Freitag, 14. September 2012

Ein wegweisender Entscheid: Die WAK sagt "NEIN"!


Ein wegweisender Entscheid: Die WAK sagt Nein!
Vgl. Artikel „Steuerabkommen mit Deutschland – kein Nachverhandeln!“

Frei nach Markus Häfliger, Bern – NZZ vom 11.09.2012 und Hansueli Schöchli, Bern – NZZ vom 13.09.2012:

„Bundesrat und Parlament markieren Härte im Steuerstreit mit Berlin“

„Ja zur Rasterfahndung“

(A) Wegweisender Entscheid der WAK
WAK = "Kommission für Wirtschaft und Abgaben" der eidgenössischen Parlamente (Legislative)
WAK-Nationalrat und WAK-Ständerat

Am Montagabend, 10. September 2012 um 21 Uhr verkündete WAK-Kommissionspräsident Christophe Darbellay den Entscheid:
(1) Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) will mit 18 gegen 7 Stimmen Gruppenanfragen ermöglichen, indem die Worte «im Einzelfall» aus dem Entwurf des Steueramtshilfegesetzes gestrichen werden. Die SVP-Fraktion war dagegen. Sie lehnt grundsätzlich die neuen  OECD-Standards ab. Gruppenanfragen seien nicht abzugrenzen von «Fischzügen», begründet SVP-Nationalrat Caspar Baader.
(2) In der zweiten, umstritteneren Frage entschied sich die WAK für die harte Linie: Gruppenanfragen sollen erst ab Inkrafttreten des Gesetzes zulässig sein – voraussichtlich ab dem 1. Januar 2013. «Es gibt keine Rückwirkung», sagte Darbellay. „Eine 2. Nachverhandlung sehe ich gar nicht. Sie würde uns erpressbar machen“. Text einer E-Mail.
Um dieses Datum und eine allfällige Rückwirkung war in den letzten Tagen eine Debatte entbrannt.

Einzelne Akteure meinten, das Abkommen mit Berlin „retten“ zu müssen indem Gruppenanfragen bereits am dem 18. Juli 2012, also rückwirkend hingenommen werden sollten. Für dieses Nachgeben gegenüber den Linken-Polterer Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück, dem Kavalleristen votierte dem Vernehmen nach etwa das Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen im Departement Widmer-Schlumpf (siehe F.A.Z.-Gespräch mit Michael Ambühl – unten). Auch Nationalrat Ruedi Noser (fdp., Zürich) sowie Bankenvertreter plädierten für den 18. Juli 2012 - vergeblich. SP und Grüne waren für maximale Rückwirkung. Haben die da bedacht, was sie sagten? Ihre Genossen in Deutschland sprachen nicht von einer Rückwirkung auf den 18. Juli 2012 sondern auf den
 1. September 2011 oder zumin­dest auf den 1. Juli 2012. Zudem wollte die SPD noch eine Reihe weiter Punkte behandeln. (Süddeutsche Zeitung vom  12.9.2012). Dem Grünen Dr. Thomas Gambke aus Bayern (MdB) genügte nicht einmal der bisher erörterte Termin vom 1. Januar 2011. Er stellt sich eher 2007 oder 2008 vor. Auch ein Physiker muss als Politiker etwas von Rechtssicherheit verstehen.

Sie, die oben erwähnten Akteure überhörten sachliche Stimmen wir die der deutschen Bundes-Justizministerin, Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von den Freien Demokraten (FDP), die gegenüber der Süddeutsche Zeitung (Bayern) feststellte: „Deutschland braucht das Steuerabkommen“ (02.09.2012).
Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf hatte in den letzten Tagen keine Stellung genommen. Sie überlasse den Entscheid «bewusst» dem Parlament, liess sie ihren Sprecher noch vor wenigen Tagen sagen. In der WAK-Debattierrunde kam Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf doch zur Einsicht. «Sie selber hat der Kommission beantragt, dass es keine Rückwirkung gibt», sagte Kommissionspräsident Darbellay von der CVP.

Hier ist der Hinweis angebracht auf ein „Gespräch“ von Michael Ambühl, Schweizer Finanzstaatssekretär und Verhandlungsführer für das Steuerabkommen mit Jürgen Dunsch von der Frankfurter Allgemeine Zeitung“, unter dem Titel Aus Singapur kommt mehr Geld als umgekehrt erschienen am 12.09.2012:
"Aufgrund der bisherigen Beratungen im Parlament will die Schweiz künftig Gruppenanfragen ohne Namensnen­nung ermöglichen, allerdings erst von 2013 an. Bleibt es dabei? Damit würde ein Zusatzinstrument gegen die „Abschleicher" fehlen.“
Die Schweiz hat der Änderung des OECD-Standards bezüglich Gruppenan­fragen am 17. Juli 2012 zugestimmt. Zu­erst muss das Schweizer Parlament aber noch die nötigen gesetzlichen Grundla­gen schaffen. Dies wird in den nächsten Monaten geschehen."

"Gibt es noch Spielraum für Zugeständ­nisse an Deutschland?
Die Schweiz wird nach den Zugeständ­nissen im April keine weiteren Verhand­lungen führen, auch nicht über die Steu­ersätze in der rückwirkenden Abgeltungs­steuer."


(B) Verhandlungen des Nationalrates am Mittwoch, 12.09.2012
Nationalrat (NR) eine der beiden gleichberechtigten Kammern der Legislative der schweizerischen Eidgenossenschaft
Die andere Kammer der Legislative ist der Ständerat

NR-Beschluss: In der Steueramtshilfe kann die Schweiz künftig auch Auskünfte auf ausländische Gruppenanfragen ohne Namensnennung geben. (130 zu 54 Stimmen) Voraussichtlich gilt dies für Tatbestände ab Anfang 2013. (Eine Rückwirkung ist ausgeschlossen – siehe oben). Demnach sind auch bei ausländischen Gruppenanfragen auf Basis von Verhaltensmustern und damit ohne Angabe von Namen mutmasslicher Steuersünder Auskünfte zu geben.

Die SVP ist als einzige Fraktion dagegen, dass die Schweiz die neuen OECD-Standards übernimmt. Laut dem Zürcher SVP-Nationalrat Hans Kaufmann geht es bei Gruppenanfragen um «Fischzüge», welche auch Unschuldige umfassten und abzulehnen seien. Diese Befürchtung kann – bedenkt man die Praxis der deutschen (zum Beispiel beim Doppelbesteuerungsabkommen CH-D (DBA), Art. 19) – sich sehr wohl bestätigen.
Immerhin steht fest: Die massgebenden OECD-Papiere sind unklar, erwähnen zur Illustration aber einige Beispiele. Daher hatte der Bundesrat für die Wirtschaftskommission (WAK) in einem Papier die Abgrenzung zwischen Gruppenanfragen, welche künftig eine Auskunftspflicht nach sich ziehen, und den von der Schweiz nach wie vor abgelehnten «Fischzügen» (pauschale Anfragen ohne konkrete Verdachtsmomente) erklärt. Grob gesagt: Die Anfrage «bitte nennt uns alle deutschen Kunden mit UBS-Konto» gälte weiter als Fischzug und wäre nicht zu beantworten, während die Formulierung «alle deutsche UBS-Kunden, die ein typischerweise zur Steuerhinterziehung missbrauchtes Finanzprodukt gekauft haben» schon eher zu beantworten wäre. Die Grenzen sind aber fliessend und auch veränderbar. Mehrere Nationalräte betonten, dass am Ende wohl die Gerichte entscheiden müssten. Dennoch hatte die WAK darauf verzichtet, konkretere Formulierungen ins Amtshilfegesetz zu schreiben, weil sonst neue Unklarheiten entstünden. Das ist sehr gut bedacht: Ein „Katalog“ kann per se nicht umfassend, abschliessend sein. Da werden unsere Gerichte(!) entscheiden müssen.
Auch ausserhalb der SVP war keine Begeisterung zu spüren. Angesagt war eher eine Kombination aus «Schritt in die richtige Richtung» (links/grün) und «Die Schweiz muss sich wohl oder übel den OECD-Standards anpassen» (bürgerlich). Laut Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf wird die Schweiz nun noch jene wenigen Doppelbesteuerungsabkommen anpassen müssen, die Amtshilfe ausdrücklich auf den Einzelfall beschränkt haben.

Das Amtshilfegesetz ist für die Schlussabstimmung im Parlament bereit

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