Freitag, 4. August 2017

"NZZ" - eine ausgezeichnete Analyse der Deutschen Automobilindustrie!


Eine ausgezeichnete Analyse – danke!

„Dieselskandal
Das Modell Deutschland steht unter Druck“

Kommentar von Eric Gujer, Chefredaktor der „Neuen Zürcher Zeitung“, vom Freitag, den 04.08.2017, 11:19 Uhr
(Fettschrift / Rottext von Rhönblick)

 vgl. m/nachfolgenden Beitrag:
"Bild am Sonntag": "Volkswagen frisiert Rede von Ministerpräsident Stephan Weil"

von Björn Czieslik, vom Samstag, den 05.08.2017, 23:49

Link: http://www.bild.de/po​litik/inland/stephan-​weil/wir-haben-die-re​de-umgeschrieben-und-​weichgespuelt-5277698​6.bild.html .

[Einschub zur konkreten Situation auf Deutschland Strassen:]
Dazu zwei Stimmungsbilder aus deutscher Quelle – am Schluss:
1.    „Audi ist die Keimzelle des Volkswagens-Skandals („F.A.Z.“)
2.    „War Bosch Teil eines Abgaskartells?“ („F.A.Z.“)


"In der Automobilindustrie herrscht zwischen Management, Gewerkschaften und Politik eine ungesunde Nähe. Bis zu Absprachen in der Grauzone ist es da kein weiter Weg. Die deutsche Vorzeigebranche wird sich ändern müssen.

Volkswagen ist so etwas wie ein «volkseigener Betrieb». So verwundert es auch nicht, dass Druck bisher nur von aussen kam.
«Made in Germany» stand einmal für Wertarbeit und solide Leistung. Doch der Glanz verblasst, seit ausgerechnet die Leitindustrie des Landes, der Autobau, vieles unternimmt, um das Vertrauen in deutsche Ingenieurskunst zu zerstören. Seit über zwei Jahren breitet sich der Abgasskandal wie ein unterirdischer Schwelbrand aus. Es vergeht kaum eine Woche ohne negative Schlagzeilen. Hausdurchsuchungen, Strafverfahren und Rückrufaktionen erst beim Volkswagen-Konzern und bei dessen Marken VW, Audi und Porsche, inzwischen auch bei Daimler. Die Premium-Hersteller stehen im Verdacht, sich durch illegale Absprachen Wettbewerbsvorteile verschafft zu haben. Sie präsentieren sich als Kartell, das lange mit der Duldung der Politik rechnen durfte.

Epizentrum Wolfsburg
Während im Maschinenbau mittelständische Strukturen dominieren, ist die Automobilwirtschaft von Konzernen geprägt. Sie stehen mit der starken Stellung der Gewerkschaften, der ausgebauten Mitbestimmung in den Aufsichtsräten und den engen Verbindungen zu Regierungen und Parteien idealtypisch für den deutschen Korporatismus der Nachkriegszeit.
Das Hochamt des politisch-industriellen Komplexes sind die mit grossem Getöse inszenierten Gipfeltreffen in Berlin. Bei diesem Ritual stecken Regierung und Wirtschaftsvertreter die Köpfe zusammen und simulieren wie jetzt am «Diesel-Gipfel» Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit.
Das Modell befindet sich indes in einer Krise, die nicht zufällig ihren Ausgang in Wolfsburg nahm.
Es ist an der Zeit, den Auto-Korporatismus durchzulüften. Der erste Schritt dazu ist einfach.
Denn Volkswagen ist so etwas wie ein «volkseigener Betrieb», nur eben im Kapitalismus. Niedersachsen hält mit einem Fünftel der Anteile eine Sperrminorität und ist mit dem Ministerpräsidenten und dem Wirtschaftsminister prominent im Aufsichtsrat vertreten. Andere Regeln sorgen dafür, dass auch die Gewerkschaftsvertreter im Kontrollgremium missliebige Entscheidungen verhindern können. Lachender Dritter dieser Konstellation ist das Management, das sich durch Kungeln mit Politik und Arbeitnehmern ziemlich unabhängig von den Aktionären machen kann.

Für Volkswagen ist es gleichgültig, ob SPD oder CDU den Kanzler stellen, denn in Niedersachsen verteidigen beide Parteien gemeinsam die Wolfsburger Sonderregeln. Genauso beherzt kämpft Berlin in Brüssel für die Interessen der Branche, selbst wenn dabei das deutsche Lieblingsthema Klimaschutz unter die Räder gerät.
So verwundert es auch nicht, dass Druck bisher nur von aussen kam. Kalifornische Behörden entdeckten die betrügerischen Manipulationen der Abgastests bei Dieselautos. Die EU-Kommission nahm das VW-Gesetz aufs Korn, konnte sich aber gegen den Widerstand Berlins nur teilweise durchsetzen.
Man will beim Walken des Filzes unter sich bleiben. So sollen Volkswagen, Daimler und BMW laut Medienberichten Bitten nichtdeutscher Autobauer abgelehnt haben, bei ihren Runden mitmachen zu dürfen. Und selbst jetzt äussern die Regierungen der Auto-Bundesländer sowie die Gewerkschaften nur zögerlich Kritik an den widerrechtlichen oder mindestens fragwürdigen Praktiken.

Alle in einem Boot
Es ist an der Zeit, den Auto-Korporatismus durchzulüften. Der erste Schritt dazu ist einfach. Die in der grossen Koalition vertretenen Parteien können das VW-Gesetz abschaffen und im Volkswagen-Aufsichtsrat für Frischluft sorgen. Auf einen Schlag wären drei der fünf wichtigsten deutschen Automarken – VW, Audi und Porsche – in eine echte Marktwirtschaft entlassen. Dies wäre auch ein unmissverständliches Signal an die anderen Autobauer, dass die Ära der komplizenhaften Nachsicht vorbei ist. Dazu wird es allerdings nicht kommen, weil CDU wie SPD den Konflikt mit den Gewerkschaften scheuen und überdies ungern Macht aus der Hand geben.
Ausserdem steht der deutsche Sonderweg beim Klimaschutz mit überstürztem Atomausstieg, rekordhohen Subventionen für Ökostrom und einer religiösen Verehrung des Dieselmotors unter Druck. Die «Energiewende» hat bisher rund 150 Milliarden Euro gekostet, dennoch sind die Treibhausgasemissionen in jüngster Zeit gestiegen. Zudem hat das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem allerdings noch nicht rechtskräftigen Urteil für Diesel-Fahrverbote plädiert, um die Stickoxidbelastung in Innenstädten zu senken. Die Kanzlerin Angela Merkel kann jeden Verbündeten gebrauchen, um ihre Energiestrategie zu retten. Wieder sitzen Industrie und Politik im selben Boot.
Die helvetische Vorzeigebranche, die Finanzindustrie, musste ebenfalls erleben, wie schmerzhaft ein Mentalitätswandel sein kann. Seit den neunziger Jahren und der Kontroverse um nachrichtenlose Vermögen lieferte die Branche ein zähes Rückzugsgefecht, um das Bankgeheimnis zu retten. Auch der Bundesrat wollte nicht wahrhaben, dass der Wind gedreht hatte. «Am Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeissen», schwor im Jahr 2008 Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Der Informationsaustausch kam dennoch. Die Statements des deutschen Verkehrsministers und der Auto-Manager klingen heute ähnlich wie damals die Durchhalteparolen aus Bern.
Die Schweiz ist jedoch bedeutend besser diversifiziert als Deutschland. Kriselt es in der deutschen Automobilindustrie, dann schlottert Frau Merkel.


[Einschub zur konkreten Situation auf Deutschland Strassen:
Denn - in Deutschland ist alles nach dem Auto ausgerichtet. Man könnte meinen, die Deutschen würden mit einem Auto zur Welt kommen. Sie, vor allem aber ihre die Politiker-Kaste übersehen geflissentlich, dass der Mensch sich hauptsächlich zu Fuss bewegt. Es gibt in Deutschland praktisch keine Fussgängerstreifen. Und wo es solche gibt, regeln sie häufig nicht den Verkehr an der Kreuzung, sondern nur den Fussgängerübergang. Zudem sind sie sehr oft mit einem Lichtsignal abgesichert, denn die Deutschen, wenn sie einmal in ihrem Wagen sitzen, übersehen geflissentliche die Fussgänger. In der „Rhein-Neckar-Zeitung“ („RNZ“) ist vor gut einem Jahr ein Bild erschienen, auf dem Schüler, betreut von einem Polizisten vorsichtig zwischen den geparkten Wagen auf die Strasse gucken, um rechtzeitig zu erkennen, wenn es eine Lücke im rollenden Verkehr gibt, so dass sie über die Strasse springen können ohne überfahren zu werden. Tötet ein Lastwagenzug einen auf dem Fahrrad fahrenden Schüler, weil der Lastwagen zu nahe an ihm vorbeifährt so ist das nach dem Bürgermeister, der völlig unkorrekt der Polizei vorgreift – ein nachvollziehbares Ereignis (dem Sinne nach zitiert). Die „RNZ“ hat darüber berichtet. So werden in Deutschland die Deutschen und nun auch die Migranten von Kindesbeinen an auf das Primat der Autos programmiert. Versteht sich, dass sie dann, wenn sie erwachsen sind, sich wie geschildert verhalten.

Wie überall: Ausnahmen bestätigen die Regel.

Trottoirs (hier „Gehsteige“ genannt) können auch innerhalb von Ortschaften total fehlen oder sie sind so schmal, dass Kinderwagen schiebende Personen auf die Strasse ausweichen müssen. Meistens sind sie von parkenden Autos überstellt, so dass kaum mehr ein Durchkommen ist.
Die Deutschen (w./m.) haben in den bessern Wohnlagen Garagen, aber die sie zum weitaus grössten Teil zweckentfremdet. Der Deutsche parkt seinen Audi, seinen BMW, seinen Daimler, seinen Porsche, seinen VW vor dem Haus auf der Strasse, denn der Garagenvorplatz ist in sehr vielen Fällen viel zu kurz, ja er kann überhaupt fehlen. In besseren Wohnquartieren parken auf beiden Seiten die Cabriolets und die Limousinen, so dass gerade noch eine Spur frei bleibt für den fahrenden Verkehr. Der Deutsche (w./m.) definiert sich zu einem grossen Teil durch sein Auto: Das Auto soll seinen sozialen Status markieren: Es ist manchmal sehr erstaunlich, was für Personen diesen Wagen, die 50'000 Euro oder mehr kosten, entsteigen.
Die Deutschen (w./m.) parken wo und wie es ihnen gerade passt. Man ist geneigt sie zu fragen, ob sie nicht auch so ihre Notdurft verrichten möchten. Die Verbots- und Gebotssignale sind für die Ausländer da. Das sind ja auch die, die Maut bezahlen müssen. Die Autobesitzer mit einem deutschen Kontrollschild sind da fein raus. (Ich bekomme sogar Geld zurück, weil ich einen Wagen fahre der die Euro-6-Norm ohne Wenn und Aber erfüllt). Die Polizei hat – wohl absichtlich – einen so geringen Personalbestand, dass sie sie sich kaum den Verkehrsübertretungen widmen kann. Auch Diebstahl und Einbruchdiebstähle gehen unter ferner liefen. (Wir sind davon bisher verschont geblieben). So sehr haben die Ministerpräsidenten der Länder – sie haben in Deutschlands „Demokratie“ das Sagen und nicht das Parlament (in Deutschland: Landtag) – Personal entlassen, dass es landauf, landab an Polizisten, Richtern und anderem Justizpersonal fehlt. Dies in einer Zeit, da Merkels Flüchtlings(un)wesen Deutschland umtreibt.
Die deutschen Strassen aller Kategorien sind in einem morbiden Zustand. Sehr vielen Strassen fehlt der vor Frostschäden schützende notwendige Unterbau. Daher platzen im Winter die Strassenbeläge der Frostbeilen wegen auf – generelle Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 30 km/h werden signalisiert (sonst geschieht nichts), damit die Gemeinde (hier: Kommune), der Kreis (bei uns: Bezirk), der Bezirk (bei uns: Kanton), das Land (entspricht der Schweiz) keine Schäden wegen des schlechten Strassenzustandes bezahlen muss. Im Sommer schieben sich die Betonplatten (Heidelberg Zement) der Hitze wegen übereinander und es kommt zu sehr gefährlichen Wülsten. Trassenzüge (Autobahnabschnitte) müssen gesperrt werden. Von der grossen Zahl an maroden Brücken, Über- und Unterführungen wollen wir gar nicht reden. Zur Sanierung der Verkehrsinfrastruktur bräuchte Deutschland, bräuchten die Länder nach offiziellen Schätzungen dringend Milliarden im zweistelligen Bereich. Jetzt, vor den Bundestags-Wahlen kann es nicht genug Baustellen geben. Aber in einigen Wochen und Monaten lässt sich die jahrelange (Merkel ist seit 2005 im Amt) Vernachlässigung nicht beheben.
Die Sanierung eines Strassenzuges (Kanalisation, Strassenunterbau, Belag) über wenige hundert Meter dauert sicher ein Jahr – es gibt Arbeitstage, da arbeitet niemand auf dieser Baustelle. Den Bewohnern ist die Zufahrt abgeschnitten: die können dankbar sein, wenn die Strasse saniert wird. Der Fussgänger muss mitten in den Bauarbeiten sich zwischen den Baumaschinen seinen Weg suchen; wehe, wenn es regnet. Der Kanton Aargau hat bei der grossen Sanierung seines A1-Abschnittes den Strassenbauunternehmen eine Prämie bezahlt, wenn ein Abschnitt vor dem Termin wieder dem Verkehr übergeben werden konnte. Bei uns wird in dringenden Fällen auch in der Nacht, am Samstag, ja am Sonntag gearbeitet. Hier dagegen hat man den Eindruck, dass die Strassenbaunternehmen alles Interesse haben, die Sanierung, den Abschuss der Bauarbeiten möglichst lange hinauszuzögern.
Deutschland leistet sich den Luxus, dass auf den Autobahnen grundsätzlich keine Höchstgeschwindigkeiten gelten, damit sich die Autobesitzer der Nobelklassen so richtig dem Exzess hingeben können: Beispiele; Link: https://www.heise.de/autos/artikel/Liga-der-Leistungstraeger-25-Serienautos-mit-500-PS-und-mehr-435896.html .
Der CEO von Audi, Rupert Stadler, der nun endlich auch von den deutschen Medien ins Visier genommen wird, weil bei Audi es nun doch zu arg stinkt (siehe: „Audi – Keimzelle des VW-Skandals“, weiter unten) – entlassen wird zwar nicht er, sondern vier Mitglieder der von ihm geführten Unternehmensleitung – hatte, es ist schon einige Zeit her, einer naiven „Weltwoche“-Frau – die „Weltwoche“ an sich ist keineswegs naiv – in einem Interview erklärt, es bräuchte in Deutschland keine Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen wie in der Schweiz, in Frankreich, in Italien usw., denn die Geschwindigkeit würde auf den deutschen Autobahnen elektronisch geregelt und das sei viel effektvoller. Nun, solche Autobahnabschnitte sind mit der Lupe zu suchen; so zum Beispiel auf wenigen Kilometern auf der A 3 im Raum Würzburg. Herr Rupert Stadler wusste natürlich, dass er nicht die Wahrheit sagte, aber das war ihm schnuppe, denn auch Frau Angela Merkel, nach der sich im offiziellen Deutschland alles auszurichten hat, hatte schon vor ihm erklärt, unter ihr gebe es keine grundsätzliche Beschränkung der Geschwindigkeit auf Autobahnen (z.B. 130 km/h), sie ziehe die elektronische Verkehrsregelung vor. Schön und gut – nur gibt es die nur auf einigen wenigen Strecken. Ich meine, meine!, dass es auf deutschen Autobahnen mehr Abschnitte gibt, auf denen mit festen Signaltafeln 130 km/h oder 120 km/h vorgeschrieben werden, als elektronische Geschwindigkeitsanzeigen – meist an „Brücken“ über der Autobahn montiert – bei denen variable, der Situation angepasste Höchstgeschwindigkeiten angezeigt werden können.
Zu Rupert Stadler, einem typischen deutschen Manager, CEO eines deutschen Grossbetriebes siehe den kritischen Artikel aus der führenden deutschen Zeitung, der “Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom Samstag den 29.07.2017 – am Schluss.
Immerhin, die Grünen in Baden-Württemberg haben erreicht, dass viele Bundestrassen-Abschnitte, auf denen mit maximal 100 km/h gefahren werden kann, nun nur noch mit 70 bzw. 80 km/h befahren werden können. Allerdings, wie kann das bei Grünen anders sein, haben sie mit der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h in vielen Fällen übertrieben: 30 wegen „schlechtem Straßenzustand“, 30 zeitlich begrenzt wegen der „Nachtruhe“, 30 wegen der „Lärmbelastung“ (also auch tagsüber), 30, ja 10 mit Blitzer wegen „Schule“.
Da gibt es an der B 31 am Bodensee einen Ort, Hagnau, durch eine praktisch nie abreissende Kolonne von Last- und Personenwagen und Traktoren und Motorrädern sich wie ein Lindwurm mit 30 durch den ganzen Ort wälzt - wegen Lärmbelästigung.]


Evolution statt Disruption
Alle Welt redet von Disruption, von der schlagartigen Veränderung, die selbst unbesiegbar erscheinende Unternehmen untergehen lässt. Tatsächlich ist Evolution viel häufiger. Die deutschen Autobauer werden noch lange Geld verdienen. Aber sie haben die Flammenschrift an der Wand ignoriert, weil sie ihr eingeführtes und gut funktionierendes Geschäftsmodell schützen wollten.
Sie setzten auf effiziente Dieselaggregate und unterschätzten die Bedeutung anderer Antriebsformen, ob Elektro oder Wasserstoff. Sie mochten nicht glauben, dass nicht nur in Kalifornien, sondern auch in der Daimler-Kapitale Stuttgart der Gesundheitsschutz an erster Stelle rangieren könnte. Und sie werden begreifen müssen, dass sogar die Nibelungentreue der Politik endlich ist.
Vor allem aber erkannte die Autoindustrie erst spät, dass autonomes Fahren die Mobilität stärker umgestalten wird als jeder andere Trend, das Ende des Verbrennungsmotors eingeschlossen. Ihrem eigenen Anspruch, Innovationsführer zu sein, werden sie nicht gerecht; sie sind bei der Erforschung des Auto-Piloten allenfalls auf Augenhöhe mit Newcomern und branchenfremden IT-Firmen. Wiederholt sich die Geschichte des Premium-Elektroautos, das von Tesla stammt statt von einem der Platzhirsche aus Ingolstadt oder Zuffenhausen?
Die Mobilität entwickelt sich evolutionär. So wie das Bankgeheimnis nicht über Nacht fiel, werden Diesel und Benziner noch länger auf den Strassen fahren, als manche prognostizieren. Aber der Wandel kommt, und er lässt sich nicht aufhalten – auch nicht mit Kartellen und Betrug."

Dazu zwei Stimmungsbilder aus deutscher Quelle:
1.    „Audi ist die Keimzelle des Volkswagens-Skandals
„F.A.Z.“ vom Samstag, den 29.07.2017
(da geht es um Herrn Rupert Stadler)

Dieselbetrug, Razzia, Entwickler in U-Haft: bei Audi geht es drunter und drüber. Und der Vorstand macht einfach weiter. Von Henning Peitsmeier

MÜNCHEN, 28. Juli
Im aktuellen Halbjahresbericht hat Rupert Stadler am Freitag den „lieben Aktionärinnen und Aktionären“ ein besonderes Versprechen gegeben: „Mit all unseren Produkten und Dienstleistungen wollen wir unseren Kunden das Leben erleichtern und ihnen persönliche Freiräume eröffnen“, schrieb der Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler im Vorwort. Dass Audi aber gerade 850000 Dieselkunden das Leben erschwert, ihnen Freiräume raubt, weil sie mit ihren manipulierten Audis demnächst in die Werkstatt zu einem Software-Update müssen [das nach Ansicht der Fachleute, wie Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Universität Duisburg-Essen
nichts bringt], erwähnte CEO Stadler nicht. Der Rückruf aller Sechs- und Achtzylinder-Dieselmotoren der Abgasnormen EU 5 und EU 6, das ist dem Zwischenbericht zu entnehmen, werde zu „insgesamt überschaubaren Kosten“ führen, für die bilanzielle Risikovorsorge gebildet worden sei. Es sind jene von Audi entwickelten Drei-Liter-Motoren, die auch im Porsche Cayenne TDI verbaut werden, für den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Donnerstag einen Verkaufsstopp verhängt hat.
Die Tochtergesellschaft Audi gilt als Keimzelle für die Entwicklung der zur Verschleierung von Dieselabgasen nötigen Betrugssoftware, die in mehr als 11 Millionen Autos des Volkswagen-Konzerns eingesetzt worden ist. Deshalb steht der Vorstand, vor allem der CEO, Rupert Stadler, erheblich unter Druck. Stadler, der lange die Manipulationen geleugnet hat und später, als immer mehr Ungereimtheiten aus der Entwicklungsabteilung ans Licht kamen, von allem nichts gewusst haben will, muss um seinen Posten fürchten. [Rupert Stadler muss weg: besser schon gestern als erst morgen - er muss weg!] Wenn Ende September der Aufsichtsrat zusammentritt, werde die Personalie diskutiert, heißt es. Und längst werden mit dem früheren Opel-Chef Karl-Thomas Neumann und dem Seat-Chef Luca de Meo geeignete Nachfolger gehandelt. Nicht nur Stadler, auch die Vorstandskollegen Hubert Waltl, Axel Strotbek und Dietmar Voggenreiter sind umstritten.
Am Freitag kochten die Namensspekulationen abermals hoch. Der erwartete Vorstandsumbau rückt Insidern zufolge in greifbare Nähe. Vier von sieben Vorständen [aber nicht Herr Stadler, der Audi-CEO, der über das Walten und Schalten des Vorstandes Bescheid wissen muss und dafür verantwortlich ist] müssten in Kürze ihre Posten räumen, sagten mehrere Personen der Agentur Reuters. Das „Manager-Magazin“ berichtete, dass Finanzvorstand Strotbek, Produktionschef Waltl, Vertriebsvorstand Voggenreiter und Personalvorstand Thomas Sigi vor der Ablösung stünden. In der Konzernzentrale in Ingolstadt geht es nicht erst seit der Razzia durch die Staatsanwaltschaft Mitte März, am Tag der Bilanzpressekonferenz, drunter und drüber. Überall laufen die Untersuchungen, werden Mitarbeiter verhört, sind ganze Abteilungen verunsichert. Aber immerhin nach außen steht die Fassade. In dem am Freitag vorgelegten Halbjahresbericht erweckt der Audi-Vorstand Rupert Stadler den Eindruck, alles laufe nach Plan. Tatsächlich sind die Spuren des Dieselbetrugs noch nicht richtig in der Audi-Bilanz sichtbar. Dass in den ersten sechs Monaten mit 909000 Audi-Modellen gut 5 Prozent weniger ausgeliefert wurden, hat allein mit hausgemachten Vertriebsschwierigkeiten in China zu tun, nicht aber mit bereits zurückgehenden Dieselverkäufen auf dem Heimatmarkt. Noch stimmen die Zahlen: Im zweiten Quartal stieg das operative Ergebnis um gut 5 Prozent auf knapp 1,44 Milliarden Euro. Der Umsatz nahm weniger stark auf 15,8 Milliarden Euro zu, so dass sich die operative Rendite auf rund 9,1 Prozent verbesserte. Selbst in Amerika lief es besser.
Dabei nahm jenseits des Atlantiks der Dieselskandal seinen Anfang. Wie jetzt bekanntwurde, sollen Audi-Techniker schon im Oktober 2013 ausdrücklich auf mögliche hohe Geldbußen wegen der Dieselmanipulationen in den Vereinigten Staaten hingewiesen haben. Das Kernrisiko bestehe in einer Aufdeckung der betreffenden Software durch amerikanische Behörden, heißt es demnach in einem elfseitigen Dokument, in dem auch exakt beschrieben wurde, wie die Audi-Software die Abgasmessungen genau manipuliert. Eines dieser Programme galt als „Defeat Device“, also als illegale Abschalteinrichtung. Sie war unter Audi-Ingenieuren jahrelang Gesprächsthema. Schon 2007 hatte ein Techniker seinen Kollegen mitgeteilt, dass man „ganz ohne Bescheißen“ die strengen Grenzwerte in den Vereinigten Staaten nicht einhalten könne. Ein Jahr darauf soll ein anderer Mitarbeiter einen mittlerweile angeklagten ehemaligen Audi-Manager gewarnt haben: Die „Dosierstrategie“ sei eine Abschaltvorrichtung und in den Vereinigten Staaten „nicht zertifizierbar“.
Im November 2015 machte die amerikanische Umweltbehörde EPA klar, dass die Motoren mit einer illegalen Software arbeiteten. Inzwischen ermitteln auch hierzulande die Behörden, ein früherer Motorenentwickler sitzt in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft München II wirft dem Audi-Ingenieur Betrug und unlautere Werbung vor. Er soll bei Audi neben anderen Beschuldigten dazu beigetragen haben, die amerikanischen Umweltbehörden jahrelang mit manipulierten Schadstoffwerten über den wahren Abgasausstoß der fraglichen 83000 Drei-Liter-Dieselmotoren zu täuschen. Seine Aussagen können für den Audi-Vorstand durchaus brisant sein, sollte sich in den weiteren Ermittlungen der Münchner Strafverfolger herausstellen, dass die Motoreningenieure auf Anweisung gehandelt haben. Der Anwalt des Beschuldigten erklärte schon, dass sein Mandant nicht die unternehmenspolitische Entscheidung treffen konnte.
Audi wollte wegen laufender Ermittlungen nicht Stellung nehmen. Man arbeite aber „vollumfänglich mit den Ermittlungsbehörden zusammen“, hieß es. Ähnlich formuliert es auch Vorstandschef Stadler in seinem Vorwort: „Lückenlose Aufklärung der Vergangenheit ist für uns eine zentrale Aufgabe.“ Das genügt Rupert Stadler in der Rückschau.

2.    „War Bosch Teil eines Abgaskartells?“
„F.A.Z.“ vom Samstag, den 29.07.2017
Niemand liefert mehr Dieseltechnik als der Stuttgarter Konzern

sup. STUTTGART, 28. Juli. Die Kartellvorwürfe gegen die deutsche Autoindustrie erfassen nun auch den Zulieferer Bosch. Während einer gemeinsamen Sitzung mit den Autoherstellern im Jahr 2008 sollen Mitarbeiter des Stuttgarter Konzerns in einer „OEM Task Force“ genannten Runde einen Vorschlag gemacht haben, wie Probleme mit der Abgasreinigung von Dieselmotoren schnell und kostengünstig gelöst werden könnten. Das berichtet die „Bild am Sonntag“. Bosch, der weltweit größte Lieferant von Dieseltechnologie, wollte den Kartellverdacht nicht kommentieren: „Wir kennen den Vorgang bislang lediglich aus der Berichterstattung“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Und: „Es liegen uns diesbezüglich keinerlei Anfragen von deutschen oder europäischen Wettbewerbsbehörden vor.“ Der jetzt von der „Bild am Sonntag“ beschriebene Kartellverdacht dreht sich um eine Veranstaltung, bei der Vertreter der Autobranche über problematische Ablagerungen der Harnstofflösung Adblue diskutierten. Diese Ablagerungen können bei der Aufspaltung des Stickstoffs entstehen und zu schweren Schäden am Motor führen.
Das Problem war drängend – denn die deutschen Hersteller wollten ihren Diesel in Amerika endlich zum Erfolg führen. „2008 wird das Jahr des Clean-Diesel-Durchbruchs“, jubelte Matthias Wissmann, auch damals schon Präsident des Branchenverbands VDA, mit Blick auf Amerika. Im Herbst 2007 hatten VW und Audi gemeinsam mit Bosch beim „German Tec Day“ schon den Marktstart des sauberen Diesels im Jetta für das Frühjahr 2008 angekündigt. Geklappt hat das nicht: Der Jetta, ein in Amerika sehr beliebtes VW-Modell, kam mit seinem neuen Dieselmotor erst im August auf den Markt. Schneller ging es offenbar nicht.
Die Autohersteller hatten damals durchaus Lösungen entwickelt, um die schädlichen Adblue-Ablagerungen zu vermeiden, und diese wurden in der Diskussionsrunde auch als „effektiv“ bezeichnet. Jedoch seien sie „mit erheblichen konstruktiven Anpassungen verbunden“, wie die „Bild am Sonntag“ aus einer E-Mail an den damaligen Chef-Motorenentwickler von Audi, Wolfgang Hatz, zitiert.
Sprich: Die Clean-Diesel-Kampagne war in Gefahr. Als „kleinere Maßnahme zum Anlauf“ soll Bosch daher den Einsatz eines Dosiermoduls mit verkleinertem Spraywinkel vorgeschlagen haben. Ob damit die Abgase noch ausreichend gereinigt werden können, müsse allerdings noch geprüft werden, heißt es in dem Schreiben aus dem Jahr 2008. Außerdem wird in der E-Mail berichtet, dass die Teilnehmer der „OEM Task Force“ versichert hätten, das Thema gegenüber den amerikanischen Umweltbehörden EPA und CARB nicht zu erwähnen.
Kartellvorwürfe gegen die Autohersteller stehen seit einer Woche im Raum. Volkswagen, Audi und Porsche sowie Daimler und BMW sollen sich laut einem Bericht des „Spiegels“ seit den neunziger Jahren in zahlreichen geheimen Arbeitsgruppen abgesprochen haben. Der Name Bosch taucht in diesem Zusammenhang in einem Schriftsatz von Volkswagen auf, den der Wolfsburger Konzern vergangene Woche dem Bundeskartellamt übermittelt hat. Bosch ist der größte Hersteller von Dieseltechnologie und erzielt mit den in diesem Bereich 50000 beschäftigten Mitarbeitern Milliardenumsätze im Geschäft mit beinahe allen Autoherstellern. Entsprechend stark ist der Zulieferer in den Dieselskandal verwickelt, der mit der Entdeckung einer Abschaltsoftware in VW-Autos vor knapp zwei Jahren ausgelöst wurde. Gegen Bosch ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Betrug, sowohl im Fall VW als auch im Kontext mit Daimler, wo seit diesem Frühjahr ebenfalls wegen Abgasmanipulationen ermittelt wird.
Während es bei Bosch zu dem neuen Kartellverdacht heißt, es gebe „diesbezüglich“ keine Anfragen der Wettbewerbsbehörden, ist der Zulieferer gleichwohl in mehreren Fällen auch wegen Kartellbildung belangt worden, so in Brasilien und in den Vereinigten Staaten.
Aktuell laufen noch Ermittlungen der europäischen Kartellbehörden im Kontext mit mutmaßlich großangelegten Absprachen unter Autozulieferern zu verschiedenen Produkten. Bosch rechnet mit einer Bestrafung, was sich daran zeigt, dass das Unternehmen dafür Vorsorge in der Bilanz getroffen hat. Insgesamt hat Bosch Rückstellungen über 1,1 Milliarden Euro gebildet, womit sowohl Kartellstrafen als auch Zahlungen im Kontext mit dem Dieselskandal abgegolten werden können. Bosch hat in einem Vergleichsverfahren in Amerika schon 300 Millionen Euro Zahlungen an VW- und Audi-Käufer zugesagt, ohne Anerkennung einer Schuld, wie stets betont wurde.



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