Dienstag, 1. Dezember 2015

Ein Beitrag zur Diskussion der Interpretation von Art. 16a Grundgesetz 'Asylrechr' - mit historischer Rückblende

Ein Beitrag zur Diskussion der Interpretation des Asylrechts (Art. 16a Grundgesetz GG) durch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: 

"Zahl der Migranten 

Merkel:

Grundrecht auf Asyl kennt keine Obergrenze"

 

"F.A.Z." vom 11.09.2015; Link: http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/merkel-grundrecht-auf-asyl-kennt-keine-obergrenze-13797029.html .

"Bundeskanzlerin Merkel macht auf eine einfache Tatsache aufmerksam: Das Asylrecht kennt keine Obergrenze! ..."
  
Art. 16a GG  'Asylrecht'
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.
Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. [sicherer Drittstaat]
In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.
Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben.
Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß,
Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen."

"... Die faktische Aufnahmekapazität aber schon, sagt der CDU-Europapolitiker Krichbaum.

© dpa Schulvorbereitung: Deutschunterricht für Flüchtlingskinder Ende August in Aachen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt es ab, die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland zu begrenzen.
„Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze; das gilt auch für die Flüchtlinge, die aus der Hölle eines Bürgerkriegs zu uns kommen“, sagte sie der "Rheinischen Post". Auf die Frage, ob womöglich etwa eine Million Menschen in diesem Jahr kommen und integriert werden könne, antwortete die Bundeskanzlerin:
„Ich beteilige mich an Schätzungen nicht. Wir können auch nicht wissen, wie viele wieder in ihre Länder zurückkehren werden, wenn sich die Lage dort eines Tages hoffentlich wieder bessert. Aber kein Zweifel: Viele werden bleiben. Darin sollten wir vor allem auch eine Chance sehen. Wenn wir Bildung und Integration ermöglichen, werden die Menschen, die zum Beispiel aus Syrien bei uns Zuflucht gefunden haben, unserem Land viel zurückgeben. Lassen Sie uns offen und mit Zuversicht an die Aufgabe herangehen.“
[Die Bundeskanzlerin redet um den Brei herum. Auf die konkrete Frage gibt sie keine Antwort sondern weicht in die - ferne - Zukunft aus: "eines Tages".]

Fact ist: Ende 2015 werden innert Jahresfrist mehr als eine Million Flüchtlinge in Deutschland eingereist sein. 

Interessant wie sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPD schon zur Art. 16a GG 'Asylrecht' geäusser hat.Da gibt der folgende Artikel der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" einen Einblick.

Auszug aus
"F.A.Z." vom Montag, den 30.11.2015: "Nach drüben"; von Dr.  Jochen Staadt

"Warum die DDR 1985/86 einen Asylantenstrom in die Bundesrepublik organisierte und wie die SPD darauf einging, rekonstruiert"

Vorbemerkung:
Am 25.01.1987 fand in Deutschland eine Bundestagswahl statt. Die SPD hoffte unter Führung von Johannes Rau die Wahl für sich zu entscheiden.
Im Vorfeld fanden intensive Verhandlungen der SPD mit der DDR wegen einem andauernden Strom von Asylsuchenden aus Ostberlin nach Westberlin und damit in die Bundesrepublik Deutschland.

aus dem erwähnten "F.A.Z."-Artikel:
 (1)
"Es war im Januar 1986, als der stellvertretende niedersächsische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Wilfried Hasselmann vor einem weiteren Anschwellen des Asylantenstromes warnte. In einer Journalistenrunde in Bonn äußerte er, es seien bald noch mehr Asylbewerber in der Bundesrepublik zu erwarten, da Dänemark und Schweden mit der DDR vereinbart hätten, dass Asylbewerbern eine Weiterreise vom Flughafen Schönefeld in Ost-Berlin nur zu gestatten sei, wenn sie Einreisevisa für eines der beiden Länder vorweisen könnten. Hasselmann befürchtete, dass nun noch mehr Flüchtlinge direkt über West-Berlin in die Bundesrepublik Deutschland kämen.
(2)
...
(3)
Eine Woche später äußerte sich der Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin, Hans Otto Bräutigam, zum selben Thema. Ernst Otto Schwabe, Chefredakteur der außenpolitischen Zeitschrift „horizont“, berichtete der SED-Führung, Bräutigam habe ihm gegenüber erklärt, die Bundesrepublik sei längst – zumindest, was die offiziellen Stellen anbelange – über die Zeit hinaus, da man sich über jeden Zuzug freue. „Die Asylanten würden in zunehmendem Maße Kopfzerbrechen bereiten. Es würden sich ernsthafte Gespräche mit der DDR wegen der Schließung der ,Lücke‘ auf dem Bahnhof Friedrichstraße nach West-Berlin notwendig machen.“ Bräutigam habe im selben Gespräch sein Unverständnis für die im „Neuen Deutschland“ veröffentlichte Forderung nach Respektierung der DDR-Staatsbürgerschaft geäußert. „Die SPD hätte sich langsam an dieses Problem herangetastet. Aber auch die SPD könne nicht offen die Veränderung des Grundgesetzes fordern, worauf politisch unsere Forderung hinauslaufe.“ Zu diesem Zeitpunkt konnte Bräutigam noch nicht wissen, dass die steigenden Einwandererzahlen und die SED-Forderung nach Respektierung der DDR-Staatsbürgerschaft vor ein Jahr später anstehenden Bundestagswahl in ein politisches Geschäft zwischen SED und SPD einfliessen würden.
(4 - 7)
...
(8)
Im Laufe des Jahres 1985 kamen 73832 Asylbewerber ohne gültige Einreisedokumente in die Bundesrepublik, mehr als 60 Prozent davon nutzten die Möglichkeit, vom Flughafen Schönefeld in Ost-Berlin direkt nach West-Berlin weiterzureisen und dort um Asyl zu bitten. DDR-Busse brachten sie vom Flughafen Schönefeld direkt zu dem Grenzübergang am Bahnhof Friedrichstraß
...
(9 - 13)
...
(14)
Am 16. September 1986 telegrafierte Egon Bahr (SPD) die Zustimmung des SPD-Rumpfpräsidiums nach Ost-Berlin und bat Hermann Axen um ein weiteres Koordinationstreffen, das am folgenden Tag stattfand.
Bahr übergab die für den folgenden Tag vorgesehene Erklärung von Johannes Rau:
„Die SPD hält am Asylrecht für politisch, rassisch und religiös Verfolgte fest, wie es im Grundgesetz verankert ist.
Sie wird in dieser Haltung durch ihre geschichtlichen Erfahrungen bestärkt.
[viele Sozialdemokraten mussten während der Zeit von Kanzler Adolf Hitler ins Exil. Der spätere Bundeskanzler Willy Brandt war in Norwegen und in Schweden]
Die Bundesrepublik kann jedoch ebenso wenig wie andere europäische Staaten alle Menschen aufnehmen, die in Folge von Kriegen, Menschenrechtsverletzungen und einer ungerechten Weltwirtschafts- und Sozialordnung in steigender Zahl ihre Heimat verlassen.
Die Bundesregierung habe die Pflicht „eigene Schritte zu unternehmen, innerstaatlich wie im Zusammenwirken mit anderen Regierungen, um den verstärkten Zugang von Personen einzudämmen, bei denen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme unseres Asylrechts nicht gegeben sind“.
Es schade unserem Land, „wenn stattdessen die Asylantenfrage dazu mißbraucht wird, eine fremdendfeindliche Atmosphäre herbeizuführen, eine unerreichbare Verfassungsänderung [Art. 16a GG] zum Thema des Wahlkampfs zu machen“. 
Statt in diesem Zusammenhang Vorwürfe gegen die DDR zu erheben, sei es wünschenswert, „im Geiste guter Nachbarschaft“ eine kooperative Lösung anzustreben. „Bei meinem Bestreben, zu einer fühlbaren Reduktion der die Bundesrepublik belastenden Flüchtlingsbewegung beizutragen“, habe er von der DDR-Führung „die Zusage bekommen, dass nur solche Personen im Transit befördert werden, die über ein Anschlussvisum anderer Staaten verfügen“.
(15)
Um 13.00 Uhr meldet die „Tagesschau“ am 18. September 1986, die DDR sei nach Angaben von SPD-Kanzlerkandidat Rau bereit, „den Asylantenzustrom nach West-Berlin zu stoppen“. SPD-Vorstandssprecher Wolfgang Clement sagte im Interview, damit würde das „Asylantenproblem“ zahlenmäßig mindestens um ein Drittel reduziert. Auf die Frage ob der DDR Gegenleistungen versprochen worden seien, antwortete Clement: „Nein, diese Zusage, die die DDR gibt, kostet unser Land keinen Pfennig.“
(16)
Während CDU und FDP positiv auf die Änderung der Transitpraxis reagierten, sprach die CSU von einem „plumpen Wahlkampfmanöver“ Ost-Berlins zugunsten der SPD. Die Grünen warfen der SPD vor, sie habe sich zum „Erfüllungsgehilfen der fremdenfeindlichen Asylpolitik“ der Bundesregierung gemacht.
(17)
Die CDU/CSU/FDP-Koalition gewann am 25. Januar 1987 die Bundestagswahl, die von der SED erhoffte Respektierung der DDR-Staatsbürgerschaft war damit vom Tisch. Nach einem internen Rechtsgutachten der SED-Führung wäre die „Respektierung der Staatsbürgerschaft der DDR durch die BRD“ auf „die Behandlung von Staatsbürgern der DDR durch die BRD als Ausländer“ hinausgelaufen. Glücklicherweise waren 1989 die DDR-Bürger keine Ausländer – die etwa 60 000 tamilischen Bürgerkriegsflüchtlinge, die heute noch in Deutschland leben, gelten als gut integriert."

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