Freitag, 6. Oktober 2017

Professor Heinrich August Winklers (Humboldt-Universität Berlin) Kritik ermangelt es der Konsequenzen




«Ich kann vor diesem neuen deutschen Grössenwahn nur warnen»
Auszug aus der „NZZ“ vom Mittwoch, den 04.10.2017,, 0530 Uhr; von Benedict Neff, Berlin

Amerika steckt in der Krise, Europa schlingert und Deutschland erholt sich von der Bundestagswahl.
Der Historiker Professor Heinrich August Winkler mahnt, Deutschland dürfe die Fehler nicht wiederholen, die unter Merkel geschehen sind.

[Letztendlich aber gibt es auch beim Deutschen Winkler keine Alternative zur Frau Merkel und ihre Art zu politisieren.
Denn der grosse Feind ist die AfD; wegen ihr ist eine Korrektur der Merkel’schen Fehler – „die sich nicht wiederholen dürfen“ – nicht möglich.
Das ist die quinta essentia der Winkler’schen Ausführungen.]

«Wir wollen kein deutsches Europa, sondern ein europäisches Deutschland»:
Professor Heinrich August Winkler fordert neue Perspektiven für Deutschlands politische Zukunft.

NZZ:
Herr Winkler, der Titel Ihres neuen Buches lautet «Zerbricht der Westen?». Es schien mir bei der Lektüre, dass Sie ein Buch lang fragen, aber nicht antworten. Vielleicht, weil Ihnen die Antwort nicht gefallen würde?
Winkler:
„Die Offenheit ist Absicht. Wer will schon mit letzter Sicherheit sagen, ob die Ära Trump eine Episode bleibt? Ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt sehen wir immerhin: Trump ist nicht Amerika. Ihm steht eine pluralistische Zivilgesellschaft entgegen, eine unabhängige Justiz, unabhängige Medien und die verfassungsdemokratischen Kräfte im Kongress. Amerika hat nicht aufgehört, eine westliche Demokratie zu sein.“

[Der Westen zerbricht nicht wegen Trump. Wenn der Westen zerbricht so wegen der Uneinsichtigkeit der zurzeit agierenden EU-Politiker wie Juncker und Merkel, die meinen, die EU müsse noch zentralistischer ‚von oben nach unten‘ strukturiert werden.]

NZZ:
Sie zitieren in Ihrem Buch den französischen Politologen Jacques Rupnik, der vom «Ende des liberalen Zyklus» schreibt. Was ist stattdessen entstanden, wie würden Sie die Zeit charakterisieren, in der wir leben?
Winkler:
Wir beobachten ein Erstarken illiberaler Kräfte in Ost und West. Nationalpopulistische Protestbewegungen gibt es fast überall in Europa. In den alten westlichen Demokratien sind sie, ausser in den USA, aber noch nirgends an der Macht.
Die Rechtspopulisten richten sich vor allem gegen die Globalisierung im Zeichen der Migrationsbewegungen und des Freihandels“
[wegen der Verarmung breiter Bevölkerungsschichten].

NZZ:
Sie sehen solche Protestparteien auch als «Reaktion auf den Glaubwürdigkeitsverlust», den westliche Regierungen durch ihre Migrationspolitik erlitten haben. Was hat Deutschland in der Flüchtlingskrise falsch gemacht?
Winkler:
„Ich kritisiere nicht die Entscheidung der Kanzlerin vom 4.September 2015, den in Ungarn festsitzenden Migranten zu helfen.

[Frau Merkel sah sich – völlig abgehoben von der Realität, in der falschen Meinung, sie würde damit weltweit Popularität erhaschen – in den Fussstapfen des früheren deutschen Aussenminister Genscher, der 1989 in Prag den in die Tschechoslowakei eingedrungenen Ostdeutschen verkündete, dass sie in den Westen reisen können].

Winkler: Ich kritisiere, dass diese Entscheidung als deutsch-österreichischer Alleingang zustande kam.

[Kotau vor der deutschen Bundeskanzlerin Merkel.
Es geht natürlich nicht an, effektive oder auch nur behauptete positive Leistungen, Fortschritte Deutschlands der Frau Merkel gutzuschreiben; deutsches Versagen, deutsches Fehlverhalten hingegen „Deutschland“ anzulasten. Denn Deutschland ist eine ‚Bundeskanzler-Demokratie‘, dies erkennt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nach den Bundestagswahlen: Da ist ein Link zum Deutschen Kaiserreich sehr wohl angebracht, denn auch dieses kannte schon ein Parlament.]

Winkler: Deutschland hat sich dadurch in einer Weise isoliert, wie das noch nie der Fall war in der Geschichte der EU.
Ausserdem war es ein grosser Fehler zu behaupten, die deutschen Grenzen seien nicht zu schützen.
Die Parole «Wir schaffen das» verdeckte Schwierigkeiten, die schon im September 2015 zu erkennen waren. Die Kommunen stiessen sehr rasch an ihre Grenzen.
Deutschland aber erweckte lange den Eindruck eines Landes der asylpolitisch unbegrenzten Möglichkeiten.“

NZZ:
Sie formulieren in Ihrem Buch zwei Lehren aus der deutschen Flüchtlingspolitik. Die erste ist eine Absage an die deutsche Überheblichkeit im Zeichen der Willkommenskultur.
Warum ist der moralische Dünkel gerade in Deutschland so populär?

Winkler:
„Es gibt eine Reihe von Zeugnissen aus dem Jahre 2015, die deutlich machen, dass Politiker, Publizisten, Vertreter der Kirchen und der Zivilgesellschaft das Gefühl vermittelt haben, als bestehe jetzt endlich eine Möglichkeit, sich vom Ruf der Schreckensnation des 20.Jahrhunderts zu befreien. Der Tenor war: Wir können unser schlechtes Image loswerden, indem wir moralisch handeln und andern sagen, sie sollten sich gefälligst an uns ein Beispiel nehmen.
Das ist eine neue Form von deutscher Arroganz.
Sie hat bei unseren Nachbarn zu Recht sarkastische Reaktionen hervorgerufen.
Ich kann vor diesem neuen deutschen Grössenwahn nur warnen. So einfach werden wir mit unserer Vergangenheit nicht fertig. Deutschland taugt aufgrund seiner Geschichte nicht zur moralischen Leitnation Europas.“

NZZ:
Ihre zweite Lehre lautet: Keine Alleingänge. Sie sprechen allerdings von einem deutsch-österreichischen Alleingang. Entlasten Sie damit Deutschland nicht sogar ein wenig?

[Natürlich, Winkler wendet alle Kritik von Merkel ab. Schuld war der Österreicher Fymann, der Frau Merkel angerufen hat. Die konnte dann  ja gar nicht anders.]

Winkler:
„Ohne den Telefonanruf von Werner Faymann bei Angela Merkel wäre die überstürzte Grenzöffnung 2015 nicht zustande gekommen.
Ich wundere mich bis heute, warum es nicht möglich gewesen sein soll, sich ein paar Stunden lang strategische Gedanken zu machen und sich mit den EU-Nachbarn abzusprechen.
Ausserdem hätte Merkel bald Vorkehrungen treffen müssen, um ihre Entscheidung durch den Bundestag zu legitimieren.

[Die Legitimation durch den Bundestag wäre nötig gewesen: Es soll in der neuen Legislaturperiode einen Untersuchungsausschuss zu diesem Thema geben. Warten wir ab – der wird ganz sicher verhindert werden.
Denn in Merkel-Deutschland hat der Bundestag nur eine Aufgabe, den Merkel’schen Willen abzunicken. So gesehen ist die fehlende Bundestagsdebatte keine grosse Sache.]

Winkler: Die Bundesregierung [Frau Merkel] hat sich zwar von dieser Politik mittlerweile abgewandt, aber ohne ein Mindestmass an Selbstkritik.
Eine solche Politik ist auf die Dauer nicht glaubwürdig.
Auch im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik sollte gelten: Wir wollen kein deutsches Europa, sondern ein europäisches Deutschland.“

[Gibt es in der EU einen Bereich, in dem nicht Deutschland der EU befiehlt? In dem es nicht um ein deutsches Europa geht?].

NZZ:
Man merkt auch jetzt noch: Diese Politik hat Sie geärgert.
Winkler:
„Ja. Ich habe meine Kritik erstmals im September 2015 in einem Grundsatzartikel in der «FAZ» geäussert. Ich sehe mich leider durch die Entwicklungen, die danach eingetreten sind, voll und ganz bestätigt.“

NZZ:
Die USA sind nach der Wahl Trumps in der Krise. Sie schreiben, die EU könnte ein Korrektiv bilden, das den transatlantischen Westen stütze. Sie ist faktisch aber weit davon entfernt. Woran mangelt es?
Winkler:
„Solange es kein normatives Wir-Gefühl mehr gibt, …

[hat es in der EU je ein ‚normatives Wir-Gefühl‘ gegeben? Wann? Was ist das überhaupt. Ein ‚normatives Wir-Gefühl‘?]

Winkler: … kann die EU in den grossen Fragen nicht mit einer Stimme sprechen.
Sie kann allenfalls ein Zweckverband zum Schutz des Binnenmarktes und der Aussengrenzen sein. Damit bleibt sie aber weit hinter dem zurück, was sie bisher angestrebt hat.
Zurzeit ist die EU keine Wertegemeinschaft; in ihr koexistieren liberale und illiberale Demokratien.
Die Vorschläge des französischen Präsidenten Macron werden uns noch intensiv beschäftigen. Sie bieten vielleicht die Chance für einen historischen deutsch-französischen Kompromiss.
Aber am wichtigsten ist: Die liberalen Staaten müssen wieder stärker zusammenarbeiten, um dem Populismus Paroli zu bieten“.

[Heinrich August Winkler ist ein typischer Deutscher, ein Untertan: Er setzt seine Kritiken – siehe oben – nicht in klare politische Forderungen um sondern verbleibt beim Wischiwaschi „des wieder stärker Zusammenarbeitens“. Er müsste in Konsequenz seiner Kritik fordern, dass vor allem Deutschland, konkret die Bundeskanzlerin Merkel ihre Politik grundsätzlich ändern muss. Vereinfacht: Nicht nur „die Sorgen der Bürger ernst nehmen“, sondern für Abhilfe sorgen. Aber solange die abgehobene, unsägliche Frau Merkel festhält, dass an ihrem Kurs, an ihrer Politik nichts geändert werden muss, da sie nichts falsch gemacht hat („F.A.Z.“: „Non, je ne regrette rien“) wird sich die EU-Situation in keiner Weise zum Guten wenden].

NZZ:
Birgt eine Vertiefung der EU, wie sie Macron anstrebt, nicht die Gefahr, sie noch weiter zu spalten? Die Briten sind nicht ausgetreten, weil sie ein «Zuwenig» an Europa vermisst hätten.
Winkler:
„Es darf nicht mehr Europa um den Preis von weniger Demokratie geben.
Der Euro-Frust rührt daher, dass viele Entscheidungen über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen wurden.
In der EU findet eine «Verselbständigung der Exekutivgewalt» statt, um einen Begriff von Karl Marx zu verwenden.
Demokratische Einigungsprozesse mögen mühsam sein, aber sie sind wichtig, um dem Gefühl der Entfremdung von der EU entgegenzuwirken.
Europa wird nicht gegen die Nationen und Nationalstaaten vereinigt werden.
Wer wie Robert Menasse oder Ulrike Guérot das Ende des Nationalstaats verkündet, wird genau das Gegenteil erreichen. Ihre Statements zu Europa leisten ungewollt Beihilfe zu nationalpopulistischen Ressentiments.“

[Und, Herr Heinrich August Winkler, die Konsequenzen?]

NZZ:
Für wie wahrscheinlich halten Sie «Jamaica»?
Winkler:
Die Chancen stehen fifty-fifty. Den Konsens zu finden, dürfte in dieser Konstellation schwierig sein. Ob eine Jamaica-Koalition vier Jahre lang halten würde, ist deshalb eine offene Frage. Aber es ist notwendig, den Versuch zu wagen
Scheitert das Projekt, sind Neuwahlen nicht zu vermeiden.“

[Das wäre die Gelegenheit sich der Frau Merkel zu entledigen. Sie hat lange genug „regiert“ und genügend Schaden angerichtet].

NZZ:
Eine Neuauflage der grossen Koalition halten Sie für ausgeschlossen?

[Frau Merkel hat in den letzten vier Jahren sämtliche Trennlinien zur SPD aufgehoben und so diese ausgesaugt; im Endresultat ist sie in der vorletzten Legislaturperiode mit der FDP so umgesprungen – eine Spinne in ihrem Netz].

Winkler:
„Ich halte das nicht nur für extrem unwahrscheinlich, sondern auch nicht für wünschenswert. Denn es ist fast ein Gesetz, dass ein solches Bündnis zum Erstarken der Ränder führt. Käme es noch einmal zu einer grossen Koalition, würden die Union und die SPD wohl weiter krass an Stimmen verlieren; …

[warum, Herr Winkler, warum?]

Winkler: … vermutlich brächten sie in vier Jahren eine Mehrheit im Bundestag gar nicht mehr zustande. Dann wäre die deutsche Demokratie ernsthaft gefährdet“.

[In Deutschland waren in den letzten Jahren die Grenzen was gedacht und gesagt werden konnte enger gezogen als dies einer Demokratie gut tut („NZZ“). Frau Merkel ist ein einer Diktatur sozialisiert worden].
[Auf gar keinen Fall, es gäbe einen grundsätzlichen Wandel von der Bundeskanzler-„Demokratie“ zur Allparteienregierung, mit vermehrten Volksrechten. Aber das scheut das etablierte Deutschland, das immer noch im Schema von oben nach unten denkt und handelt, bei dem die Obrigkeit exakt weiss, was dem Bürger frommt und daher diesem Vorschriften macht, ihn mit Ermahnungen und Belobigungen - Orden und andere Auszeichnungen, öffentliche Belobigungen, wie zu Kaiser Wilhelm II. Zeiten, diesem Versager - auf dem „rechten Weg“ hält].

Winkler:
„Eine nachmalige grosse Koalition wäre ein Förderprogramm für die AfD“

[Hallo Herr Winkler:
Frau Merkels Regierungsstil und Regierungsinhalt hat bei den Bundestagswahlen 2017 bereits als Förderprogramm für die AfD gewirkt:
Bei diesen Bundestagswahlen haben sich 5 Millionen Wählerinnen und Wähler von der GroKo abgewandt und der AfD zugewandt. Aus allen Schichten der Bevölkerung. Neueste schmerzhafte Erkenntnisse: die bürgerliche Mitte hat Frau Merkel verlassen].


Heinrich August Winkler ist emeritierter Professor für neueste Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin.
Sein jüngstes Buch trägt den Titel: «Zerbricht der Westen? Über die gegenwärtige Krise in Europa und Amerika».

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