Freitag, 29. Dezember 2017

Ignazio Cassis - FDP-Bundesrat: fehlt ihm die basale Sicherheit?


Unser neuer Bundesrat rudert wie wild - es fehlt ihm die basale Sicherheit; das ist für mich nachvollziehbar - aus seiner Biographie.

"Mühe mit der neuen Rolle"
Ignazio Cassis' Umgang mit seiner politischen Herkunft irritiert.
"Tages-Anzeiger" vom Freitag, den 29.12.2017, 08:15 Uhr; von Markus Häfliger,
Korrespondent Bundeshaus

"Eine politische Bombe findet sich nicht in den über 500 Tweets, die Ignazio Cassis vor wenigen Tagen gelöscht hat. Genau das irritiert an seiner Aufräumaktion am meisten: Hätte es auf seinem Twitter-Konto Aussagen gegeben mit dem Potenzial, seine Aufgabe als Aus-senminister zu kompromittieren, hätte man die Löschung halbwegs nachvollziehen können. Doch so erscheint die Übung nur als eine etwas peinliche Imagepolitur für einen Politiker, der sich in seinem neuen Amt staatsmännischer geben möchte als vorher.
Noch irritierender wirkt die Löschaktion, weil Cassis nicht zum ersten Mal das Bild von sich nachzubessern versucht. Im August, anderthalb Monate vor seiner Wahl in den Bundesrat, gab er seine italienische Staatsbürgerschaft zurück. Im September, neun Tage vor seiner Wahl, trat er der Waffenlobby Pro Tell bei - nur um sogleich wieder auszutreten, als er deswegen in die Kritik geriet.
Jede neue Rolle eines Politikers macht die früheren nicht ungeschehen
Cassis' Medienstelle begründet die Löschung der Tweets damit, dass der Tessiner nun eine neue Rolle habe und seine Profile in den sozialen Medien daran anpassen wolle. Solche Rollenwechsel gehören aber zum schweizerischen System. Cassis war zuerst Kantonsarzt, dann Nationalrat, dann Fraktionschef und jetzt Bundesrat. In jeder neuen Rolle hatte er sich anders zu verhalten und zu äussern - das kann die Bevölkerung wohl einordnen.
Gleichzeitig macht jede neue Rolle eines Politikers die früheren nicht ungeschehen. Sie gehören zu seiner Herkunft - so wie unsere Familie, unsere Schulzeit und frühere Arbeitsstellen zu unseren privaten Biografien gehören. Zu meinen, ein vollständiger Neuanfang sei im Internet überhaupt möglich, ist zudem naiv: So viel Aufmerksamkeit wie nach ihrer Löschung hätten Cassis' Tweets ohne ihre Löschung nie erfahren. Bis jetzt ist Neo-Bundesrat Cassis vor allem damit aufgefallen, wie er an seinem eigenen Image arbeitet. Es ist zu hoffen, dass er seine nächsten Schlagzeilen mit politischer Arbeit generiert."

"Cassis löschte 90 Prozent seiner Tweets"
Der neue Bundesrat "bereinigte" in den letzten Tagen seine Timeline. Was da so drinstand, wie das EDA reagiert und was Experten dazu sagen.
"Tages-Anzeiger", vom Donnerstag, den 28.12.2017; von Markus Häfliger, Korresponxnent Bundeshaus
Mister Reset: Aussenminister Ignazio Cassis.

"2015 war Ignazio Cassis noch ein wenig bekannter Nationalrat und konnte im legendären Berner Bierhübeli ungestört seinen Leidenschaften frönen. Das Konzert an jenem Abend gefiel dem Tessiner derart gut, dass er seine Begeisterung auf Schweizerdeutsch ausdrückte. "Swiss Jazz Orchestra im Bierhübeli z Bärn:-) suppper Musiig!", schrieb er auf Twitter. Fast drei Jahre lang schlummerte diese harmlose Botschaft auf Cassis' Twitter-Konto - bis sie plötzlich seiner eigenen Zensur zum Opfer fiel. Kurz vor Weihnachten hat Cassis, inzwischen Bundesrat, über 90 Prozent seiner Twitter-Nachrichten gelöscht. Einen politischen Reset im Europadossier hatte Cassis vor seiner Wahl versprochen - einen Reset seines Images in den sozialen Medien hat er nun als Erstes vollzogen.
Der Löschaktion sind fast alle Tweets zum Opfer gefallen, die auch nur ansatzweise politisch waren. Dank der Cache-Funktion von Google lässt sich das Ausmass exakt beziffern: Am 17. Dezember 2017 gab es auf Cassis' Twitter-Konto noch 580 Kurznachrichten, jetzt sind es 43. Doch Cassis macht seine Rechnung ohne das lange Gedächtnis des Internets. Die Website Politwoops.de hat es sich zur Aufgabe gemacht, Tweets zu archivieren, von denen hochrangige Politiker nichts mehr wissen wollen.
"AdiEU everybody!"
Und so sind auf dieser Plattform die gelöschten Nachrichten gesichert worden - etwa ein Tweet aus dem Juni 2016, in dem Cassis nach dem EU-Austritt Grossbritanniens ironische Wortspiele macht: "Brexit, Grexit, Quitaly oder Endenemark? AdiEU everybody!" Oder ein Tweet von 2017, in dem Cassis die unter 45-Jährigen davor warnt, Ja zur Altersvorsorge 2020 zu stimmen: "Liebe Junge (<45): ACHTUNG vor dieser Reform, weil ihr die Rechnung zahlen werdet."
Screenshot (politwoops.de) vergrössern
Das sind Nachrichten, wie sie viele Politiker in den sozialen Medien verbreiten: Ab und zu eine polemische Spitze, ab und zu ein Tippfehler, ab und zu ein privates Foto, aber kaum ein Tweet, den man der Öffentlichkeit als Bundesrat nicht zumuten könnte. Cassis zählte in den sozialen Medien zu den aktivsten Parlamentariern überhaupt. Auf Twitter ist der Tessiner seit 2011 präsent, und er unterhält auch Profile auf Facebook, Instagram, Xing und Linkedin.
Screenshot (politwoops.de) vergrössern
Warum hat Cassis seine Vergangenheit zurechtfrisiert? Sein Aussendepartement (EDA) antwortet, Bundesrat Cassis habe entschieden, "seine Social-Media-Konten als offizielle Konten des Departmentsvorstehers weiterzuführen". In diesem Sinne habe man seinen Auftritt "zu einem Bundesrat-Cassis-Twitter-­Konto" umgeändert und die meisten Tweets vor Amtsantritt entfernt. Denn diese hätten "nichts mit seiner jetzigen Funktion zu tun". Nicht gelöscht habe man nur Nachrichten, "die die italienische Landessprache und Kultur im Tessin betreffen".
Screenshot (politwoops.de) vergrössern
Laut EDA-Zählung wurden lediglich sieben Tweets aus der Zeit vor Cassis' Amtsantritt stehen gelassen. "Warum der Twitter-Account 43 Tweets anzeigt, entzieht sich unserer Kenntnis", wundert sich das Departement deshalb in seiner Stellungnahme.

Die Tweets, die Cassis übersah
Das Rätsel lässt sich leicht auflösen: Jedes Twitter-Konto archiviert die Tweets in zwei Registern. Im einen Register finden sich die vom jeweiligen Konto abgesandten Kurznachrichten, im zweiten Register die Antworten auf Kurznachrichten anderer Twitterer. Bei ihrer Löschaktion haben Cassis und seine Kommunikationsleute das zweite Register offenbar übersehen. So haben dort sogar einige politische Tweets den Reset überlebt. Auf Cassis' Facebook- und Linkedin-Konto wurde die "Bereinigung", wie das EDA es nennt, hingegen noch nicht vorgenommen - "aus technischen Gründen", so das Departement.
"Es ist seltsam, wenn ein Politiker auf einmal nicht mehr dazu stehen will."Matthias Lüfkens, Burson-Marsteller
Kommunikationsfachleute mit besonderen Kenntnissen reagieren mit Unverständnis auf diese Vorgänge. "Wäre ich gefragt worden, hätte ich Bundesrat Cassis vom Löschen im grossen Stil abgeraten", sagt der Berner Politikberater Mark Balsiger. Die Löschaktion mache "hellhörig", denn die Tweets könne man ja mit einer Software problemlos wieder ausgraben. Bei seinem Beitritt zur Waffenlobbyorganisation Pro Tell kurz vor der Wahl in den Bundesrat sei Cassis zu wenig vorsichtig gewesen, nun scheine er "bei Twitter übervorsichtig geworden zu sein", sagt Balsiger. Das sei unbegründet, denn Cassis habe sich in den sozialen Medien geschickt bewegt. Problematische Botschaften habe er nie verbreitet, anders als gewisse andere Politiker vom linken oder rechten Rand habe er "die Grenzen nie ausgelotet"."

Fazit:
Tragisch - erneut eine Fehlbesetzung durch die FDP.Die Liberalen?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen