Korruption in Spanien:
Señor Rajoy weiß von nichts vom Bestechung- und Korruptionsskandal
in seiner eigenen Partei der Partido Popular(PP)
„Spiegel Online“ vom Mittwoch, 26.07.2017, von Steffen
Lüdke
Spaniens Ministerpräsident Rajoy stand als Zeuge vor
Gericht - in einem der größten Korruptionsverfahren in der Geschichte des
Landes. Es wurde ein unangenehmer Termin.
Mariano Rajoy
hatte sich allerhand Ausreden einfallen lassen, um seinen Auftritt vor Gericht
zu verhindern:
Sein Terminkalender sei zu voll, ließ er ausrichten.
Außerdem gebe es Sicherheitsbedenken - und zumuten wolle
er den Steuerzahlern die Kosten für die 18 Kilometer lange Reise von seinem Amtssitz
zum Gericht auch nicht.
Er könne sich doch einfach per Videokonferenz zuschalten
lassen, so Rajoys Argumentation.
Genützt hat es nichts: Als erster Ministerpräsident in
der Geschichte der spanischen Demokratie hat Rajoy am Mittwoch als Zeuge in
einem Korruptionsverfahren ausgesagt. Persönlich, nicht per Videoübertragung.
Extrawurst für den Ministerpräsidenten: Mariano Rajoy
durfte neben dem Richter Platz nehmen
Im Fokus des Bestechungs- und Korruptionsskandals steht
seine Partei, die konservative Partido
Popular (PP). Aber auch für den Ministerpräsidenten selbst war der Termin
unangenehm. Stundenlang musste Rajoy Fragen zu seiner Verbindung zu der Affäre
beantworten - und stritt alles ab.
Die wichtigsten
Fragen im Überblick:
Worum geht es in
dem Verfahren genau?
Um die sogenannte Gürtel-Affäre, das ist die deutsche
Übersetzung des spanischen Wortes "Correa", ein Hinweis auf den
Hauptangeklagten Francisco Correa.
Der 61-Jährige soll zwischen 1999 und 2005 mit dem Geld
von Unternehmern ranghohe Politiker der PP bestochen haben. Im Gegenzug haben
die Unternehmen mutmaßlich lukrative Aufträge erhalten. Die Staatsanwaltschaft
fordert für Correa 125 Jahre Haft. 36 weitere Verdächtige sind angeklagt. Die
PP selbst kann strafrechtlich nicht belangt werden, weil illegale
Parteienfinanzierung in Spanien erst seit 2015 ein Straftatbestand ist.
Was hat Premier
Rajoy damit zu tun?
Juristisch droht ihm in dem Verfahren als Zeuge kein
Ärger. Der Ministerpräsident stritt in seiner Aussage ab, je etwas von den
Bestechungen gewusst zu haben. In der fraglichen Zeit habe er sich um die
Politik gekümmert, nicht um die Finanzierung seiner Partei. Schwarzgeld habe er
nie erhalten. Die Vorwürfe seien "absolut falsch."
Politisch war die Aussage für Rajoy dagegen denkbar
ungünstig. Wichtige Fernsehsender übertrugen seine Aussage live. Seit Jahren
werfen Opposition und Presse Rajoy vor, selbst in den Skandal um die schwarzen
Kassen verwickelt zu sein, die der ehemalige Schatzmeister der Partei, Luis
Bárcenas, geführt haben soll. Bárcenas selbst hat inzwischen zugegeben, vielen
PP-Politikern regelmäßig Umschläge mit Schwarzgeld überreicht zu haben. Seinen
Notizen zufolge war auch Rajoy darunter.
Der Ministerpräsident und ranghohe Politiker der
Volkspartei streiten die Existenz der schwarzen Kassen ab. Der Bárcenas-Fall
wird in diesem Verfahren nicht verhandelt, ist aber schwer von der Gürtel-Affäre
zu trennen. Deswegen ließ der Richter auch Fragen zu Rajoys Rolle in der
Bárcenas-Affäre zu.
Warum schrieb Rajoy also noch SMS an Bárcenas, als der
Skandal schon längst aufgeflogen war? Warum ermahnte er ihn mit den Worten
"Luis. Ich verstehe. Sei stark"?
Warum taucht sein Name in Barcenas' handschriftlichen
Notizen auf?
Auf all diese
Fragen hatte Rajoy keine überzeugenden Antworten zu bieten.
Seine Linie: Die SMS hätten nichts zu bedeuten. Er habe
eben die Gewohnheit, den Menschen, die ihm schrieben, auch zu antworten.
Wie reagiert die
Opposition?
Sie nutzte die Vorlage. Pedro Sánchez, Chef der
spanischen Sozialisten, forderte Rajoy auf, noch am Mittwoch zurückzutreten. In
Spanien herrsche ein Klima der Korruption, und Rajoy sei dafür verantwortlich.
Pablo Echenique, hochrangiges Mitglied der linken
Oppositionspartei Podemos, äußerte sich auf Twitter: Rajoy versuche, den
Spaniern einzureden, dass sich eine Partei illegal finanzieren könne, ohne dass
die Vorsitzenden es bemerkten. "Er verkauft uns für dumm." Pablo
Iglesias, Generalsekretär von Podemos, beschrieb Rajoys Auftritt als "Schande".
Warum kann sich
Rajoy trotz der Korruptionsaffären weiter an der Regierung halten?
Rajoy gelingt es, Skandal um Skandal einfach auszusitzen.
Er schweigt größtenteils, gibt kaum Pressekonferenzen. Wenn doch, sitzen die
Reporter oft vor einem eigens aufgestellten TV-Bildschirm und müssen zuhören,
wie der Ministerpräsident per Videoschaltung zu ihnen spricht. Nachfragen?
Nicht erlaubt.
Rajoys Stammwähler nehmen es ihm offenbar nicht übel; viele von ihnen sind Rentner, die noch die
Zeit der Franco-Diktatur erlebt haben. Junge Spanier wählen die
konservative Volkspartei dagegen eher selten.
Und so hat die PP bei den vergangenen Wahlen zwar die
absolute Mehrheit verpasst und muss sich in einer Minderheitsregierung mit der
wirtschaftsliberalen Partei Ciudadanos arrangieren. Weiter regieren kann die PP
trotzdem - auch weil die juristische Aufarbeitung der vielen
Korruptionsskandale eher stockend verläuft.
Bisher jedenfalls. Denn noch hat das eigentliche
Verfahren im Fall Bárcenas nicht begonnen.
Verfestigt sich
dort der Eindruck, dass auch Rajoy Schwarzgeld genommen habe, könnte es für den
spanischen Ministerpräsidenten doch noch eng werden.