Montag, 2. Oktober 2017

"Wir merkeln weiter!" - Deutsche Stimmen zum Ausgang der Bundestagswahl

Wir mer­keln wei­ter – Zum Aus­gang der Bundestagswahl
Wollen wir es mal so sagen: Deutschland, wir „merkeln“ weiter in den nächsten vier Jahren, wenn Mutti denn durchhält! Man hätte „merkeln“ in den neuen Duden aufnehmen müssen als Synonym für lavieren, aussitzen, jonglieren, unklar, durchwinden etc.. Bin gespannt – falls Jamaika zu Stande kommt – ob die Grünen und die FDP diese Langweiligkeit so aushalten wie die SPD.

Ein Szenario – Koalitionspoker
Mein Lieblingsszenario sieht zurzeit so aus: Angela Merkel geht nach Brüssel (EU) oder New York (UNO). Martin Schulz macht sich in Würselen nützlich. Die AfD jagt ihre Unruhestifter am rechten Rand (weg) und petrysiert sich erneut (wenn auch ohne F. Petry). CDU, CSU und FDP bilden eine starke Opposition. Die Regierung wird von einer halben Allparteienkoalition aus SPD, Linkspartei, Grünen und einer eingehegten AfD gebildet, natürlich auch ohne Alexander Gauland. Und die K-Frage? Wird mit S beantwortet. S wie Schwesig, Manuela. Unrealistisch all dies? Gewiss etwas konkret utopisch, aber nicht irrer als „Jamaika“ und jedenfalls kein „Weiter-so“. Ich glaube, auf mittlere Sicht werden wir eine Konstellation solcher Art bekommen. Spätestens nach den Probeläufen Jamaika, Neuwahlen bzw. Minderheitsregierung.​ Es bedarf hierzu nur etwas an Flexibilität zu gegebener Zeit.

Wirkung unterschätzt – Zum Thema Protestwähler
Die große Koalition hat die Wirkung der Flüchtlings- und Asylpolitik auf das Wahlvolk unterschätzt. Da auch die oppositionellen Linken und Grünen bei diesem Thema der Bundesregierung den Rücken stärkten, blieb den Protestwählern nur die AfD, um ihren Unmut zu zeigen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine neue Schwarz-Gelb-Grün-Reg​ierung bei diesem schwierigen Thema einen anderen Kurs einschlägt. Deshalb wird die AfD nicht so schnell von der Bildfläche verschwinden, es sei denn, sie stellt sich öfter selbst ein Bein, wie es jetzt gerade durch Frauke Petry praktiziert.

Alles gesagt – Die Mutter der AfD
„Der Platz der Kanzlerin in den Geschichtsbüchern ist befleckt vom historischen Ergebnis der Populisten von der AfD. Ihre Migrationspolitik verbunden mit der Allianz mit der SPD hat der extremen Rechten dieses Ergebnis geschenkt. Mutti ist zur Mutter der AfD geworden.“ Diese Meinung vertritt die französische Tageszeitung Le Figaro als kurze Wahlanalyse. Dem kann ich mich nur anschließen. Damit ist alles gesagt. In Deutschland finde ich eine solche Analyse weder bei der schreibenden Zunft noch im öffentlich-rechtliche​n Fernsehen. Der Arm von Frau Merkel reicht weit. Das ist der Mainstream gemäß der „political correctness“ unserer Kanzlerin. Keiner traut sich, die Wahrheit zu sagen. Gute Nacht, Journalismus.

Merke​l allein ist nicht schuld
Nicht nur die Kanzlerin Frau Dr. Merkel hat die AfD stark gemacht. Das wäre zu einfach. Alle Parteien haben ihren Anteil daran. Uns Bürgern wurde mehr Sicherheit (auch von den Ländern), von allen Parteien versprochen. Mehr Polizeibeamten sollen auf die Straßen, auf den Straßen ist die Polizei, aber nur bei Fußballspielen. Da werden bis zu tausend (und mehr) Polizeibeamte pro Spiel gebraucht. Täglich liest man von Körperverletzungen, Auto- und Wohnungseinbrüche, Diebstahl, Betrug an älteren Menschen, Überfällen. Die Liste der Straftaten könnte man beliebig fortführen. An die Parteien: Nicht nur reden, auch das Versprochene umsetzen.

Neue Politik möglich – Zur Parteienlandschaft
Ei​ne gute Wahl. Getrieben vom AfD-Erfolg ist bei vernünftigen Kompromissen eine frische, erneuerungsfähige Politik mit den verbleibenden Koalitionsparteien möglich. Umweltfreundliche, realistische Einwanderungspolitik mit variablen Obergrenzen, Steuersenkungen, Digitalisierung, Altersarmut usw. Merkel ist außenpolitisch immer noch am kompetentesten. Sollten sich aber CDU/CSU und SPD in den nächsten vier Jahren nicht personell erneuern, werden wir eine noch zersplitterte Parteienlandschaft mit wechselnden Mehrheiten haben.

Rot-Rot-Grün​-Gelb – Alternative zu Jamaika
Nach der Ankündigung von Martin Schulz, die große Koalition zu verlassen, wird in den Medien als einzige Alternative eine Jamaika-Koalition genannt. Ich frage mich, warum noch niemand auf die Idee gekommen ist, eine Koalition aus Rot-Rot-Grün-Gelb unter einem Kanzler Martin Schulz vorzuschlagen.

Zum Verhalten der SPD
CDU und SPD verlieren doch einiges an Stimmen, was so nicht unbedingt zu erwarten war. Doch es ist schon verwunderlich, wie sich die SPD jetzt nach der Wahl verhält, aber ein unfähiger Schulz kann halt nicht besser.
Erst hat Schulz und die SPD große Töne gespuckt und jetzt nach der Wahl sind sie zu feige und drücken sich vor der Verantwortung, mit der CDU ein neues Bündnis einzugehen, um endlich gemeinsam eine Politik für das Volk und für Deutschland zu machen. Solche Falschspieler kann unser Land und die Demokratie nicht gebrauchen, zudem die AfD solch großen Zuwachs bekommen hat. Da müsste man miteinander dagegen angehen, um solche Parteien in Schach zu halten. Ansonsten geht unser Land langsam den Bach runter.

Zur Rolle des bisherigen Koalitionspartners
Wenn andere Parteien jetzt der SPD vorwerfen „sie würde ihrer staatsbürgerlichen Pflicht nicht nachkommen“, ist das heuchlerisch. Eine weitere Legislaturperiode als Juniorpartner einer großen Koalition wäre masochistisch und würde den Stimmenanteil von ca. 20 Prozent höchstwahrscheinlich noch weiter drücken. Staatsbürgerliche Pflicht beinhaltet keinen Parteienselbstmord. In Wahrheit geht es darum, dass der CDU/CSU und ihrer Kanzlerin nützliche Deppen für die Drecksarbeit (Beispiel Arbeitsministerium) abhandenkommen. Die SPD wurde nach den letzten Legislaturperioden jedes Mal abgestraft. Ich werde die Arbeit von Steinmeier, Gabriel und Nahles auf jeden Fall in deutlich besserer Erinnerung behalten als die von Dobrindt. Wenn jetzt ausgerechnet vom CSU-Generalsekretär Scheuer der Vorwurf kommt, die SPD würde nach dem Motto „erst die Partei und dann das Land“ verfahren, ist das lächerlich, denn diesbezüglich ist die CSU weit vorne. Und dass Jamaika zustande kommt, ist doch ziemlich wahrscheinlich. Lindner, Özdemir und den weiteren Parteispitzenangehöri​gen winken höchst lukrative Posten.

Ausgedient – Zum Ergebnis der Bundestagswahl
Das Wahl-Ergebnis der Union ist eine Schmach für die Kanzlerin. Doch Angela Merkel lässt nicht erkennen, dass sie Lehren aus diesem desaströsen Ergebnis für die Union ziehen will. Trotzig behauptet sie, sie habe ihre strategischen Ziele erreicht – und setzt durch ihre Aussage „Ich bin nicht enttäuscht“ noch eins drauf. Dies ist das Gegenteil von „Wir haben verstanden“. Die Reaktion verrät einen eklatanten Mangel an Demut. Aus Merkels Satz spricht die Arroganz der Macht. Anders ist nicht zu erklären, wie die Partei über das schwache Wahlergebnis und die teils dramatischen Verwerfungen in Ostdeutschland einfach hinweggeht.
Es brechen harte Zeiten an für die Kanzlerin: Denn das System Merkel hat ausgedient. Bislang versuchte die Kanzlerin ihre Koalitionen stets damit zu retten, dass sie die Union konsequent ihren Partnern angeglichen hat. Das müsste sie künftig erst recht bei einem Bündnis mit extrem selbstbewussten Grünen und Liberalen tun. Mit einer verzweifelten CSU wird ihr das vermutlich nicht gelingen. Mit Jamaika beginnt die Kanzlerinnendämmerung​ bei der Unterschrift des Koalitionsvertrages.

Jamaika-Regierung – Es geht nur um Macht - Zu den Koalitionsverhandlung​en
Das Faseln über die Bildung einer Jamaikakoalition ist Zeugnis dafür, dass es in der Politik nie um eine Sache geht, sondern um Macht, um Posten und persönliche Eitelkeit! Wer kann mir sonst erklären, dass Parteien mit einer solch unterschiedlichen Konzeption gemeinsame Sache machen wollen! Das geht doch nur, wenn man seine eigene Meinung vergewaltigt. Was auch immer bei einer Jamaika-Koalition herauskommt, im Vordergrund sollte immer der Auftrag der Wähler stehen. Die Nationalhymne wird wohl bleiben, gesungen wird sie aber nach der Melodie „Wer soll das bezahlen?“. Was die etablierten Parteien angeht, sollten sie schnellstens die Probleme in unserem Land lösen und nicht nur über andere Parteien endlos diskutieren wie bisher. Sonst erleben wir bei den nächsten Wahlen ein noch größeres Fiasko.

Quelle: "Rhein-Neckar-Zeitung​" vom Samstag, den 30.09.2017

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