Rajoys Partido Popular (PP)
aus General Francos Unzeiten stammend
beschneidet Kataloniens Autonomie
(Quelle: „Wikipedia“ – „Autonomiestatut von Katalonien“)
1.) Das Autonomiestatut von 1979
Die ersten demokratischen Wahlen seit 1936 führten am 15.
Juni 1977 zu einer politischen Mehrheit, die die Wiederherstellung der
Generalitat und der Autonomie anstrebte. Diese waren im Januar 1939 durch ein
Gesetz des spanischen Staats aufgelöst worden. Bei der folgenden Diada Nacional
de Catalunya am 11. September 1977 demonstrierten fast eine Million Katalanen
in Barcelona für Llibertat, amnistia, Estatut d’Autonomia (‚Freiheit, Amnestie,
Autonomiestatut‘).
Dies zwang die spanische Regierung unter Adolfo Suárez
zur Wiederherstellung einer provisorischen Generalitat am 29. September 1977
und zur Erlaubnis der Wiedereinreise des bisherigen Präsidenten Josep
Tarradellas aus dem Exil. Dieser wurde formal zum Präsidenten ernannt und eine
provisorische Regierung gebildet um dieses Autonomiestatut und die folgenden
Parlamentswahlen vorzubereiten.
Das Statut wurde
durch ein Referendum in Katalonien bestätigt und im November 1979 durch die
Cortes Generales des spanischen Staates ratifiziert. Am 18. Dezember 1979
unterzeichnete König Juan Carlos I. das Autonomiestatut für Katalonien als ein
Organgesetz des Staates. Es trat am 31. Dezember 1979 in Kraft.
Der Entwurf des Statuts wurde von Abgeordneten und
Senatoren des Parlaments von Katalonien, der „Kommission der Zwanzig“, in einem
Parador bei der Gemeinde Vilanova de Sau ausgearbeitet. Das Statut wird daher auch
das „Statut von Sau“ genannt und folgt damit der Tradition, die Satzungen
Kataloniens nach ihrem Entstehungsort zu benennen – wie auch das „Statut von
Núria“ 1932.
2.
2.1.) Das
Autonomiestatut von 2006
Die politischen
Institutionen Kataloniens beruhten bis 2006 auf einem Autonomiestatut von 1979.
Am 30. September 2005 wurde vom katalanischen Parlament der „Entwurf eines
neuen Autonomiestatuts für Katalonien“ beschlossen, nach dem
Verhandlungsort auch „Statut von Miravet“ genannt.
Am 2. November 2005 wurde das Statut von Miravet dem
Kongress vorgelegt und von drei Sprechern des katalanischen Parlaments
erläutert. Die Sprecher der katalanischen Parteien CiU, PSC und ERC begründeten
die Notwendigkeit einer Reform des
bestehenden Statuts von 1979 damit, dass es damals in einem Kongress mit zahlreichen Politikern des ehemaligen
Franco-Regimes behandelt worden sei.
Es müssten die Veränderungen seit dem Eintritt Spaniens in die Europäische
Union vor 26 Jahren berücksichtigt werden, sowie die Tatsache, dass Katalonien
eine Nation sei.
Nach langen und emotionalen Verhandlungen der im Kongress
vertretenen Parteien wurde rund die Hälfte der Artikel im Statut-Entwurf
verändert.
Am 10. Mai 2006 stimmte das spanische Parlament dem
Statut schließlich mit den Stimmen von PSOE, CiU und IU zu. ERC, EA und PAR
enthielten sich, und PP stimmte dagegen
[Partido Popular die Partei des regierenden Ministerpräsidenten
Rajoy, die in verschiedenste Korruptionsaffären verwickelt war und ist.]
In einem abschließenden Referendum am 18. Juni 2006
sprachen sich 73,9 % der Katalanen für das neue Statut aus bei einer Stimmbeteiligung
von 49 %.
Nachdem König Juan
Carlos I. das Statut am 19. Juli 2006 unterzeichnet hatte, trat es am 9. August
2006 in Kraft.
2.2.) Klage des Partido Popular (PP) vor dem
Verfassungsgericht gegen das Autonomiestatut Kataloniens
Am 31. Juli 2006 reichte
die PP (Partido
Popular) [die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Rajoy] eine Normenkontrollklage beim Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional)
ein, mit der sie 114 der insgesamt
223 Artikel des Autonomiestatuts als verfassungswidrig angriff.
Nach fast vierjähriger
Beratung verkündete das Gericht am 28. Juni 2010 sein Urteil. Danach sind 14 Artikel insgesamt oder
teilweise verfassungswidrig.
Für 27 weitere Bestimmungen bestimmte es, dass und wie
sie nach den näheren Ausführungen in den Urteilsgründen verfassungskonform
auszulegen sind.
Hinsichtlich der heftig umstrittenen Bezeichnung
Kataloniens als „Nation“ in der Präambel des Autonomiestatuts urteilte es, dass
diese keinerlei juristische Wirkung bei der Auslegung anderer Normen entfaltet
(insbesondere daraus nichts hergeleitet werden kann, woraus sich eine
Sonderstellung Kataloniens im Vergleich zu anderen Autonomen Gemeinschaften
ergeben könnte, die sich nicht als "Nation" definieren).
Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
2.3.) Reaktionen
auf das Urteil
Kundgebung am 10. Juli 2010 in Barcelona
Saló de Cent, historischer Ratssaal der Stadt Barcelona
Das Urteil des Verfassungsgerichts rief große Empörung
bei der Bevölkerung und den verschiedenen Institutionen von Katalonien hervor.
Auf Initiative des Kulturvereins Òmnium Cultural riefen daraufhin über 200
Gruppen und Institutionen unter dem Schlagwort Som una nació. Nosaltres
decidim! (‚Wir sind eine Nation. Wir entscheiden!‘) zu einer Kundgebung am 10.
Juli 2010 in Barcelona auf, zu der über eine Million Bürger auf die Straße
gingen.
In zahlreichen Stadt- und Kreisparlamenten wurden
Erklärungen und Beschlüsse zugunsten des Autonomiestatuts gefasst. Die Stadt
Barcelona berief eine Sondersitzung des Stadtrats ein. Sie fand der großen
Bedeutung entsprechend im mittelalterlichen Saló de Cent statt, dem
historischen Ratssaal aus dem Jahre 1369. Die Stadträte aller politischen
Richtung außer der PP verteidigten in einer scharfen gemeinsamen Erklärung den
Inhalt des Statuts, riefen zur Teilnahme an der Kundgebung auf und verurteilten
die Haltung des Verfassungsgerichts. Auch in den Räten der Städte Girona,
Lleida und Tarragona wurden vergleichbare Beschlüsse gefasst. Außerdem schlossen
sich die Diputaciones Provinciales, die Selbstverwaltungsorgane der Provinzen
Barcelona und Lleida, die dem Staat direkt unterstehen, der allgemeinen
Empörung an. Bürgermeister und Gemeinderäte verfassten ein Manifest für
Entscheidungsfreiheit, dem sich bis Ende August 2010 rund 1400 Bürgermeister und
Mandatsträger anschlossen.
Der Gemeinderat
von El Port de la Selva begnügte sich als erste Gemeinde nicht mit einem
Beschluss zugunsten des Autonomiestatuts. Er
erklärte sich darüber hinaus „moralisch aus der spanischen Verfassung
ausgeschlossen“, denn das Streben nach Selbstbestimmung in Katalonien finde
nach dem Urteil des Gerichtshofs keinen Raum mehr innerhalb der Verfassung.
Außerdem stellte der Gemeinderat die spanische Souveränität über Katalonien in
Frage. Bis Dezember 2010 folgten über
110 weitere Städte und Gemeinden diesem Beispiel, darunter auch neun Hauptorte
von Comarcas (Kreisstädte).
Auf gesamtspanischer Ebene begrüßte die PSOE – anders als
ihre katalanische Schwesterpartei PSC – das Urteil, mit dem die
Verfassungsmäßigkeit des Autonomiestatuts in den zentralen Punkten bestätigt
worden sei.
Die konservative PP wollte den Ausgang des Verfahrens nicht
als Misserfolg gewertet wissen. Auch wenn nur eine einzige Vorschrift für
verfassungswidrig erklärt worden wäre, wäre ihrer Ansicht nach die Klage
gerechtfertigt gewesen.
Die linke IU schloss sich der Kritik der katalanischen
Parteien an dem Urteil an.