt dazu
ist einfach. Die in der grossen Koalition vertretenen Parteien können das
VW-Gesetz abschaffen und im Volkswagen-Aufsichtsrat für Frischluft sorgen. Auf
einen Schlag wären drei der fünf wichtigsten deutschen Automarken – VW, Audi
und Porsche – in eine echte Marktwirtschaft entlassen. Dies wäre auch ein
unmissverständliches Signal an die anderen Autobauer, dass die Ära der komplizenhaften Nachsicht vorbei ist. Dazu wird es allerdings nicht kommen, weil CDU wie SPD den
Konflikt mit den Gewerkschaften scheuen und überdies ungern Macht aus der Hand
geben.
Ausserdem steht der deutsche
Sonderweg beim Klimaschutz mit überstürztem Atomausstieg, rekordhohen
Subventionen für Ökostrom und einer religiösen Verehrung des Dieselmotors unter
Druck. Die «Energiewende» hat bisher rund 150 Milliarden Euro gekostet, dennoch
sind die Treibhausgasemissionen in jüngster Zeit gestiegen. Zudem hat das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem
allerdings noch nicht rechtskräftigen Urteil für Diesel-Fahrverbote plädiert,
um die Stickoxidbelastung in Innenstädten zu senken. Die Kanzlerin Angela
Merkel kann jeden Verbündeten gebrauchen, um ihre Energiestrategie zu retten.
Wieder sitzen Industrie und Politik im selben Boot.
Die helvetische Vorzeigebranche,
die Finanzindustrie, musste ebenfalls erleben, wie schmerzhaft ein
Mentalitätswandel sein kann. Seit den neunziger Jahren und der Kontroverse um
nachrichtenlose Vermögen lieferte die Branche ein zähes Rückzugsgefecht,
um das Bankgeheimnis zu retten. Auch der Bundesrat wollte nicht wahrhaben, dass
der Wind gedreht hatte. «Am Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne
ausbeissen», schwor im Jahr 2008 Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Der
Informationsaustausch kam dennoch. Die Statements des deutschen Verkehrsministers und der
Auto-Manager klingen heute ähnlich wie damals die Durchhalteparolen
aus Bern.
Die Schweiz ist jedoch bedeutend besser diversifiziert
als Deutschland. Kriselt es in der deutschen Automobilindustrie, dann schlottert
Frau Merkel.
[Einschub zur konkreten Situation auf Deutschland
Strassen:
Denn - in
Deutschland ist alles nach dem Auto ausgerichtet. Man könnte meinen, die
Deutschen würden mit einem Auto zur Welt kommen. Sie, vor allem aber ihre die
Politiker-Kaste übersehen geflissentlich, dass der Mensch sich hauptsächlich zu
Fuss bewegt. Es gibt in Deutschland praktisch keine Fussgängerstreifen. Und wo
es solche gibt, regeln sie häufig nicht den Verkehr an der Kreuzung, sondern
nur den Fussgängerübergang. Zudem sind sie sehr oft mit einem Lichtsignal
abgesichert, denn die Deutschen, wenn sie einmal in ihrem Wagen sitzen,
übersehen geflissentliche die Fussgänger. In der „Rhein-Neckar-Zeitung“ („RNZ“) ist vor gut einem Jahr ein Bild
erschienen, auf dem Schüler, betreut von einem Polizisten vorsichtig zwischen
den geparkten Wagen auf die Strasse gucken, um rechtzeitig zu erkennen, wenn es
eine Lücke im rollenden Verkehr gibt, so dass sie über die Strasse springen können
ohne überfahren zu werden. Tötet ein Lastwagenzug einen auf dem Fahrrad
fahrenden Schüler, weil der Lastwagen zu nahe an ihm vorbeifährt so ist das
nach dem Bürgermeister, der völlig unkorrekt der Polizei vorgreift – ein
nachvollziehbares Ereignis (dem Sinne nach zitiert). Die „RNZ“ hat darüber berichtet. So
werden in Deutschland die Deutschen und nun auch die Migranten von Kindesbeinen
an auf das Primat der Autos programmiert. Versteht sich, dass sie dann,
wenn sie erwachsen sind, sich wie geschildert verhalten.
Wie überall: Ausnahmen bestätigen die Regel.
Trottoirs
(hier „Gehsteige“ genannt) können auch innerhalb von Ortschaften total fehlen
oder sie sind so schmal, dass Kinderwagen schiebende Personen auf die Strasse
ausweichen müssen. Meistens sind sie von parkenden Autos überstellt, so dass
kaum mehr ein Durchkommen ist.
Die Deutschen (w./m.) haben in den bessern Wohnlagen Garagen, aber die sie zum weitaus
grössten Teil zweckentfremdet. Der Deutsche parkt seinen Audi, seinen BMW, seinen
Daimler, seinen Porsche, seinen VW vor dem Haus auf der Strasse, denn der Garagenvorplatz
ist in sehr vielen Fällen viel zu kurz, ja er kann überhaupt fehlen. In
besseren Wohnquartieren parken auf beiden Seiten die Cabriolets und die
Limousinen, so dass gerade noch eine Spur frei bleibt für den fahrenden
Verkehr. Der Deutsche (w./m.) definiert sich zu einem grossen Teil durch sein Auto:
Das Auto soll seinen sozialen Status markieren:
Es ist manchmal sehr erstaunlich, was für Personen diesen Wagen, die 50'000 Euro
oder mehr kosten, entsteigen.
Die Deutschen (w./m.) parken wo und wie es ihnen gerade
passt. Man ist geneigt sie zu fragen, ob sie nicht auch so ihre Notdurft
verrichten möchten. Die Verbots- und Gebotssignale
sind für die Ausländer da. Das sind ja auch die, die Maut bezahlen müssen. Die Autobesitzer mit einem deutschen
Kontrollschild sind da fein raus. (Ich bekomme sogar Geld zurück, weil ich
einen Wagen fahre der die Euro-6-Norm ohne Wenn und Aber erfüllt). Die Polizei hat – wohl absichtlich – einen
so geringen Personalbestand, dass sie sie sich kaum den Verkehrsübertretungen
widmen kann. Auch Diebstahl und Einbruchdiebstähle gehen unter ferner liefen. (Wir
sind davon bisher verschont geblieben). So sehr haben die Ministerpräsidenten der Länder – sie haben in Deutschlands
„Demokratie“ das Sagen und nicht das Parlament (in Deutschland: Landtag) –
Personal entlassen, dass es landauf, landab an Polizisten, Richtern und anderem
Justizpersonal fehlt. Dies in einer Zeit, da Merkels Flüchtlings(un)wesen
Deutschland umtreibt.
Die deutschen Strassen
aller Kategorien sind in einem morbiden Zustand. Sehr vielen Strassen fehlt der vor Frostschäden schützende notwendige Unterbau.
Daher platzen im Winter die Strassenbeläge der Frostbeilen wegen auf – generelle
Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 30 km/h werden signalisiert (sonst geschieht
nichts), damit die Gemeinde (hier: Kommune), der Kreis (bei uns: Bezirk), der
Bezirk (bei uns: Kanton), das Land (entspricht der Schweiz) keine Schäden wegen
des schlechten Strassenzustandes bezahlen muss. Im Sommer schieben sich die Betonplatten
(Heidelberg Zement) der Hitze wegen übereinander und es kommt zu sehr gefährlichen
Wülsten. Trassenzüge (Autobahnabschnitte) müssen gesperrt werden. Von der
grossen Zahl an maroden Brücken, Über- und Unterführungen wollen wir gar nicht
reden. Zur Sanierung der
Verkehrsinfrastruktur bräuchte Deutschland, bräuchten die Länder nach
offiziellen Schätzungen dringend Milliarden im zweistelligen Bereich. Jetzt,
vor den Bundestags-Wahlen kann es nicht genug Baustellen geben. Aber in einigen
Wochen und Monaten lässt sich die jahrelange (Merkel ist seit 2005 im Amt)
Vernachlässigung nicht beheben.
Die Sanierung eines
Strassenzuges (Kanalisation, Strassenunterbau, Belag) über wenige hundert
Meter dauert sicher ein Jahr – es gibt Arbeitstage, da arbeitet niemand auf
dieser Baustelle. Den Bewohnern ist die Zufahrt abgeschnitten: die können dankbar
sein, wenn die Strasse saniert wird. Der Fussgänger muss mitten in den Bauarbeiten
sich zwischen den Baumaschinen seinen Weg suchen; wehe, wenn es regnet. Der
Kanton Aargau hat bei der grossen Sanierung seines A1-Abschnittes den Strassenbauunternehmen
eine Prämie bezahlt, wenn ein Abschnitt vor dem Termin wieder dem Verkehr
übergeben werden konnte. Bei uns wird in dringenden Fällen auch in der Nacht, am
Samstag, ja am Sonntag gearbeitet. Hier dagegen hat man den Eindruck, dass die
Strassenbaunternehmen alles Interesse haben, die Sanierung, den Abschuss der Bauarbeiten
möglichst lange hinauszuzögern.
Deutschland leistet sich den Luxus, dass auf den Autobahnen grundsätzlich keine
Höchstgeschwindigkeiten gelten, damit sich die Autobesitzer der
Nobelklassen so richtig dem Exzess hingeben können: Beispiele; Link: https://www.heise.de/autos/artikel/Liga-der-Leistungstraeger-25-Serienautos-mit-500-PS-und-mehr-435896.html .
Der CEO von Audi, Rupert Stadler, der nun endlich auch von den deutschen Medien ins
Visier genommen wird, weil bei Audi es nun doch zu arg stinkt (siehe: „Audi –
Keimzelle des VW-Skandals“, weiter unten) – entlassen wird zwar nicht er,
sondern vier Mitglieder der von ihm geführten Unternehmensleitung – hatte, es
ist schon einige Zeit her, einer naiven „Weltwoche“-Frau
– die „Weltwoche“ an sich ist keineswegs
naiv – in einem Interview erklärt, es bräuchte in Deutschland keine Höchstgeschwindigkeit
auf Autobahnen wie in der Schweiz, in Frankreich, in Italien usw., denn die Geschwindigkeit
würde auf den deutschen Autobahnen elektronisch geregelt und das sei viel
effektvoller. Nun, solche Autobahnabschnitte sind mit der Lupe zu suchen; so
zum Beispiel auf wenigen Kilometern auf der A 3 im Raum Würzburg. Herr Rupert Stadler wusste natürlich, dass er nicht die Wahrheit sagte, aber
das war ihm schnuppe, denn auch Frau Angela
Merkel, nach der sich im offiziellen
Deutschland alles auszurichten hat, hatte schon vor ihm erklärt, unter ihr gebe
es keine grundsätzliche Beschränkung der Geschwindigkeit auf Autobahnen (z.B.
130 km/h), sie ziehe die elektronische Verkehrsregelung vor. Schön und gut –
nur gibt es die nur auf einigen wenigen Strecken. Ich meine, meine!, dass es
auf deutschen Autobahnen mehr Abschnitte gibt, auf denen mit festen
Signaltafeln 130 km/h oder 120 km/h vorgeschrieben werden, als elektronische
Geschwindigkeitsanzeigen – meist an „Brücken“ über der Autobahn montiert – bei
denen variable, der Situation angepasste Höchstgeschwindigkeiten angezeigt
werden können.
Zu Rupert Stadler, einem typischen
deutschen Manager, CEO eines deutschen Grossbetriebes siehe den kritischen
Artikel aus der führenden deutschen Zeitung, der “Frankfurter Allgemeine
Zeitung“ vom Samstag den 29.07.2017 – am Schluss.
Immerhin, die
Grünen in Baden-Württemberg haben erreicht, dass viele Bundestrassen-Abschnitte,
auf denen mit maximal 100 km/h gefahren werden kann, nun nur noch mit 70 bzw.
80 km/h befahren werden können. Allerdings, wie kann das bei Grünen anders
sein, haben sie mit der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h in vielen Fällen
übertrieben: 30 wegen „schlechtem Straßenzustand“,
30 zeitlich begrenzt wegen der „Nachtruhe“,
30 wegen der „Lärmbelastung“ (also
auch tagsüber), 30, ja 10 mit Blitzer wegen „Schule“.
Da gibt
es an der B 31 am Bodensee einen Ort, Hagnau,
durch eine praktisch nie abreissende Kolonne von Last- und Personenwagen und Traktoren
und Motorrädern sich wie ein Lindwurm mit 30 durch den ganzen Ort wälzt - wegen
Lärmbelästigung.]
Evolution
statt Disruption
Alle Welt redet von Disruption,
von der schlagartigen Veränderung, die selbst unbesiegbar erscheinende
Unternehmen untergehen lässt. Tatsächlich ist Evolution viel häufiger. Die
deutschen Autobauer werden noch lange Geld verdienen. Aber sie haben die
Flammenschrift an der Wand ignoriert, weil sie ihr eingeführtes und gut
funktionierendes Geschäftsmodell schützen wollten.
Sie setzten auf effiziente
Dieselaggregate und unterschätzten die Bedeutung anderer Antriebsformen,
ob Elektro oder Wasserstoff. Sie mochten nicht glauben, dass
nicht nur in Kalifornien, sondern auch in der Daimler-Kapitale Stuttgart der
Gesundheitsschutz an erster Stelle rangieren könnte. Und sie werden begreifen
müssen, dass sogar die Nibelungentreue der Politik endlich ist.
Vor allem aber erkannte die
Autoindustrie erst spät, dass autonomes Fahren die Mobilität stärker umgestalten
wird als jeder andere Trend, das Ende des Verbrennungsmotors
eingeschlossen. Ihrem eigenen Anspruch,
Innovationsführer zu sein, werden sie nicht gerecht; sie sind bei der
Erforschung des Auto-Piloten allenfalls auf Augenhöhe mit Newcomern und
branchenfremden IT-Firmen. Wiederholt sich die Geschichte des
Premium-Elektroautos, das von Tesla stammt statt von einem der Platzhirsche aus
Ingolstadt oder Zuffenhausen?
Die Mobilität entwickelt sich
evolutionär. So wie das Bankgeheimnis nicht über Nacht fiel, werden Diesel und
Benziner noch länger auf den Strassen fahren, als manche prognostizieren. Aber der Wandel kommt, und er lässt sich
nicht aufhalten – auch nicht mit Kartellen und Betrug."
Dazu zwei Stimmungsbilder aus
deutscher Quelle:
1. „Audi ist die Keimzelle des
Volkswagens-Skandals“
„F.A.Z.“ vom Samstag, den 29.07.2017
(da geht es um Herrn Rupert Stadler)
Dieselbetrug,
Razzia, Entwickler in U-Haft: bei Audi geht es drunter und drüber. Und der
Vorstand macht einfach weiter. Von Henning Peitsmeier
MÜNCHEN, 28. Juli
Im aktuellen Halbjahresbericht hat Rupert Stadler am Freitag den „lieben Aktionärinnen und Aktionären“
ein besonderes Versprechen gegeben: „Mit
all unseren Produkten und Dienstleistungen wollen wir unseren Kunden das Leben
erleichtern und ihnen persönliche Freiräume eröffnen“, schrieb der
Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler im
Vorwort. Dass Audi aber gerade 850000 Dieselkunden das Leben erschwert, ihnen
Freiräume raubt, weil sie mit ihren manipulierten Audis demnächst in die
Werkstatt zu einem Software-Update müssen [das nach Ansicht der Fachleute, wie Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Universität Duisburg-Essen
nichts bringt], erwähnte CEO
Stadler nicht. Der Rückruf aller Sechs- und Achtzylinder-Dieselmotoren der
Abgasnormen EU 5 und EU 6, das ist dem Zwischenbericht zu entnehmen, werde zu
„insgesamt überschaubaren Kosten“ führen, für die bilanzielle Risikovorsorge
gebildet worden sei. Es sind jene von
Audi entwickelten Drei-Liter-Motoren, die auch im Porsche Cayenne TDI verbaut
werden, für den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Donnerstag
einen Verkaufsstopp verhängt hat.
Die
Tochtergesellschaft Audi gilt als Keimzelle für die Entwicklung der zur
Verschleierung von Dieselabgasen nötigen Betrugssoftware, die in mehr als 11
Millionen Autos des Volkswagen-Konzerns eingesetzt worden ist. Deshalb steht
der Vorstand, vor allem der CEO, Rupert Stadler, erheblich unter Druck. Stadler, der lange die Manipulationen
geleugnet hat und später, als immer mehr Ungereimtheiten aus der
Entwicklungsabteilung ans Licht kamen, von allem nichts gewusst haben will,
muss um seinen Posten fürchten. [Rupert
Stadler muss weg: besser schon gestern als erst morgen - er muss weg!] Wenn
Ende September der Aufsichtsrat zusammentritt, werde die Personalie diskutiert,
heißt es. Und längst werden mit dem früheren Opel-Chef Karl-Thomas Neumann und
dem Seat-Chef Luca de Meo geeignete Nachfolger gehandelt. Nicht nur Stadler, auch die Vorstandskollegen
Hubert Waltl, Axel Strotbek und Dietmar Voggenreiter sind umstritten.
Am Freitag kochten die Namensspekulationen abermals hoch. Der
erwartete Vorstandsumbau rückt Insidern zufolge in greifbare Nähe. Vier von sieben Vorständen [aber nicht Herr
Stadler, der Audi-CEO, der über das Walten und Schalten des Vorstandes Bescheid
wissen muss und dafür verantwortlich ist] müssten in Kürze ihre Posten räumen,
sagten mehrere Personen der Agentur Reuters. Das „Manager-Magazin“ berichtete,
dass Finanzvorstand Strotbek, Produktionschef Waltl, Vertriebsvorstand
Voggenreiter und Personalvorstand Thomas Sigi vor der Ablösung stünden. In
der Konzernzentrale in Ingolstadt geht es nicht erst seit der Razzia durch die
Staatsanwaltschaft Mitte März, am Tag der Bilanzpressekonferenz, drunter und
drüber. Überall laufen die Untersuchungen, werden Mitarbeiter verhört, sind
ganze Abteilungen verunsichert. Aber immerhin nach außen steht die Fassade. In
dem am Freitag vorgelegten Halbjahresbericht erweckt der Audi-Vorstand Rupert Stadler den Eindruck, alles
laufe nach Plan. Tatsächlich sind die Spuren des Dieselbetrugs noch nicht
richtig in der Audi-Bilanz sichtbar. Dass in den ersten sechs Monaten mit
909000 Audi-Modellen gut 5 Prozent weniger ausgeliefert wurden, hat allein mit
hausgemachten Vertriebsschwierigkeiten in China zu tun, nicht aber mit bereits
zurückgehenden Dieselverkäufen auf dem Heimatmarkt. Noch stimmen die Zahlen: Im
zweiten Quartal stieg das operative Ergebnis um gut 5 Prozent auf knapp 1,44
Milliarden Euro. Der Umsatz nahm weniger stark auf 15,8 Milliarden Euro zu, so
dass sich die operative Rendite auf rund 9,1 Prozent verbesserte. Selbst in
Amerika lief es besser.
Dabei nahm jenseits des Atlantiks der Dieselskandal seinen Anfang.
Wie jetzt bekanntwurde, sollen
Audi-Techniker schon im Oktober 2013 ausdrücklich auf mögliche hohe Geldbußen
wegen der Dieselmanipulationen in den Vereinigten Staaten hingewiesen haben.
Das Kernrisiko bestehe in einer Aufdeckung der betreffenden Software durch
amerikanische Behörden, heißt es demnach in einem elfseitigen Dokument, in dem
auch exakt beschrieben wurde, wie die Audi-Software die Abgasmessungen genau
manipuliert. Eines dieser Programme galt als „Defeat Device“, also als illegale
Abschalteinrichtung. Sie war unter Audi-Ingenieuren jahrelang
Gesprächsthema. Schon 2007 hatte ein
Techniker seinen Kollegen mitgeteilt, dass man „ganz ohne Bescheißen“ die
strengen Grenzwerte in den Vereinigten Staaten nicht einhalten könne. Ein
Jahr darauf soll ein anderer Mitarbeiter einen mittlerweile angeklagten
ehemaligen Audi-Manager gewarnt haben: Die „Dosierstrategie“ sei eine
Abschaltvorrichtung und in den Vereinigten Staaten „nicht zertifizierbar“.
Im November 2015 machte die amerikanische Umweltbehörde EPA klar,
dass die Motoren mit einer illegalen Software arbeiteten. Inzwischen ermitteln auch hierzulande die Behörden, ein früherer
Motorenentwickler sitzt in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft München II
wirft dem Audi-Ingenieur Betrug und unlautere Werbung vor. Er soll bei Audi
neben anderen Beschuldigten dazu beigetragen haben, die amerikanischen
Umweltbehörden jahrelang mit manipulierten Schadstoffwerten über den wahren
Abgasausstoß der fraglichen 83000 Drei-Liter-Dieselmotoren zu täuschen.
Seine Aussagen können für den Audi-Vorstand durchaus brisant sein, sollte sich
in den weiteren Ermittlungen der
Münchner Strafverfolger herausstellen, dass die Motoreningenieure auf Anweisung
gehandelt haben. Der Anwalt des
Beschuldigten erklärte schon, dass sein Mandant nicht die
unternehmenspolitische Entscheidung treffen konnte.
Audi wollte wegen laufender Ermittlungen nicht Stellung nehmen.
Man arbeite aber „vollumfänglich mit den
Ermittlungsbehörden zusammen“, hieß es. Ähnlich formuliert es auch
Vorstandschef Stadler in seinem Vorwort: „Lückenlose
Aufklärung der Vergangenheit ist für uns eine zentrale Aufgabe.“ Das genügt
Rupert Stadler in der Rückschau.
2. „War Bosch Teil eines
Abgaskartells?“
„F.A.Z.“ vom Samstag, den 29.07.2017
Niemand
liefert mehr Dieseltechnik als der Stuttgarter Konzern
sup. STUTTGART, 28. Juli. Die Kartellvorwürfe gegen die deutsche
Autoindustrie erfassen nun auch den Zulieferer Bosch. Während einer gemeinsamen
Sitzung mit den Autoherstellern im Jahr 2008 sollen Mitarbeiter des Stuttgarter
Konzerns in einer „OEM Task Force“ genannten Runde einen Vorschlag gemacht
haben, wie Probleme mit der Abgasreinigung von Dieselmotoren schnell und
kostengünstig gelöst werden könnten. Das berichtet die „Bild am Sonntag“.
Bosch, der weltweit größte Lieferant von Dieseltechnologie, wollte den
Kartellverdacht nicht kommentieren: „Wir kennen den Vorgang bislang lediglich
aus der Berichterstattung“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Und:
„Es liegen uns diesbezüglich keinerlei Anfragen von deutschen oder europäischen
Wettbewerbsbehörden vor.“ Der jetzt von der „Bild am Sonntag“ beschriebene
Kartellverdacht dreht sich um eine Veranstaltung, bei der Vertreter der
Autobranche über problematische Ablagerungen der Harnstofflösung Adblue
diskutierten. Diese Ablagerungen können bei der Aufspaltung des Stickstoffs
entstehen und zu schweren Schäden am Motor führen.
Das Problem war drängend – denn die deutschen Hersteller wollten
ihren Diesel in Amerika endlich zum Erfolg führen. „2008 wird das Jahr des
Clean-Diesel-Durchbruchs“, jubelte Matthias Wissmann, auch damals schon
Präsident des Branchenverbands VDA, mit Blick auf Amerika. Im Herbst 2007
hatten VW und Audi gemeinsam mit Bosch beim „German Tec Day“ schon den
Marktstart des sauberen Diesels im Jetta für das Frühjahr 2008 angekündigt. Geklappt
hat das nicht: Der Jetta, ein in Amerika sehr beliebtes VW-Modell, kam mit
seinem neuen Dieselmotor erst im August auf den Markt. Schneller ging es
offenbar nicht.
Die Autohersteller hatten damals durchaus Lösungen entwickelt, um
die schädlichen Adblue-Ablagerungen zu vermeiden, und diese wurden in der
Diskussionsrunde auch als „effektiv“ bezeichnet. Jedoch seien sie „mit
erheblichen konstruktiven Anpassungen verbunden“, wie die „Bild am Sonntag“ aus
einer E-Mail an den damaligen Chef-Motorenentwickler von Audi, Wolfgang Hatz,
zitiert.
Sprich: Die Clean-Diesel-Kampagne war in Gefahr. Als „kleinere
Maßnahme zum Anlauf“ soll Bosch daher den Einsatz eines Dosiermoduls mit
verkleinertem Spraywinkel vorgeschlagen haben. Ob damit die Abgase noch ausreichend
gereinigt werden können, müsse allerdings noch geprüft werden, heißt es in dem
Schreiben aus dem Jahr 2008. Außerdem wird in der E-Mail berichtet, dass die
Teilnehmer der „OEM Task Force“ versichert hätten, das Thema gegenüber den
amerikanischen Umweltbehörden EPA und CARB nicht zu erwähnen.
Kartellvorwürfe gegen die Autohersteller stehen seit einer Woche
im Raum. Volkswagen, Audi und Porsche sowie Daimler und BMW sollen sich laut
einem Bericht des „Spiegels“ seit den neunziger Jahren in zahlreichen geheimen
Arbeitsgruppen abgesprochen haben. Der Name Bosch taucht in diesem Zusammenhang
in einem Schriftsatz von Volkswagen auf, den der Wolfsburger Konzern vergangene
Woche dem Bundeskartellamt übermittelt hat. Bosch ist der größte Hersteller von
Dieseltechnologie und erzielt mit den in diesem Bereich 50000 beschäftigten
Mitarbeitern Milliardenumsätze im Geschäft mit beinahe allen Autoherstellern.
Entsprechend stark ist der Zulieferer in den Dieselskandal verwickelt, der mit
der Entdeckung einer Abschaltsoftware in VW-Autos vor knapp zwei Jahren
ausgelöst wurde. Gegen Bosch ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart
wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Betrug, sowohl im Fall VW als auch im
Kontext mit Daimler, wo seit diesem Frühjahr ebenfalls wegen Abgasmanipulationen
ermittelt wird.
Während es bei Bosch zu dem neuen Kartellverdacht heißt, es gebe
„diesbezüglich“ keine Anfragen der Wettbewerbsbehörden, ist der Zulieferer
gleichwohl in mehreren Fällen auch wegen Kartellbildung belangt worden, so in
Brasilien und in den Vereinigten Staaten.
Aktuell laufen noch Ermittlungen der europäischen Kartellbehörden
im Kontext mit mutmaßlich großangelegten Absprachen unter Autozulieferern zu
verschiedenen Produkten. Bosch rechnet mit einer Bestrafung, was sich daran
zeigt, dass das Unternehmen dafür Vorsorge in der Bilanz getroffen hat.
Insgesamt hat Bosch Rückstellungen über 1,1 Milliarden Euro gebildet, womit
sowohl Kartellstrafen als auch Zahlungen im Kontext mit dem Dieselskandal
abgegolten werden können. Bosch hat in einem Vergleichsverfahren in Amerika
schon 300 Millionen Euro Zahlungen an VW- und Audi-Käufer zugesagt, ohne
Anerkennung einer Schuld, wie stets betont wurde.
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